Blick über christlichen Tellerrand wagen

Christine Gortner spricht über die Motivation und die Herausforderungen als Weltgebetstags-Beauftragte

Zerstörerische Kraft: Die Bevölkerung der Philippinen, Gastland des Weltgebetstags, leidet immer wieder unter Taifunen. Foto: epd

Christine Gortner.

Christine Gortner ist seit Oktober in der Evangelischen Arbeitsstelle Bildung und Gesellschaft in Kaiserslautern als Referentin zuständig für den Weltgebetstag in der Evangelischen Kirche der Pfalz. „Als Teilnehmerin feiere ich schon lange Weltgebetstag, habe in meiner Gemeinde in Lambsborn schon öfter an der Basis mitgewirkt“, sagt die 58-Jährige. Frauenthemen liegen ihr sehr am Herzen. Sie war in der parteilichen Mädchenarbeit engagiert und Vorsitzende der Gleichstellungsstelle, interessiert sich für globale Themen, Fragen der Gerechtigkeit und andere Kulturen. Deshalb habe sie die Weltgebetstags-Arbeit, in der diese Themen zusammenfließen, immer mit Interesse verfolgt. Als ihre Kollegin Ilse Blendin in Ruhestand ging, war sie gerne bereit, deren Arbeit zu übernehmen.

Zum ersten Mal war sie so auf der Bundeswerkstatt, um in die Weltgebetstags-Arbeit einzusteigen. Gemeinsam mit Monika Kreiner, neu auf katholischer Seite, und einem ökumenischen Team haben sie die 26 Multiplikatorinnenschulungen für 700 Teilnehmerinnen aus den Gemeinden durchgeführt, die in der kommenden Woche die Feiern gestalten. Außerdem sitzt die Lambsbornerin im Komitee des deutschen Weltgebetstags. Die Organisation auf Bundesebene hat sie beeindruckt, unter anderem der klaren Struktur wegen. „Selbst herausfordernde Prozesse wie die Übersetzung der Ordnung oder die Festlegung des Titels werden konstruktiv gelöst“, sagt Gortner.

Mitzuwirken bei einer weltweiten Bewegung, sich jedes Jahr mit einem anderen Land und seiner politischen wie gesellschaftlichen Struktur auseinanderzusetzen, fördere das Verständnis für die Situation dort, sagt Gortner auf ihre Motivation angesprochen. Dazu komme das intensive Studium der Bibeltexte, die mit der Situation in Verbindung gebracht würden. „Indem wir unsere Kräfte bündeln und uns aktiv an der Projektarbeit zugunsten benachteiligter Frauen und Mädchen in der ganzen Welt beteiligen, können wir sie darin unterstützen, ihre politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rechte durchzusetzen“, sagt sie.

Das Motto der Weltgebetstagsbewegung, „Informiert beten – betend handeln“, bedeute, dass Spiritualität und das Engagement für Gerechtigkeit eng miteinander verknüpft seien. „Das entspricht meiner Vorstellung als Christin in unserer Gesellschaft zu leben und zu arbeiten. Es ist schön zu erfahren, wie gut die ökumenische Zusammenarbeit bei den Frauen hier bei uns in der Pfalz klappt“, sagt Gortner. Außerdem könnten bei den lebendigen Weltgebetstags-Gottesdiensten Frauen der Basis ihr kreatives Potenzial entfalten und Aufgaben übernehmen, die sie sich sonst vielleicht nicht zutrauen würden. „Bei allem Interesse macht das einfach großen Spaß und setzt jede Menge positiver Energien frei – bis hin zu den Gottesdienstbesuchern.“ Das seien Frauen genauso wie Männer. „Damit begeistern wir auch kirchenferne Menschen.“

Für die Zukunft findet es Gortner wichtig, gerade aufgrund der Flüchtlingssituation den Blick über den christlichen Tellerrand zu wagen. „Ich möchte offen sein dafür, auch Muslime und andere Weltreligionen in dieses Schneeballsystem der Solidarität mit einzubeziehen.“ Dabei sei der Gedanke gar nicht so revolutionär. Das Titelbild zu Ägypten 2014 habe eine Muslimin gestaltet. Generell sei der Zulauf an Ehrenamtlichen gut. Unter den rund 30 Teilnehmerinnen am Multiplikatorinnenseminar seien fünf Neue gewesen, die sich schon auf nächstes Jahr freuen. Das stimme sie optimistisch.

Trotzdem bleibe es eine Herausforderung, immer wieder neue Frauen für die Weltgebetstags-Arbeit zu begeistern. Dazu gehöre auch, die Kinder- und Jugendarbeit in den Blick zu nehmen. „Gutes Material hierzu gibt es, ich weiß aber nicht, wie das in unserer Landeskirche angenommen wird“, sagt Gortner. Sinnvoll sei, immer wieder nach neuen Veranstaltungsideen zu suchen, die ergänzend zum Weltgebetstag angeboten werden können. Das könnten ein Filmabend, ein Kochkurs mit Rezepten aus den Weltgebetstagsländern oder eine Reise in das jeweilige Land sein. cvw

Weltgebetstag in Kirchen in der Pfalz

Rund 150 Weltgebetstags-Gottesdienste finden am Freitag, 3. März, im Bistum Speyer und der Evangelischen Kirche der Pfalz statt. Im protestantischen Gemeindehaus Bruchmühlbach und im katholischen Pfarrheim Dirmstein gibt es nach dem Gottesdienst (18 Uhr) philippinische Speisen, ebenso in der Pauluskirche Haßloch, der Peterskirche Kirchheimbolanden, der katholischen Kirche Kriegsfeld und der protestantischen Kirche Lambsborn nach dem Gottesdienst (19 Uhr). Zum Gottesdienst mit Imbiss (18.30 Uhr) lädt die Kirchengemeinde Neuburg ins Bürgerhaus ein. flor

www.evangelische-arbeitsstelle.de

Von Drogen über Armut bis hin zu Korruption

Die Philippinen als diesjähriges Schwerpunktland des Weltgebetstags haben nach wie vor viele Probleme

Das Motto des Weltgebetstags 2017, „Was ist denn fair“, hat zusammen mit dem aktuellen Schwerpunktland Philippinen noch größere Brisanz, als bei der Vergabe angenommen wurde.

Seit seinem Amtsantritt im Juni 2016 ist Präsident Rodrigo Duterte mit harter Hand gegen Drogenkriminalität und Korruption vorgegangen. Viele Opfer wurden bei Polizeieinsätzen getötet – den Angaben zufolge aus Notwehr. Allerdings sollen auch Auftragskiller der Polizei unterwegs gewesen sein. War diese bislang wichtigster Verbündeter des Präsidenten, hat Duterte jetzt allerdings seit kurzem den Spezialeinheiten verboten, seine Kampagne gegen die Drogenkriminalität weiter fortzusetzen. Offenbar ist die Polizei selbst in das Drogengeschäft verstrickt – und hat die Weisungen des Präsidenten benutzt, sich unliebsamer Rivalen zu entledigen. Das Drogengeschäft blüht weiter.

Was Duterte außerdem nicht eindämmen konnte, war der Terrorismus. Im September verübte die islamistische Terrorgruppe Abu Sayyaf einen Bombenanschlag in Davao; das Auswärtige Amt rät bis auf Weiteres von Reisen in die Region Mindanao ab. Anfang Januar stürmten mutmaßliche Islamisten ein Gefängnis und befreiten mehr als 150 Häftlinge, darunter Mitglieder einer radikalen islamistischen Splittergruppe. Im Frühjahr ermordete Abu Sayyaf zwei kanadische Geiseln, weil angeblich nicht genügend Lösegeld für sie gezahlt wurde. Anfang Februar schließlich erklärte Duterte, die seit einem halben Jahr geltende Feuerpause mit den kommunistischen Rebellen für beendet.

Viele Filipinos sehen von der Wirtschaftsleistung des Landes – das Wachstum lag 2016 bei sechs Prozent – gar nichts. Die Armutsquote ist hoch, mindestens jeder Zehnte der gut hundert Millionen Filipinos arbeitet im Ausland. Viele Männer verdingen sich als billige Matrosen. Frauen arbeiten weltweit als Krankenschwestern oder vertrauen sich Partneragenturen an, die zum Teil per Katalog vermitteln. Viele Pfarrer stehen Gemeinden mit bis zu 50?000 Mitgliedern vor. Dafür erhalten sie teils nur umgerechnet 200 Euro pro Jahr. Sie müssen Land beackern, um genug zu Essen zu haben. flor

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