Flüchtlingshilfe nimmt großen Raum ein

Seit 1975 Regionalgruppe von „terre des hommes“ – Fahrradmärkte motivieren und finanzieren Arbeit

Seit vielen Jahren engagiert: Waltraud Müßig (links) und Astrid Motz auf dem Fahrradmarkt von „terre des hommes“. Foto: Jung

Sich für Kinder starkzumachen, sie aus der Not zu retten und ihnen zu einer besseren Zukunft zu verhelfen: Das hat sich „terre des hommes“ auf die Fahne geschrieben. 2017 blickt die deutsche Organisation auf 50 Jahre erfolgreiche Arbeit zurück. Auch die Kaiserslauterer Gruppe engagiert sich bereits seit 1975. Mit Unterstützung auf vielen Gebieten und unterschiedlichen Aktionen – wie den zwei jährlichen Fahrradmärkten, deren Erlös Hilfsprojekten zugutekommt.

Kaum hat der Fahrradmarkt am 6. Mai seine Türen geöffnet, strömen die Leute herbei. Jahr für Jahr ist er ein Anziehungspunkt. Die einen kommen, um ihr zweirädriges Gefährt an den Mann zu bringen, andere in der Hoffnung, ein Rad zu erstehen und dabei noch ein Schnäppchen zu machen. Für beide Seiten führt kein Weg an Waltraud Müßig und Astrid Motz vorbei. Bei den beiden Mitgliedern der Kaiserslauterer Gruppe laufen an diesem Morgen die Fäden von Verkäufern und Käufern zusammen. „Wir registrieren die angebotenen Räder und wickeln den Verkauf ab.“ Doch zuvor nehmen Mitarbeiter des ADFC und des Velo-Projekts die Drahtesel unter die Lupe. Denn nur wenn sie der Verkehrssicherheit entsprechen, gelangen sie in den Verkauf.

Kommt der Handel zustande, spenden Käufer und Verkäufer zehn Prozent des Verkaufspreises für Projekte des Kinderhilfswerks. Der Erlös, den die Aktion in die Kasse spült, kann sich sehen lassen. „Neun Zubehörteile und 111 Räder waren im Angebot, davon wurden 70 verkauft. Das hat uns 1348 Euro eingebracht, dazu noch 22 Euro an Spenden. Das ist ein Rekordergebnis“, sagt Waltraud Müßig.

Sie ist es auch, die 1975 die pfälzische Regionalgruppe ins Leben gerufen hat. Die Idee hatte sie aus Stuttgart mitgebracht, wo sie bereits bei „terre des hommes“ aktiv gewesen war. „Anfangs haben wir uns vor allem um Kinder gekümmert, die im Vietnamkrieg verletzt und in Deutschland behandelt wurden. Waren ihre Eltern umgekommen oder konnten nicht gefunden werden, haben wir versucht, Adoptiveltern für sie zu finden. Erst hier in Deutschland, später dann in ihrer Heimat.“

Während anfangs der Fokus auf Einzelprojekten gelegen habe, arbeite „terre des hommes“ mittlerweile längerfristig an einem Thema. „Dabei werden auf Bundesebene Schwerpunkte gesetzt, und die Regionalgruppen können sich aussuchen, in welchem Bereich sie tätig werden wollen“, erklärt Astrid Motz, die sich seit fast 30 Jahren in Kaiserslautern einbringt und 1992 den Fahrradmarkt initiiert hat. Die weltweiten Projekte richten sich in erster Linie an Kinder, doch auch Familien und Frauen werden zunehmend gestärkt. Die Zusammenarbeit erfolgt mit Projektpartnern vor Ort, deren Vertreter regelmäßig nach Deutschland kommen. Umgekehrt können deutsche „terre des hommes“-Mitglieder an Reisen in ausgewählte Regionen teilnehmen. Die Chance haben auch Müßig und Motz genutzt und 2016 Vietnam und Myanmar bereist, um verschiedene Hilfsprojekte zu besuchen.

Seit gut zwei Jahren nimmt das Flüchtlingsthema viel Raum ein. „Wir unterstützen da, wo der größte Bedarf liegt und soweit es möglich ist. Das reicht vom Deutschkurs über die Organisation einer Kleiderkammer bis hin zu der Integration von Kindern in Vereinen und der Zusammenführung von Familien. Außerdem kümmern wir uns auch um die Mütter“, gibt Astrid Motz Einblick. Sie hat ab 2002 sechs Jahre lang auch auf Bundesebene mitgewirkt und als Delegierte für Internationale Föderation dem Vorstand von „terre des hommes“ Deutschland angehört. „Dabei habe ich gelernt, vieles noch mal aus anderen Blickwinkeln zu sehen.“ Eines habe sich in all den Jahren nicht verändert: „Es gilt nach wie vor, die Menschen über die Nöte der Kinder aufzuklären und sie zu motivieren, Hilfe zu leisten. Deshalb freuen wir uns, dass die beiden Fahrradmärkte jedes Jahr auf eine große Resonanz stoßen.“

Der nächste Fahrradmarkt findet am Samstag, 10. Juni, auf dem Gelände des Wertstoffhofs in der Vogelwoogstraße in Kaiserslautern, statt. Zwischen 9.30 und 10.45 Uhr werden die Fahrräder angenommen, der Verkauf findet dann von 11 bis 13 Uhr statt. Friederike Jung

 

Unter dem Eindruck des Vietnamkriegs ins Leben gerufen

Hilfsorganisation „terre des hommes“ besteht in Deutschland seit 50 Jahren – Mit diversen Kampagnen den Kindern dieser Welt geholfen

2017 feiert „terre des hommes“ Deutschland sein 50. Gründungsjubiläum und zieht eine erfolgreiche Bilanz. In den Jahrzehnten seines Bestehens hat die Hilfsorganisation in Zusammenarbeit mit über 1000 Projektpartnern in aller Welt rund 15 Millionen Kindern und Jugendlichen geholfen.

Spenden und Zuschüsse in Höhe von 543 Millionen Euro haben dazu beigetragen, in 47 Ländern rund 7000 Projekte zu fördern. Allein im vergangenen Jahr hat das Hilfswerk eigenen Angaben zufolge 22,7 Millionen Euro eingenommen, 18 Millionen davon Spenden, die rund 800000 Kindern und Jugendlichen überwiegend in Süd- und Südostasien, Lateinamerika, Afrika und Europa zugutegekommen sind.

Dabei war es gerade einmal eine Gruppe von 40 engagierten Menschen, die unter dem Eindruck des Vietnamkriegs im Januar 1967 in Stuttgart „terre des hommes“ ins Leben gerufen hat. Federführend für die Gründung des deutschen Kinderhilfswerks nach dem Beispiel der bereits bestehenden Schweizer Organisation war der Grafiker Lutz Beisel. Bereits sechs Monate später trafen die ersten kriegsverletzten Kinder in Deutschland ein, um medizinisch versorgt zu werden – bis 1971 insgesamt 200 Mädchen und Jungen.

Das Hilfswerk wuchs schnell und weitete seinen Aktionsradius auf fast alle Kontinente aus. Mittlerweile ist die Organisation, deren Geschäftsstelle in Osnabrück ist, auf 100 Gruppen und über 1300 Mitglieder angewachsen. In den 1970ern lag der Arbeitsschwerpunkt auf Adoptionen von Waisenkindern in armen, kriegs- oder krisengeschüttelten Regionen der Welt. Dabei entwickelte das Hilfswerk Auswahlverfahren und Standards für Auslandsadoptionen, die auch von staatlichen Stellen anerkannt und übernommen wurden. 1994 beschloss der Verein, das Adoptionsprogramm durch Waisenkinderprojekte in den jeweiligen Ländern zu ersetzen.

Von Anfang an setzte „terre des hommes“ auf eine Kooperation mit Partnern in den Entwicklungsländern, vor allem in Afrika, Asien und Lateinamerika. Mit dem Ziel, benachteiligten Kindern Schulbesuch und Ausbildung zu ermöglichen und ihnen zu einem eigenständigen Leben zu verhelfen. Zunehmend an Bedeutung gewannen auch Nothilfe und Wiederaufbau nach Naturkatastrophen, wie etwa nach dem Tsunami in Südasien oder dem Erdbeben auf Haiti.

Diverse Kampagnen machten sich für die Kinder stark. Sie kämpften für die Rechte von Mädchen, stemmten sich gegen Kinderarbeit, -prostitution und -handel sowie sexuelle Ausbeutung. 2004 startete die „Rote-Hand-Aktion“ gegen den Einsatz von Kindersoldaten, gefolgt von zwei weiteren Kampagnen: 2010 für den Schutz von Kinderrechten bei Sportereignissen, 2011 für das Kinderrecht auf eine gesunde Umwelt. Seit 2015 kümmert sich „terre des hommes“ auch um Flüchtlingskinder in Deutschland und entlang der Flucht­routen. fdj

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