Wilder Westen als Wanderzirkus

Vor 100 Jahren stirbt William Frederick Cody – Als Buffalo Bill prägt er nachhaltig das Bild von Cowboys und Indianern

Schon zu Lebzeiten wurden ihm Geschichten voller Heldentaten zugeschrieben, doch auch sein tatsächliches Leben war außergewöhnlich und vielseitig: William Frederick Cody, besser bekannt als Buffalo Bill, reiste mit seiner Wildwestshow bis nach Deutschland. Foto: Konrad

Im Ort Golden in Colorado erinnert unweit seines Grabs heute ein Museum an ihn. Foto: Konrad

Bevor Cody mit der Wildwestshow auftrat hatte er sich einen Ruf als Bisonjäger erworben. Foto: Konrad

von Anette Konrad

Mit William Frederick Cody, besser bekannt als Westernheld Buffalo Bill, starb am 10. Januar 1917 eine Legende. Mehr als 200 Indianer, Cowboys und Kundschafter, 175 Tiere vom Pony bis zum amerikanischen Bison, etliche Planwagen, dazu Kämpfe auf schnellen Pferden, Gefechte und wilde Schießereien, weil Indianer wieder einen Siedlertreck überfallen: Es muss ein eindrucksvolles Spektakel gewesen sein, als Buffalo Bill mit seiner Wildwestshow auf Europatournee war. Losging es 1889 zur Weltausstellung in Paris. Cody und sein Showensemble traten in Frankreich, Spanien, Italien, Österreich-Ungarn und natürlich in Deutschland auf.

Doch bevor er mit seiner Wildwestshow durch die Welt tourte, führte William Cody selber ein Leben, das mehr als genug Stoff für so manche Show bot. Nicht umsonst wurden und werden ihm Titel wie Kind des Wilden Westens, Bisonjäger, Kriegsheld und König aller Scouts zugeschrieben. Im Buffalo-Bill-Museum in Golden nahe Denver sind die Stationen seines Lebens detailreich dokumentiert: So konnte Cody schon mit 14 Jahren auf mehr Erlebnisse zurückblicken als mancher an seinem Lebensende.

Geboren am 26. Februar 1846 in Scott County, Iowa, war er bis dahin bereits Viehtreiber, Fallensteller und Goldgräber gewesen. Es müssen bewegte Jahre gewesen sein, damals, in der Mitte des 19. Jahrhunderts, als die großen Trecks in den USA den „wilden Westen“ eroberten und viele Menschen dem Lockruf des Goldes folgten. Cody war dabei. Genauso, als die großen Eisenbahntrassen entstanden, die den Kontinent erschlossen. Hier kümmerte sich der Jäger um das Fleisch, mit dem die Arbeiter der Kansas-Pacific-Bahn 1867 versorgt wurden.

Aus dieser Zeit stammt auch Codys Spitzname Buffalo Bill. Denn der Legende nach soll er damals in nur 18 Monaten sage und schreibe 4280 Bisons erlegt haben. Trotzdem war anscheinend noch ein achtstündiges „Shoot out“ mit einem ­Jäger namens William Comstock nötig, um zu bestimmen, wer von den beiden Bills nun den Ehrennamen „Buffalo“ tragen durfte. Es waren aber auch kriegerische Zeiten. So nahm Cody im Bürgerkrieg an 16 Schlachten teil, kämpfte gegen die Indianer und verlor bei einer Schlacht 1869 bei Summit Springs in Kansas zwar nicht sein Leben, aber einen Teil seines Skalps.

1872 kam Buffalo Bill erstmals mit dem Showbusiness in Kontakt. Er, damals bereits eine der berühmtesten Figuren des Wilden Westens, ging das erste Mal mit einem eigenen Theaterstück auf Tournee. Er spielte – wen wundert es – sich selber. Das Stück mit dem Titel „Scouts of the Prairie“ hatte der Groschenromanautor Ned Buntline geschrieben. In den Jahren danach lebte Cody den Wilden Westen in Praxis und Theorie und Fiktion, pendelte zwischen blutigem Ernst und Spiel. Sommers arbeitete er als Scout für die US-Armee oder begleitete reiche Ostküstler und europäische Adlige auf der Jagd, winters inszenierte er das raue Leben der Trapper auf der Bühne. Wie 1876, als sich Buffalo Bill nach dem Sieg der Sioux-Indianer unter ihrem Häuptling Sitting Bull in der bekannten Schlacht am Little Big Horn über General Cluster am Feldzug gegen die Indianer beteiligte und den Anführer der Cheyenne, Yellow Hair, tötete. Getötet haben soll, muss man ergänzen, denn ob er den Cheyenne-Chef nun zunächst mit einer Flinte erschoss, dann ins Herz stach und in nur fünf Sekunden skalpierte oder Yellow Hair „nur“ skalpierte, nachdem der im Kampf gefallen war, gehört ins Reich der Legenden. Egal, was passiert war: Cody schmückte das Geschehen aus und wandelte es in ein Melodram um, das in der nächsten Theatersaison auf der Bühne zu sehen war.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt war aus dem Trapper und Jäger ein Nationalheld geworden. Dazu beigetragen hatte auch Ned Buntline, der Cody als „Buffalo Bill“ in seinen Groschenromanen geradezu sagenhafte Abenteuer erfolgreich bestehen ließ. 1883 fiel in Omaha dann der Startschuss für seine Wildwestshow, die echte Cowboys, Indianer sowie lebende Bisons und Wildpferde vereinte. Über zwei Dutzend Eisenbahnwaggons brauchte Cody, um die menschlichen und tierischen Mitwirkenden des Spektakels zu transportieren, 16 Ozeandampfer sollen es gewesen sein, die sein Ensemble schließlich über den Atlantik nach Europa brachten.

Gleich zweimal gastierte die Wildwestshow in der Region. Das erste Mal machte der Wanderzirkus vom 30. September bis zum 13. Oktober in Frankfurt Station. Nach einem umjubelten Gastspiel in Stuttgart ging es anschließend ins Winterquartier nach Straßburg. Vom 23. bis zum 26. April 1891 wurden Buffalo Bill und seine Darsteller in Karlsruhe gefeiert, wo der Indianerbrunnen in der Südstadt bis heute an Codys Gastspiel in der Stadt erinnert.

Anschließend zog der Wildwest-Wanderzirkus weiter nach Mannheim. Dort begeisterte er das Publikum vom 27. bis zum 30. April auf den Wiesen vor dem gerade erbauten Wasserturm. In Mannheim traten erstmals Cowgirls auf, darunter das „Flintenweib“ Annie Oakley, die ihre Schießkünste zum Besten gab. Eine historische Fotoaufnahme belegt, dass Cody und sein Ensemble das Heidelberger Schloss besuchten. Anfang Mai folgte noch ein Gastspiel in Mainz. 1906 kam die Buffalo-Bill-Truppe ein zweites Mal in die Region – dieses Mal standen zwei eintägige Gastspiele in Worms am 30. August und in Saarbrücken am 31. August auf dem Tourneeplan.

Es war ganz großes Theater, das der Wildwestheld seinen Zuschauern bot: Wenn die Show ihre Lager aufschlug, entstand eine Freiluftarena mit Tribünen und Sitzplätzen für 8000 Besucher, wie das Stuttgarter „Neue Tagblatt“ am 15. August 1890 schrieb. Andere Quellen berichten von 7000 Plätzen um die fußballfeldgroße Arena. Historische Fotos zeigen daneben ein Lager mit den Zelten der Indianer, den Hütten der Cowboys und großen Zelten für die Tiere. Zwischen 50 Pfennig und vier Mark zahlten die Menschen für die Show – und sie zahlten sie offensichtlich gerne, denn die Gastspiele waren meist ausverkauft. Auf der England-Tournee wurde das Ensemble im britischen Parlament empfangen und durfte 1887 sogar vor Königin Victoria spielen. Immer wieder hatte Buffalo Bill Stargäste in seiner Show zu Gast. Der bekannteste dürfte wohl Sitting Bull gewesen sein, der ein Jahr mit Cody tourte, allerdings nur in den USA.

Die große Anziehungskraft seiner Wildwestshow auf die Menschen verwundert nicht. Schon am Bahnhof wurden die Darsteller zeitgenössischen Zeitungsberichten zufolge jubelnd in Empfang genommen. Denn wenn Indianer und Trapper in einer Parade auf den Pferden durch die Stadt ritten oder die riesigen Bisons vom Bahnhof zum Auftrittsort trieben, begleitet von Planwagen und einer Postkutsche, war das ein nie dagewesenes Spektakel voller Exotik. Und alles Exotische war um das Jahr 1900 äußerst populär. In sogenannten Völkerschauen wurden damals Menschen anderer Kulturen ausgestellt. Es waren „Menschenzoos“, in denen bevorzugt Angehörige kolonialer Völker schlimmstenfalls in Käfigen präsentiert wurden. Mit seinen Wildwestshows traf Cody also genau den Zeitgeist.

Er versprach den Menschen, ihnen einen Eindruck vom echten Leben im Wilden Westen zu vermitteln. „Unser Zweck ist, das Publikum mit Sitten und Gebräuchen und der täglichen Lebensweise der Bewohner des fernen Westens der Vereinigten Staaten bekannt zu machen“, heißt es in einem Programm der Europa-Tournee aus dem Jahr 1890. Der Zuschauer solle verstehen, dass „er wirkliche und ächte Typen vor sich habe“. Die Shows liefen nach dem immer gleichen Schema ab: Die Indianer mussten verlieren, Sieger waren die Weißen, die amerikanische Kavallerie rettete die Siedler. In den insgesamt 30 Jahren, die Cody mit seiner Show unterwegs war, transportierte er das Klischee des bösen Indianers und guten Weißen, das die Vorstellungen der Menschen vom wirklichen Leben im Wilden Westen nachhaltig prägen sollte.

Tatsächlich bediente er dabei vor allem Legenden und Mythen und verstand es, sich und seine Heldentaten gekonnt zu inszenieren. Mit seiner Show machte er sich und sein Leben zu einem Markenzeichen. Buffalo Bill war gleichzeitig ein Produkt des Wilden Westens als auch ein Werber für diesen. Daher verwundert es nicht, dass Buffalo Bill neben Winnetou und Sitting Bull als den bekanntesten Indianern die bis heute berühmteste Figur dieser Zeit ist.

Doch irgendwann verlöschte das Interesse an seinen Shows. Und so drohte Buffalo Bill’s Wildwestshow schließlich sogar der Bankrott. Cody starb am 10. Januar 1917 mit 71 Jahren in Denver, ruiniert, ohne Vermögen, und wurde auf dem Lookout-Mountain nahe Denver begraben. Schon 1921 eröffnete dort ein Museum, das an die Wildwestlegende erinnert. Und der an einem gewöhnlichen Werktag im Herbst voll besetzte Großraumparkplatz vor dem Museum zeigt, dass William Frederick Cody auch 100 Jahre nach seinem Tod am 10. Januar 1917 nichts von seiner Anziehungskraft auf die Menschen verloren hat.

www.buffalobill.org

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