Christian Wulff macht Mut zum Mut

„Grundwerte der freiheitlichen Demokratie verteidigen“ – Veranstaltungsreihe zur Reformation beendet

Altbundespräsident Christian Wulff bei seinem Vortrag in der Gedächtniskirche. Foto: Landry

Hat die jüngere Generation aufgefordert, Verantwortung zu übernehmen (von rechts): Bundespräsident a.D. Christian Wulff mit den Schülern Alina Zielke, Elias Sattelberger, Dario Resch neben den Chefredakteuren Michael Garthe und Hartmut Metzger. Foto: Landry

Der frühere Bundespräsident Christian Wulff hat an alle gesellschaftlichen Gruppen appelliert, gemeinsam die Grundwerte der freiheitlichen Demokratie zu verteidigen. Angesichts des verstärkten Drucks durch Rassismus, Populismus und Nationalismus sei der Zusammenhalt der Gesellschaft in Deutschland bedroht, sagte der 57-jährige CDU-Politiker in Speyer bei einer Podiumsdiskussion zum Thema „Viele Kulturen – eine Gesellschaft“. Damit endete die 14-teilige Veranstaltungsreihe „Aus Liebe zur Wahrheit – Speyerer Thesen zur Reformation“, die der KIRCHENBOTE und die „Rheinpfalz“ seit 2009 ausgerichtet haben.

Mehr Mut sei nötig, um die großen Herausforderungen durch Terrorismus, Globalisierung und Digitalisierung zu bewältigen, sagte Wulff, der von 2010 bis zu seinem Rücktritt im Februar 2012 Bundespräsident war. Die Basis des Zusammenlebens von Menschen unterschiedlicher Herkunft in Deutschland müsse das Grundgesetz sein.

„Nichts ist garantiert, dass es so bleibt“, warnte das frühere Staatsoberhaupt vor einem möglichen Rückfall in ein politisches Chaos. Das Gebot der Stunde sei es, „Maß und Mitte zu halten“, neues Vertrauen in die politischen Institutionen zu entwickeln und einem von Rechtspopulisten in ganz Europa verbreiteten „apokalyptischen Denken“ zu widersprechen. Vor allem die jüngere Generation sei gefordert, Verantwortung zu übernehmen. „Wir brauchen Demokraten, die die Mitte stärken, um die radikalen Ränder zu schwächen“, sagte Wulff. Mit Blick auf den Flüchtlingszuzug warnte Wulff davor, irrationalen Ängsten nachzugeben. „500 Millionen Europäern muss es doch möglich sein, dass sie drei Millionen syrische Flüchtlinge aufnehmen und auf Zeit und Dauer beherbergen können“, sagte Wulff. Alle in Deutschland zusammenlebenden Menschen müssten aber eine „klare Haltung“ zeigen und das Grundgesetz achten.

Das Land könne auf die hohe Qualität seiner Medien stolz sein, sagte Wulff, der als Bundespräsident im Zuge einer Affäre um angebliche Vorteilsnahme im Amt in Kritik geriet und schließlich zurücktrat. Allerdings vergäßen die über ihre Zukunft verunsicherten Medien manchmal, „dass sie Macht und Verantwortung haben“, sagte Wulff. epd

Neue Zuversicht in die Integration gewonnen

Umfrage unter Besuchern des Podiumsgesprächs – Ex-Bundespräsident legt Positionen überzeugend dar

Christian Wulff habe ihnen neue Zuversicht gegeben, dass die Integration anderer Kulturen in Deutschland, auch muslimischer Flüchtlinge, gelingen könne. Das sagten 15 von 17 Besuchern dem KIRCHENBOTEN nach der Veranstaltung in einer Umfrage.

Der ehemalige Bundespräsident sei die ideale Besetzung für das Thema „Viele Kulturen – eine Gesellschaft“ gewesen, bemerkte Günter Schmadtke aus Bad Dürkheim. „Seine Ansichten hat er mit Beispielen und Fakten informativ und beeindruckend belegt, das ist kein Oberflächler“, ergänzte Sieglinde Reis aus Frankenthal. Seine Position sei überzeugend, weil er sie in seinem Amt als Bundespräsident und auch jetzt noch auf Auslandsreisen gewonnen habe. Unterhaltsam sei er noch dazu gewesen, meinte Louise Reinfrank aus Bad Dürkeim. „Seine Analyse war sehr zutreffend für unsere momentane Befindlichkeit in Deutschland“, urteilte Richard Entzminger aus Römerberg.

Sie bewundere den Mut, mit dem er offen sein Konzept der Integration vertrete, sagte Sabine Mayer aus Lambsheim. „Gerade solche Menschen, die integrieren können und wissen, wie es geht, brauchen wir dringend“, meinte Ursula Fuhrmann aus Germersheim. Bewundernd zeigten sich einige Befragte, wie gelassen Wulff sich darüber äußerte, dass er das Amt des Bundespräsidenten verloren habe. „Es freut mich, dass er sich weiter politisch engagiert, er hat eine konstruktive Art“, bekannte Elfriede Bein aus Neuhofen. „Ich bedaure, dass er nicht länger Bundespräsident war. Er hätte noch einiges bewegt“, schätzte Marliese Kühn aus Haßloch.

Dass sich auch Jugendliche am Podiumsgespräch mit dem Ex-Bundespräsidenten beteiligt haben, freute einige Befragte besonders. Sie hätten ihre Sache gut gemacht, die Fragen seien sachlich und fundiert gewesen, betonten Colleen Towns-Eger und Olga Schmadtke aus Bad Dürkheim. „Die Schüler waren frischer als die beiden Journalisten“, feixte Hanni Töws. Dass Wulff in Sachen Demokratie und Wahlen den unter 30-Jährigen eine wichtige Bedeutung beimesse, sei interessant, sagte Monika Stabel aus Speyer. „Aber die waren ja in der Veranstaltung kaum vertreten.“ dob

Unsere Thesen zur Reformation

„Aus Liebe zur Wahrheit – Speyerer Thesen zur Reformation“ hieß die Reihe zum 500. Jahrestag des Thesenanschlags Martin Luthers in Wittenberg, die im April 2009 begann und in der vergangenen Woche beendet wurde. Die Chefredakteure von KIRCHENBOTE und „Rheinpfalz“ haben auch zur 14. Veranstaltung Thesen formuliert.

Hartmut Metzger: 1. Die Zunahme von Egoismus und Nationalismus auch in unserer Gesellschaft lässt den Rückzug christlicher Werte erkennen. Christen sind zur Freiheit und Verantwortung berufen. Sie sind daher im Sinne der Gemeinschaft Gegner von Gleichgültigkeit, Egoismus und Ignoranz. Ein Mehr an Christentum in dieser multiethnischen Gesellschaft ist zum Nutzen aller.

2. Deutschland steht in Gefahr, gespalten zu werden. Beide großen Kirchen dürfen daher nicht zuerst danach fragen, was sie trennt. Sie müssen danach fragen, was sie von ihrem Auftrag her für den Zusammenhalt zwischen Alt und Jung, zwischen Reich und Arm, zwischen Einheimischen und Zugewanderten beitragen können. Kirche lebt in dieser Welt und mitten in dieser Zeit.

3. Deutschland ist das Land der Aufklärung, in dem jeder glauben kann, was er will, und niemand etwas glauben muss. Aber Demokratie ist nicht von Gott gegeben. Sie ist immer gefährdet und muss ständig verteidigt werden. Sie ist die Voraussetzung dafür, dass Synagogen, Kirchen und Moscheen friedlich nebeneinander stehen und ein neues Fundament schaffen können.

Michael Garthe: 1. Deutschland ist Einwanderungsland. In Deutschland gibt es eine Vielfalt der Kulturen. Wir müssen diese Realitäten anerkennen, damit wir sie gestalten können. Unser Ziel ist es dabei, Einheit in Vielfalt zu erreichen. Unser vom christlichen Glauben, von der Aufklärung und vom Humanismus geprägtes Wertesystem ist die denkbar beste Grundlage dafür.

2. In der Verantwortung der Politik liegt es, eine Einheit der Gesellschaft anzustreben, in der die Deutschen und die Migranten sich wohlfühlen. Sie müssen ein konstruktives Miteinander der Kulturen bewirken. Das kann gelingen, wenn die Politiker zuhören, die Bedenken in der Bevölkerung ernst nehmen, wenn sie Überzeugungsarbeit leisten und nicht agitieren.

3. In der Verantwortung der Medien liegt es, durch umfassende Informationen, durch erklärende Hintergründe und durch profunde Meinungsangebote einen gesellschaftlichen Diskurs zu ermöglichen und zur Meinungsbildung beizutragen. Sie sind nicht die vierte Gewalt im Staate. Sie stacheln nicht an und nicht auf. Sie sind ein Organ der Information und der Kontrolle. KB

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