Vater der politischen Karikatur

Speyerer Ausstellung mit Werken des Zeichners Thomas Nast aus Landau – Utopie einer besseren Welt

Kompromisslos: Thomas Nast sprach sich mit seiner Karikatur von 1864 gegen einen schnellen Frieden mit den Südstaaten im Bürgerkrieg aus. Die Sieger aus dem Süden könnten den freiheitlichen Norden unterdrücken, befürchtete er. Foto: Pfälzische Landesbibliothek

Wehrhaft: Der Karikaturist Nast kämpft mit spitzer Feder. Foto: Pfälzische Landesbibliothek

Das Einwandererkind gab den Glauben an eine große Nation und die Hoffnung auf eine bessere Welt niemals auf. Auf einer Schwarz-Weiß-Zeichnung von 1863 in der Zeitschrift „Harper’s Weekly“ sieht man einen Mann, der hasserfüllt mit der Peitsche auf einen Sklaven einschlägt. Fliehende schwarze Menschen werden von Bluthunden verfolgt. Daneben zeigt eine idyllische Szene eine afroamerikanische Familie in friedlicher Eintracht. Das Wort „Emancipation“ prangt über allem im strahlenden Licht des Fortschritts.

Der deutsch-amerikanische Zeichner und Journalist Thomas Nast (1840 bis 1902) nahm Partei für die Armen und Geknechteten, wandte sich gegen Bürgerkrieg, Korruption und Diskriminierung von Minderheiten. Als Mitarbeiter verschiedener Zeitungen und Zeitschriften, vor allem des renommierten Wochenmagazins „Harper’s Weekly“, begründete er mit satirisch-spitzer Zeichenfeder das Genre der modernen politischen Karikatur („Cartoons“). Nast, der in Landau geboren wurde und als Sechsjähriger mit seiner Familie auswanderte, gilt als der berühmteste Zeichner der USA im 19. Jahrhundert. Ihm widmet die Pfälzische Landesbibliothek in Speyer seit vergangenem Freitag eine Ausstellung.

Rund 60 Zeichnungen und Karikaturen unter dem Motto „Thomas Nast – Aktuell damals wie heute“ sind bis 2. September im Foyer des Landesbibliothekszentrums zu sehen. Die Pfälzische Landesbibliothek besitzt den zeichnerischen Nachlass von Nast mit rund 2000 Karikaturen, von denen seit 2016 rund 1000 digitalisiert und im Digitalisierungsportal „dilibri“ veröffentlicht wurden. Die Speyerer Karikaturenausstellung findet in Zusammenarbeit mit dem Thomas-Nast-Verein in Landau statt.

Mit seinen massenhaft verbreiteten Holzstichkarikaturen schuf Nast ab Mitte der 1860er Jahre bis zur Jahrhundertwende eine Chronik der amerikanischen Innenpolitik. „Seine Hoffnung auf Frieden, Zusammengehörigkeit und Gerechtigkeit ist die Kernaussage vieler seiner Zeichnungen“, erklärt Hubert Lehmann vom Thomas-Nast-Verein als Kurator der Ausstellung.

Bis heute aktuell ist Nasts vehemente Fürsprache für Meinungs- und Pressefreiheit und die Bürgerrechte, ergänzt der Bibliothekar Armin Schlechter. Nasts Utopie einer offenen und friedlichen Gesellschaft fasziniere bis heute. Schlechter pflegt den „Schatz“ – eine Sammlung mit zeitgenössischen Originalblättern aus der US-Presse, die die Landesbibliothek vor Jahren ankaufte. Den US-amerikanischen Mitbürgern hielt Nast mit seinen oft auf Titelseiten von Zeitungen und Zeitschriften ab­gedruck­ten, ungemein detailreichen Zeichnungen den Spiegel vor. Den Mächtigen stieß er mutig und frech seine Feder schmerzhaft ins Fleisch. Auf einem Blatt schaut Präsident Andrew Johnson als römischer Imperator untätig zu, wie ein Mob im Jahr 1866 in New Orleans schwarze Delegierte der republikanischen Partei massakriert.

Nast war ein liberaler Geist, zeigte Haltung und ließ sich nicht mundtot machen, wie eine Karikatur von 1877 aus „Harper’s Weekly“ zeigt. „Uncle Sam“, Sinnbild des Staats, drückt ihn auf einen Stuhl nieder. Doch Nast verteidigt sich, setzt seinem Widersacher die spitze Feder an die Brust. Als Unterstützer der Republikaner begleitete er alle Präsidentschaftswahlen von 1864 bis 1896, als „Unionist“ machte er sich im amerikanischen Bürgerkrieg für die Einheit des Landes stark. Einer weltweiten Öffentlichkeit bekannt wurde Nast als Erfinder der weihnachtlichen Figur des „Santa Claus“ mit weißem Rauschbart, dickem Bauch und rotem Kostüm.

Auch heute noch könnten sich viele US-Politiker und ganz sicher Präsident Trump an den Bildern Nasts stoßen, urteilt Schlechter. „Radikal verfocht er die Forderungen der Französischen Revolution: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit!“ 1902 starb Nast nach Spekulationsgeschäften verarmt in Ecuador. Auf einer Karikatur von 1869 hat „Uncle Sam“ Menschen aus allen Erdteilen zum „Thanksgiving Dinner“ um sich versammelt. „Welcome“ steht darüber: Thomas Nasts Wunschbild einer besseren Welt. Alexander Lang

Karikaturenschau

Die Ausstellung „Thomas Nast – Aktuell damals wie heute. Der pfälzische Vater der politischen Karikatur in den USA“ ist noch bis 2. September im Foyer des Landesbibliothekszentrums in Speyer zu sehen. Öffnungszeiten sind montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr sowie samstags von 9 bis 12 Uhr. Der Thomas-Nast-Verein in Landau bietet Führungen jeweils um 10.30 Uhr an am 27. Mai, 8. Juli, 29. Juli und 26. August. Anmeldungen sind möglich bei der Landesbibliothek unter der Telefonnummer 0 62 32 /90 06-224 oder per E-Mail: info.plb(at)nospamlbz-rlp.de, Internet, www.lbz.rlp.de, Ort: Landesbibliothekszentrum, Otto-Mayer-Straße 9, 67346 Speyer. all

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