Ein letzter Gang durch das Geisterkrankenhaus

Endzeitstimmung bei den Mitarbeitenden und Patienten in Zweibrücken – Landesverein für Innere Mission stellt den Krankenhausbetrieb ein

Außer Betrieb: Anästhesiepflegerin Michaela Jensen räumt medizinische Geräte im Operationssaal zusammen. Foto: Steinmetz

Etwas ist anders. Zwei Tage vor der Schließung des Evangelischen Krankenhauses in Zweibrücken spürt man sofort, dass es aufs Ende zugeht. Auf der Intensivstation ist kein „Piep“ zu hören, die Maschinen sind ausgeschaltet. Auch in der Notaufnahme ist Ruhe eingekehrt, denn das Krankenhaus ist „abgemeldet“ und wird von Rettungsdiensten nicht mehr angefahren. In Behandlungszimmern stapeln sich Pappkartons mit Akten. Doch was am meisten auffällt: Statt Patienten werden Kisten durch die Gänge geschoben; irgendwo im Haus sind noch sieben Patienten.

„Die Leute sind verunsichert, die wissen, wir machen bald zu, und deswegen kommt auch keiner mehr“, sagt Marion Sonntag. Sie leitete die zentrale Patientenaufnahme – bis zur Schließung am 30. September durch den Krankenhausträger, der Landesverein für Innere Mission. Vor genau 20 Jahren hat sie ihre Ausbildung zur Krankenschwester in diesem Haus begonnen und ist ihm seitdem treu geblieben. „Das ist für mich eine Heimat gewesen“, bedauert die 41-Jährige. „Ich bin hier geboren, ich habe meine Kinder hier auf die Welt gebracht, ich hab mich hier weiterentwickelt bis zur Stationsleitung, und jetzt bin ich diejeniege, die die Station zuschließt.“ Die Tränen stehen ihr in den Augen, als sie auf ihre Zeit in Zweibrücken zurückblickt. Jeden Tag müsse sich sich von Menschen aus dem Haus verabschieden.

Längst nicht alle hätten eine neue Stelle gefunden. Die Frage, ob man schon was Neues gefunden habe, gehöre in den letzten Wochen leider auch zum Krankenhausalltag. Sogar die Patienten erkundigten sich mitfühlend nach dem Schicksal des Krankenhauspersonals, erzählt die Krankenschwester. Auch sie spüren die Endzeitstimmung.Dunkel und menschenleer ist auch das Stockwerk, in dem bis zur Schließung am 15. Juli noch bis zu 400 Babys pro Jahr das Licht der Welt erblickten. Jetzt ist das Licht aus, und die Säuglingsbetten sind leer. Im Gang nebenan stehen Patientenbetten kreuz und quer. Es wirkt nicht nur hier wie ein Geisterkrankenhaus. „Es ist für uns alle sehr gespenstisch“, sagt Marion Sonntag. Mit ihrer eigentlichen Arbeit habe das alles nichts mehr zu tun.

Auch in den Operationssälen wird nicht mehr operiert. Ärzte und Pflegepersonal sind aber noch da – sie räumen auf, sortieren die Apparate. „Für manche Geräte hat schon das Bad Dürkheimer Krankenhaus Interesse ­bekundet“, sagt Pflegedirektor Peter Blietschau. Doch zunächst sei man darauf bedacht, die Übergabe an das katholische Nardiniklinikum vorzubereiten, das die Abteilung für Innere Medizin samt Gerätschaften und Personal übernehmen will. Auf dem Schreibtisch des Pflegedirektors liegen druckfrische Plakate, die darauf hinweisen sollen, dass das Krankenhaus seine Arbeit am 30. September einstellt. Diese sollen verhindern, dass danach noch jemand in den Fluren umherirrt, der davon noch nichts mitbekommen hat. Die Atmosphäre im Krankenhaus und die Gesichter der Beschäftigten machen es deutlicher als es jedes Schild sagen könnte: Das Ende ist nah. „Es ist emotional sehr anstrengend“, beschreibt Marion Sonntag die Stimmung unter ihren Kolleginnen und Kollegen. Gerade für die Mitarbeiter, die schon über 50 Jahre alt sind, sei es sehr schwer, etwas Neues zu bekommen; auch Alleinerziehende litten sehr darunter. „Meine Familie hat in den letzten Wochen und Monaten einiges mitgemacht.“ Sie habe immer wieder ihre Sorgen von ihrem Arbeitsplatz nach Hause mitgenommen. „Aber es bringt nichts, jetzt noch gegen die Vorstandschaft zu wettern“, sagt Sonntag. Sie wolle stattdessen nach vorne blicken. Doch die Hoffnung starb erst ganz zuletzt.

Spuren dieser Hoffnung sind noch vor dem Krankenhaus zu finden: Vor dem Haupteingang haben die Mitarbeitenden Herzen aufgestellt, auf denen namentlich zu lesen ist, seit wie vielen Jahren ihr Herz schon für das Krankenhaus schlägt – und dazwischen ein kleines, aber auffälliges Holzkreuz, das deutlich macht, dass hier die Hoffnungen von über 300 Mitarbeitenden begraben liegen. Stefan Mendling

 

Eines der ehemals modernsten Krankenhäuser ist am Ende

Kritik am Landesverein wegen mangelnder finanzieller Beteiligung bereits bei der Einweihung – Land prüft Rückforderung von Fördermitteln

Nach viereinhalbjähriger Bauzeit wurde am 20. April 1978 das heutige Evange­lische Krankenhaus Zweibrücken in Dienst gestellt. Wegen seines Umgangs mit Geld erntete der Landesverein für Innere Mission schon beim Festakt Kritik. Angesichts der Baukosten von 51 Millionen Mark ermahnte Staatsminister Georg Gölter alle Beteiligten zum sparsamen Wirtschaften, zumal das Krankenhaus vollkommen von der öffentlichen Hand finanziert wurde, wie der KIRCHENBOTE in Ausgabe 19 des Jahres 1978 berichtet.

Auch Oberkirchenrat Ludwig Scheib tadelte in seinem Grußwort den Landesverein, weil dieser sich bis zum Zeitpunkt der Eröffnung finanziell nicht am Bau beteiligte. Die Grundsteinlegung für den Neubau fand am 1. März 1974 statt. Die Geschichte des Krankenhauses geht allerdings viel weiter zurück. Das 1906 vom Pfarrverein als Studienheim gebaute Haus in der Oberen Himmelsbergstraße – gegenüber dem heutigen Krankenhaus – wurde vom Landesverein übernommen und ab 1913 als „Anstalt für schwer erziehbare Mädchen“ betrieben. Daraus entwickelte sich das „Mädchen- und Damenheim“, in dem Jung und Alt zusammenlebten.

In den Kriegsjahren wurde es als Lazarett genutzt. 1919 verkaufte der Landesverein alle Einrichtungen an die Diakonissenanstalt Speyer. Diese wiederum verlegte die Damen und verkaufte das Gebäude an die Kirchengemeinde Zweibrücken, die es ab 1926 als Krankenhaus betrieb. Das war die Geburtsstunde des evangelischen Krankenhauses. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte die Kirchengemeinde das Krankenhaus finanziell nicht mehr halten. 1956 übernahm es der Landesverein.

Der Landesverein hat in Zweibrücken seitdem fleißig gebaut: 1958 wurde ein Neubau an das Krankenhaus angefügt, sodass die Bettenzahl von 84 auf 232 stieg. 1973 wurde eine Intensivstation gebaut. Im gleichen Jahr bekam der Landesverein die Genehmigung für den Neubau auf dem Gelände der früheren französischen Kaserne, ebenfalls in der Oberen Himmelsbergstraße. 42 Millionen Mark sollte er ursprünglich kosten. Als das neue Krankenhaus mit 311 Betten und sieben Abteilungen 1978 in Dienst gestellt wurde, galt es als eines der modernsten Häuser der Region.

Von 1974 bis heute hat das Krankenhaus 43 Millionen Euro vom Land Rheinland-Pfalz erhalten. Auf Nachfrage teilte das Gesundheitsministerium mit, es habe in den Neubau und spätere Brandschutzmaßnahmen 1993 und 2002 rund 25 Millionen Euro investiert; zusätzlich seien jedes Jahr pauschale Fördermittel in Höhe von rund 427 000 Euro geflossen. „Es wird nach Schließung des Krankenhauses geprüft, ob und in welchem Umfang pauschale Fördermittel zurückzufordern sind“, so das Ministerium. Noch nicht in dieser Rechnung enthalten sind die acht Millionen Euro, die aus dem Krankenhausstrukturfonds 2016 bewilligt wurden. stm

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