Mit Mozart und Mendelssohn auf Du und Du

Pfälzische Schwestern Nora und Clara Steuerwald eint der gemeinsame Berufswunsch Musik – In einem Kosmos von Tönen aufgewachsen

Musizieren gerne in ihrer Heimatgemeinde: Clara (links) und Nora Steuerwald vor dem Gemeindehaus der Stiftskirche. Foto: Iversen

Wann immer sich Gelegenheit bietet, musizieren die beiden Schwestern zusammen, selbst wenn es „nur“ ein eher unspektakulärer Dienst in der Heimatgemeinde Landau ist, wie etwa zum Erntedankfest. Da hat Clara Steuerwald, die Jüngere, beim Gottesdienst vertretungsweise die Stiftskantorei dirigiert, und Nora, längst im gesanglichen Profilager angelangt, hat ganz selbstverständlich den Chor-Alt unterstützt. Was sie eint, ist unter vielem anderen der gemeinsame Berufswunsch Musik – mit ganz unterschiedlicher Zielrichtung freilich.

Dass im Hause Steuerwald – Vater Kantor in der pfälzischen Landes­kir­che, dann Landeskirchenmusikdirektor, Mutter Gesangspädagogin – die musikalische Sozialisation umfassend und mit einem Touch von Alltäglichkeit erfolgte, muss wenig überraschen. „Wir sind aufgewachsen in einem Kosmos von Tönen, das war eine Art zweite Muttersprache, für uns eine absolut selbst­verständliche Art der Artikulation“, schwärmt Clara, die lachend eingesteht, sich an ihre erste Probenwoche der Evangelischen Jugendkantorei der Pfalz nun nicht mehr wirklich erinnern zu können. 1996 war das, sie ein Dreivierteljahr alt und begehrtes „Bobbel-Objekt“ der weiblichen Kantorei-Fraktion.

Nora, kaum zwei Jahre älter, ergänzt: „Auf die Jugendkantorei-Freizeiten haben wir Kinder immer geradezu hingefiebert. Da gab es viel Spaß. Und Bach, Mendelssohn oder Brahms lagen einfach in der Luft.“ Schon als Kleinkind habe sie ihren ersten Auslandsaufenthalt erlebt – da zogen die Eltern mit ihr nach Paris, wo der Papa zum Meister­stipendium bei Marie Claire Alain, der Grande Dame der französischen Orgelmusik, angetreten war. Ab 1995 dann war Nora Steuerwald fest verankert in der neuen Landauer Heimat. Bis 2011 das Studium begann. Nach kleinem Umweg – Französisch für Lehramt – habe sie sich endlich doch für eine künstlerische Laufbahn entschieden.

Seit diesem Jahr studiert sie an der Musikhochschule Würzburg bei Daniela Sindram Gesang im Fach Mezzosopran. „Eine wunderbare Stimmlage – weit ausschwingend, dennoch rund und geerdet“, kommt es gleich schwärmerisch, „was für herrliche Partien es da gibt – Oktavian, Carmen, Fricka, Brangäne und dann die Mozart-Rollen: Dorabella, Cherubino“.

Geige, Klavier und Orgel hat Nora Steuerwald schon früh erlernt. Mehrfache Auszeichnungen bei „Jugend musiziert“, dabei zweimal ein erster Preis im Fach Gesang, künden davon. Auch das Kirchenmusikalische Seminar schloss sie bereits im beginnenden Teenager-Alter mit der C-Prüfung ab.

Als man in Wilgartswiesen 2006 verzweifelt nach einem Chorleiter suchte, übernahm Nora – 13-jährig – mutig das Pult. „Gedrängt hat mich niemand; ich wollte einfach einen Chor leiten“, konstatiert sie nüchtern. „Der Wilgartswiesener Kirchenchor und ich, das wurde eine richtig schöne Partnerschaft, die auch hielt bis nach dem Abitur.“

Die Matura hat sie 2011 am Max-Slevogt-Gymnasium abgelegt und danach sofort mit dem Lehramtsstudium für Französisch und Musik an der Universität Mannheim begonnen. Aber natürlich habe sie weiter viel Musik gemacht, wozu auch der Gesangsunterricht bei Startenor Alejandro Ramirez zählte. 2015 gar erhielt sie den Förderpreis der Internationalen sächsischen Sängerakademie Torgau. Das beflügelte ihren Entschluss, der Lehrerlaufbahn den Rücken zu kehren und sich auf das zu konzentrieren, was sie am liebsten macht: Singen.

Von ihrer Gesangspädagogin Daniela Sindram schwärmt sie überschwenglich: „Sie fordert alles ein, was man geben kann – aber ich gehe jedes Mal wie auf Wolken, wenn ich aus diesem Unterricht komme.“ Dem Ensemble-Singen ist Nora Steuerwald seit den Anfängen in der Evangelischen Jugendkantorei der Pfalz treu geblieben, erprobt sich darin bei weiteren renommierten Vokalgemeinschaften wie dem „ChorWerk Ruhr“ oder dem Kammerchor Stuttgart unter Frieder Bernius. Für ein Konzert der Händel-Festspiele 2016 in Göttingen wurde sie unter einer Vielzahl von Bewerberinnen für ein achtstimmiges Kammerensemble ausgewählt.

Wo die künstlerische Reise einmal enden soll? „Eine Stelle im Rundfunkchor wäre schön“, meint Nora Steuerwald ganz pragmatisch. Und dazu natürlich auch immer solistische Aufgaben im Bereich Oratorium. „Da liegen schließlich meine Wurzeln.“

Genau wie ihre Schwester hatte auch Clara das „Früh-übt-sich“ mit der Muttermilch eingesogen. Blockflöte, Oboe, Klavier und Orgel, vor allem die beiden Letzteren sind ihre instrumentalen Ausdrucksmittel, aber auch sie bezaubert mit einer wunderschönen Sopranstimme. Seminarausbildung (C-Prüfung mit 15 Jahren) und praktischer Dienst – als Chorleiterin an der Friedenskirche Wörth, schon im Alter von 13 Jahren, und als Organistin in Böchingen – waren für sie ebenfalls Facetten ihrer jugendlichen Persönlichkeitsentwicklung.

Wer Clara Steuerwald heute als 21-Jährige in Aktion erlebt, ihren stringent proportionierten Probenstil, ihre klare Vorstellung von Gestaltung und ihre prägnante Zeichengebung, den beeindruckt ihre unaufgeregte Souveränität. Seit 2013 studiert sie Kirchenmusik an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart; mit dem Berufsziel Kantorin. Den Angeboten des Studienalltags widmet sie sich mit Hingabe. „Es ist wunderbar – ich habe Gesangsstunden, Orgel-, Cembalo- und Klavierunterricht bei großartigen Meistern ihres Fachs.“

Dabei kann sich längst sehen lassen, was sie selbst in leitender Position auf die Beine stellt. Seit 2015 ist sie nebenamtliche Kantorin an der Waldkirche in Stuttgart-West, leitet dort die Kantorei, den Jugendchor und hat ihren Kinderchor von anfänglich 20 auf mittlerweile 36 Stimmchen hochentwickelt.

Chorleitung sei ihre „Lieblingsspielwiese“, bekennt Clara, und wiederum spielt die soziale Komponente eine Schlüsselrolle. „Dieser Generationenmix vom Vorschulkind bis zu meiner ältesten Kantoreisängerin – 94 Jahre –, all die unterschiedlichen Charaktere zu vereinen unter der wunderbaren Diktion einer musikalischen Aufgabe. Das macht einfach riesig Spaß.“

Darüber seien Clara Steuerwalds Meriten als perfekte Begleiterin – von klein auf erworben – nicht unterschlagen. Absolut verlässlich, unaufdringlich und vorausspürend – so hat das einer treffend beschrieben, der aktuell in den Genuss dieses besonderen Talents kommt. Bei Alexander Burda, dem Leiter des Figuralchors an der Stuttgarter Gedächtniskirche, übt und assistiert Clara Steuerwald seit 2014. Und im Duo mit dem Sänger Johannes Fritsche ist sie gar Stipendiatin der von Yehudi Menuhin ins Leben gerufenen Organisation „Live music now“.

Gemeinsam hatten die beiden Schwestern – um an den Ausgangspunkt anzuknüpfen – 2009 in der Sparte Kunstlied einen bemerkenswerten Erfolg zu verbuchen: Da holten sich Nora als Sängerin, damals 16 Jahre, und die 14-jährige Clara am Klavier einen ersten Preis beim Landeswettbewerb „Jugend musiziert“ und landeten auch beim Bundeswettbewerb auf einem vorderen Platz. „Schön war’s und hat Riesenspaß gemacht“, strahlen noch heute beide um die Wette. Gertie Pohlit

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