Ein Denkmal der Reformation

Schlosskirche in Wittenberg umfassend saniert – Zustand wie bei der Einweihung 1892 wiederhergestellt

Erstrahlt in neuem Glanz: Gottesdienst zur Wiedereröffnung der Wittenberger Schlosskirche. Fotos: epd

Hat in Wittenberg gepredigt: „Hausherr“ Kirchenpräsident Christian Schad.

Anlässlich der im kommenden Jahr anstehenden Feierlichkeiten zum 500. Jubiläum der Reformation ist die Wittenberger Schlosskirche einer Komplettsanierung unterzogen worden. In vierjähriger Arbeit wurden die vorhandene Bausubstanz gereinigt und gefestigt, Verlorenes nach alten Befunden rekonstruiert. Die Kirche, die 1996 von der Unesco in die Liste des Weltkul­turerbes aufgenommen wurde, ist Teil des noch nicht vollständig erneuerten Schlossensembles. Das gesamte Bauvorhaben hat ein Investitionsvolumen von rund 33 Millionen Euro und wird vom Land Sachsen-Anhalt, dem Bund und der Europäischen Union gefördert. Für die Herrichtung der Kirche wurden inklusive Spenden rund 8,2 Millionen Euro aufgebracht.

Erbaut wurde die Schlosskirche auf Geheiß des sächsischen Kurfürsten Friedrich dem Weisen. Der römische Kardinal Raimund Peraudi weihte sie 1503 zur Kirche Aller Heiligen. In der Schlosskirche, die seit 1507 auch die Kirche der Universität war, wird seit 1525 der evangelische Gottesdienst gefeiert. Sie ist die letzte Ruhestätte der Reformatoren Martin Luther und Philipp Melanchthon sowie der Kurfürsten Friedrich und Johann. Wertvolle Kunstwerke dienen der Erinnerung an die beiden vor dem Altar bestatteten Beschützer der Reformation. Zwei lebensgroße Figuren, um 1521 entstanden, zeigen sie als kniend ins Gebet versunkene Ritter. An der Kirchenwand sind ihre 1527 und 1534 in Nürnberg gegossenen Bronzeepitaphe aufgerichtet, auf denen sie als lebensgroße Relieffiguren im kurfürstlichen Ornat dargestellt sind. Eher schlicht wirken die Grabstätten der beiden Reformatoren. Die recht kleinen Bronzeplatten für Luther (1483 bis 1546) nahe der Kanzel und Melanchthon (1497 bis 1560) neben der Thesentür begnügen sich mit einer Inschrift. Die Platten ruhen auf niedrigen Sandsteinsockeln, unter denen sich in zwei Metern Tiefe die Särge befinden.

Weltberühmt ist die Schlosskirche überdies, weil Luther an eine ihrer Türen seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel angeschlagen haben soll. Diese waren ursprünglich als Grundlage für eine wissenschaftliche Erörterung der Frage gedacht, „was die Lehre vom Ablass wäre“, gerieten jedoch zum auf den 31. Oktober 1517 datierten Ausgangspunkt der Reformation. Der Bericht über den Thesenanschlag und sein Datum gehen auf Melanchthon zurück. Gesichert ist, dass Luther am 31. Oktober ein Beschwerdeschreiben über den vom Dominikanermönch Tetzel betriebenen Verkauf von Ablassbriefen an Alb­recht von Brandenburg, Erzbischof von Mainz und Magdeburg, richtete. Dem Schreiben legte er die 95 Thesen bei. Da ihm Albrecht nicht antwortete, veröffentliche Luther seine Thesen: „Also missachtet, gab ich meine Disputationsthesen auf einem Plakat bekannt.“ Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist unter Kirchenhistorikern umstritten. Manche bezweifeln gar, dass der Thesenanschlag überhaupt stattgefunden habe. Im Jahr 2007 fand jedoch der Wittenberger Historiker Martin Treu eine den Thesenanschlag bestätigende Notiz von Luthers Mitarbeiter Georg Rörer.

Die Holztür, an die Luther seine Thesen angeschlagen haben soll, verbrannte 1760. König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen beschloss, eine neue zu stiften. Sie sollte ein künstlerisches Denkmal für Luthers kühne Tat sein. Die beiden von Ferdinand von Quast entworfenen Türflügel mit den 95 lateinischen Texten wurden 1855 in Bronze gegossen. Über dem Portal sind die Sandsteinfiguren der Kurfürsten Friedrich und Johann postiert. Im Bogenfeld oberhalb der Türflügel befindet sich ein 1850 geschaffenes Bild des Malers August von Klöber. Luther mit seiner Bibelübersetzung in den Händen und der das Augsburger Bekenntnis präsentierende Melanchthon knien links und rechts unter dem Gekreuzigten.

Der Kronprinz und spätere kurzzeitige Kaiser Friedrich III. besichtige 1880 die Schlosskirche. Über ihre Verwahrlosung entsetzt, beauftragte er den Geheimen Oberbaurat Friedrich Adler mit Entwürfen zu ihrer Neugestaltung. Die alte Bausubstanz sollte geschont werden, das Innere aber eine „möglichst reiche und imposante Ausstattung“ erhalten. Mit dem Umbau wurde 1885 begonnen. Besondere Aufmerksamkeit widmete Adler dem Kirchturm. Dessen Kuppeldach erinnert an eine Kaiserkrone, aus der eine Pickelhaube ragt. Die Einweihung wurde am Reformationstag 1892 in Anwesenheit Kaiser Wilhelms II. gefeiert. Der für ihn geschaffene „Kaiserstuhl“ steht heute noch an seinem Platz. Unter preußischer Regie ist das Gotteshaus zum triumphalen Denkmal der Reformation geworden. Der Wiederherstellung dieses Zustands von 1892 diente nun die Sanierung.

Den Weg vom Eingang zum Altar säumen beidseitig steinerne Standbilder der Reformatoren. Luther und Melanchthon stehen dem Altar am nächsten. In den Zwickeln der Emporenbögen zei­gen 22 Bronzemedaillons wichtige Vorkämpfer, Prediger, Märtyrer, Förderer und Künstler der Reformation. An der Emporenbrüstung sind die Wappen von 52 Königen, Fürsten und Rittern angebracht, welche die Reformation unterstützten. Aber auch die Bürgerschaft wird geehrt: Die hohen Seitenfenster sind mit den Wappen von 144 Städten geschmückt, die sich früh zur Reformation bekannten. Ein Bildprogramm, das durchaus an ein anderes „Denkmal der Reformation“ erinnert, an die aus thüringischem Sandstein 1890 bis 1904 erbaute Gedächtniskirche der Protestation in Speyer. Veit-Mario Thiede

Dem Gottesdienst und allen Menschen gewidmet

„Wie eine gesegnete Ernte nehmen wir die Wittenberger Schlosskirche nach ihrer Restaurierung von den Bauleuten wieder in Empfang“, sagte Kirchenpräsident Christian Schad in seiner Predigt zum Erntedankfest beim Gottesdienst zur Wiedereröffnung. Die Kirche als gesegnete Erntegabe werde nun erneut dem Gottesdienst und somit allen Menschen gewidmet.

Schad bezeichnete die Schlosskirche als „Quellort der Reformation“. Die beiden hier begrabenen Reformatoren Luther und Melanchthon hätten der Christenheit Jesus als Gabe Gottes in Erinnerung gerufen. Darin bestehe in ihrem Kern die Reformation. Der pfälzische Kirchenpräsident hielt die Predigt in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Präsidiums der Union Evangelischer Kirchen (UEK) in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Die UEK ist die Rechtsnachfolgerin der Altpreußischen Union und damit auch Trägerin ihrer Einrichtungen. Dazu gehören neben der Schlosskirche auch das Predigerseminar in Wittenberg und der Berliner Dom.

Schad dankte der anwesenden Königin von Dänemark, Margrethe II., die als Geschenk einen Altarbehang gefertigt hatte. Auch Bundespräsident Joachim Gauck würdigte im Anschluss in seinem Grußwort den besonderen Ort, von dem aus sich die reformatorischen Gedanken in alle Welt ausbreiteten. gkl

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