Die Lust am Rhythmus und der Groove

Kinderkantorei, Jugendchor „Unisono“ und Jazz-Band „Amuse Gueule“ sorgen in Pirmasens für Schwung

Im Scheinwerferlicht: Der Pirmasenser Jugendchor „Unisono“ bei einem Auftritt im Jahr 2015. Foto: pv

Am einprägsamen Logo „Groovin Spirit“ hat Maurice An­toine Croissant mitgebastelt. Ein Schelm, wer mutmaßt, mit dem flott wogenden Notenschweif stilisiere sich die bezopfte Haartracht des Ideengebers. Aber ernsthaft: Was jetzt als Konzept und Zukunftsplanung in Sachen Popularmusik Gestalt annimmt, hat für den Pirmasenser Bezirkskantor, bis 2014 auch für den Kirchenbezirk Bad Bergzabern zuständig, in seinem direkten Tätigkeitsfeld längst schon Kontur angenommen. Kinder- und Jugendpflege – das hat viel zu tun mit den verlockenden Möglichkeiten der Popularmusik. Und deren Ausbeute kann beträchtlich sein, für den, der unvoreingenommen und kundig ans Werk geht.

Beginnen wir mit der Kinderkantorei. Rund 40 Fünf- bis 13-Jährige tummeln sich, auf zwei Gruppen verteilt, im absoluten Nachwuchskader der Pirmasenser Kirchenmusik, statten übers Jahr Weihnachtsgottesdienst, Gemeindefest und auch mal einen Gottesdienst aus. Und sind seit rund sechs Jahren regelmäßig und sehr erfolgreich mit einer Musicalproduktion Gäste beim renommierten Euro-Klassik-Festival im Herbst.

„Das geschieht in enger Zusammenarbeit mit den Schulmusikern des Hugo-Ball-Gymnasiums, dessen Ensemb­les zum Beispiel die instrumentale Ausstattung beisteuern – eine wunderbare Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Institutionen“, sagt Croissant. „Und natürlich von viel öffentlicher Aufmerksamkeit begleitet.“ Ausgewählt werden Stücke mit komödiantischem Charakter und breitem Rollenspektrum, beispielsweise Peter Schindlers „Max und die Käsebande“ im vergangenen Jahr. Die musikalische Qualität muss ebenso stimmen wie die transportierte Botschaft – nicht notwendig ein biblisches Thema, aber die christlichen Grundwerte vermittelnd.

So in die Spur gesetzt, tauschen meist etliche der kleinen Sänger spätestens mit aufkeimender Pubertät die Kinder-Musical-Schuhe mit den flotten swinging Boots: Sie wechseln über zum Jugendchor „Unisono“. Auf diese Truppe ist Croissant besonders stolz. Das 2001 gegründete Ensemble ist ein schillerndes Abbild dessen, wie frisch und Impuls gebend gut gemachte Popularangebote den kirchlichen Trott aufzumischen vermögen. Jazz-Messe, Gospel, Popsongs und mehr bringen Schwung ins Gottesdienstgeschehen und vermitteln die Kernbotschaft nicht weniger wahrhaftig – allenfalls temperamentvoller und gelegentlich befreiend schräg.

Mit der Fluktuation der Teilnehmer, dem ausbildungs- und berufsbedingten Abwandern ab dem 20. Lebensjahr, müsse man leben als Jugendchorleiter, sagt Croissant. Er freut sich aber an den wenigen, die es nicht in die Ferne treibt und die dann ein weiteres Mal wechseln, in die Johanneskantorei nämlich. Nicht selten kooperiert „Unisono“ mit dem instrumentalen Pendant, der Jazz-Band „Amuse Gueule“, die – wechselnd mit vier bis acht Instrumentalisten besetzt – mittlerweile über ein enormes Repertoire verfügt und drei- bis viermal im Jahr von außerhalb eingeladen wird. Ein sogenanntes „Musikteam“ gestaltet zudem rund viermal im Jahr einen jazzigen Gottesdienst in der Johanneskirche. „Das macht allen Spaß, wird von der Gemeinde begeistert angenommen.“

Croissant, aufgewachsen in Landau, hat Kirchenmusik in Heidelberg studiert und einen zweijährigen berufsbegleitenden Popularmusik-Lehrgang an der Staatlichen Akademie in Trossingen absolviert. Wesentlich freilich ist die angeborene Lust am Rhythmus, die Affinität für querständige Metren, komplexe, auch mal schräge Harmonien und die offensichtlich natürliche Begabung, diese Musik in Körpersprache zu übersetzen. Er macht das so unmittelbar, dass der Funke zündet, man gar nicht anders kann, als mitzutun.

Mit Jazz-Messen eines Christoph Schönherr, Peter Schindler oder Robert Ray unterstreicht der Bezirkskantor nachdrücklich das Auswahlkriterium Qualität, sowohl inhaltlich wie kompositorisch. Auch der Generationen übergreifende Aspekt und die Chance, eher kirchenferne Menschen mittels zeitgemäßer, alltagstauglicher Tonsprache in die Kirchenmusik einbinden zu können, begeistert ihn. „Hier entfaltet Kirchenmusik auf ganz unmittelbare Weise ihre missionarische Kraft“, ist sein abschließendes Credo. Gertie Pohlit

Katalysatoren für kreative Musik in der pfälzischen Landeskirche

Die Bezirkskantoren Maurice Antoine Croissant und Tobias Markutzik sind direkte Ansprechpartner für Popularmusik in 15 Kirchenbezirken

Manch einem mag der Begriff Popularmusik nicht ganz geheuer sein. Aber keine Bange: Er ist wertfrei und lediglich ein Oberbegriff für ein reiches Spektrum an kirchenmusikalischer Kreativität, die jenseits der eingetretenen klassischen Pfade längst zu einer bunten Parklandschaft erblüht ist. Und mitten aus dem Volk – de populo – mithin dem jungen Volk erwächst.

Taizé, Gospel, Spiritual, Popsong, Rap, Chanson und Weltmusik – das alles sind Ausdrucksformen, die heute genauso in die Kirche gehören wie Bachs Weihnachtsoratorium. Seit 2001 gibt es in der evangelischen Landeskirche einen Beauftragten für Popularmusik, ab 2008 mit offiziellem Dienstauftrag und mit Wirkung von 2014 auch einer klaren inhaltlichen Vorgabe: Maurice Antoine Croissant, Bezirkskantor von Pirmasens, hat sich mit einer entsprechenden Ausbildung qualifiziert. Er liebt diesen Teil seiner Profession. Und, ebenso wichtig: Er hat den „Groove“ im Blut.

Der Popularmusikzug nimmt sichtlich Fahrt auf. Die Landessynode im Herbst 2016, motiviert durch entsprechende Anfragen aus den eigenen Reihen, nahm sich des Themas an, ließ sich informieren. Auch über die dünne Personaldecke der hauptamtlichen Kirchenmusik in der Landeskirche, die Bezirkskantoren im Schnitt musikalisch an rund 40000 Gemeindeseelen koppelt, im Vergleich zum EKD-Mittel von rund 15000.

Das bedeutet, kreativ zu sein mit dem, was möglich ist. Croissant, in Sachen Popularmusik Ansprechpartner für sieben Kirchenbezirke, und sein Kollege und Stellvertreter Tobias Markutzik, Bezirkskantor in Kusel und erstzuständig für acht weitere Kirchenbezirke, sollen als Katalysatoren wirken. Einen Katalog von Maßnahmen, modernes kirchliches Liedgut in den Gemeinden zu etablieren, hat Croissant in synodalem Auftrag in einem Konzept zusammengefasst. Manches ist längst schon blühende Wirklichkeit, wie das vierte Band- und Chorfestival 2016 in Landau geradezu berauschend vermittelte. Im Februar wurde erstmals zum „Runden Tisch“ eingeladen mit dem Ziel, „popularmusikalische Aktivitäten zu vernetzen“.

Zudem wird in diesem Jahr die Sammlung „Wo wir Dich loben, wachsen neue Lieder“ mit 100 neuen Liedern fortgeführt. Und auch drei Fortbildungen für Popularmusik werden angeboten. Sie richten sich an haupt- und nebenamtliche Kirchenmusiker sowie verstärkt auch an das theologische und pädagogische Personal in den Gemeinden. Die umfangreiche Ideenliste nennt unter anderem weiterreichende Förderungen – instrumentale Ausstattung etwa – sowie eine stärkere Gewichtung der Popularmusik bei der Ausbildung nebenamtlicher Kirchenmusiker. gpo

www.evkirchenmusikpfalz.de

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