Festliche Posaunen-Performance

Pfälzische Blechbläser pflegen vielfältige Partnerschaften – Konzert mit Nordbadener Bläsern in Landau

Hofkirche Dresden: Konzert der Top-Ensembles der pfälzischen und anhaltinischen Landeskirche beim Deutschen Posaunentag. Foto: pv

Wenn sich am Montag, 3. Oktober, um 17 Uhr rund 50 ­blitzende Blechblasinstrumente im gesamten architektonischen Zirkel der Landauer Stiftskirche in Positur bringen, empfiehlt es sich, die Augen zu schließen und sich einfach hinzugeben – diesem überwältigenden San-Marco-Feeling, dieser venezianischen Klangreise in die prachtvollen musikalischen Dome eines Giovanni Gabrieli oder Tiburtio Massaino.

Es ließe sich als ein kleines „Gipfeltreffen“ der Bläsermusik bezeichnen, nicht allein der klangvollen Komponistennamen im Programm wegen (ein paar „Neuere“ sind auch dabei). Denn die Jugendposaunen-Chöre Nordbadens und der Pfalz, sozusagen die Nachwuchs-Elite ihrer jeweiligen Region, musizieren abwechselnd oder gemeinsam, und auch die Pulte sind prominent besetzt. Gleich zwei Landesposaunenwarte – Armin Schaefer und Christian Syperek – wechseln sich in der Stabführung ab.

Zwischen 14 und 24 Jahre alt sind die Jugendlichen, die nach festgelegten Kriterien über ein Vorspiel Aufnahme im jeweiligen Ensemble finden – 30 sind es in Nordbaden, knapp 20 auf Pfälzer Seite – und danach auch weitgehende Förderung genießen. Die partnerschaftliche Vernetzung schließt neben den gemeinsamen Probephasen und Konzertauftritten auch regelmäßige Chorleiter-Lehrgänge ein.

„Natürlich sollen die jungen Leute, die ja ohnehin in den Posaunenchören ihrer Heimatgemeinden wirken, auch in die Lage versetzt werden, selbst zu schulen, Leitungsaufgaben zu übernehmen“, erläutert Christian Syperek, Landesposaunenwart der pfälzischen Landeskirche. Neben dem ganz praktischen Instrumentalunterricht werden ergänzend theoretische Fächer angeboten, Liturgie und Musiktheorie zum Beispiel. „So wirken die jungen Bläser als wertvolle Multiplikatoren in die Basis hinein.“

Rege Partnerschaften existieren gleicherweise unter den Erwachsenenformationen und in vielfacher regionaler Verzweigung. Südbaden, Hessen-Nassau und die Rheinische Landeskirche zählen ebenso dazu wie die, laut Syperek „leider zusehends schrumpfenden“ Verbände im Elsass. Selbst zu ehemaligen Missionsgebieten – Südafrika etwa – bestünden noch vereinzelt Verbandskontakte, fügt der pfälzische Landesposaunenwart an. Aber das seien eher die exotischen Ausnahmen.

Eine gewisse Exklusivstellung nimmt die in Jahrzehnten gewachsene enge Verbindung zum Posaunenwerk der Evangelischen Kirche in Anhalt ein. Dessen Landesposaunenwart Steffen Bischoff hatte einst seinen Zivildienst in der Pfalz geleistet, bei Sypereks Amtsvorgänger Traugott Baur. Der wiede­rum hatte die Partnerschaft – damals noch vorsichtig als Patenschaft formuliert – 1979, zu finstersten DDR-Zeiten, zunächst auf rein privater Basis und unter höchst abenteuerlichen Bedingungen stetig und unbeirrt aufgebaut.

Wer seinen Geschichten über die Anfänge lauscht, fühlt sich in einen Politkrimi in James-Bond-Nähe versetzt. Heute kann der Austausch ungehindert und angstfrei florieren, tut er auch. Gerade schwelgt das „Pfälzische Posaunenensemble“ noch in Erinnerungen an seine traditionelle Sommerradtour durch Norddeutschland, „und zwölf Anhalter waren mit von der Partie“. Zu Pfingsten wiederum hatte man im festlichen Rahmen in der voll besetzten Dresdener Hofkirche beim zweiten Deutschen Evangelischen Posaunentag einen viel bejubelten gemeinsamen Konzertauftritt.

Inhaltlich genießen die Vernetzungen innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland höchste Priorität. „Was wir, als Spitzenfunktionäre sozusagen, durch wechselseitige Seminarangebote und Konzertprojekte mit den repräsentativen Ensembles durchführen, findet ja Fortführung und Entsprechung in den Posaunenchören der Gemeinden“, betont Syperek. Enge Chor-Partnerschaften und sehr viele persönliche Freundschaften sind so entstanden.

Und natürlich sind die Blechbläser zu Gottes Ehren, die ohnehin ein geselliges Völkchen sind, musikalisch auch längst schon in diesem Jahrtausend angekommen. Sie können außer mit Gabrieli auch mal tüchtig mit Brass-Sound und fetzigen Rhythmen punkten. Man kann es bei freiem Eintritt beim Konzert am 3. Oktober in der Landauer Stifts­kirche erleben. Gertie Pohlit

Kernland kirchlich gebundener Bläserkunst

Wer nach den Wurzeln der neuzeitlichen Posaunenchortradition forscht, muss weit ins 19. Jahrhundert zurückgreifen. Mit der Industrialisierung blieb eine zusehends verarmende Landbevölkerung völlig ihrem Schicksal überlassen. Die erstarrte Amtskirche vermochte darauf nicht zu reagieren. Die Menschen, derart alleingelassen, suchten nach eigenen Antworten.

Vor allem in den ländlichen Gegenden Westfalens formierten sich zu Beginn der 1820er Jahre die sogenannten „Erweckungsgemeinden“, die neben der gemeinsamen Bibel-Lese auch zupackende caritative Arbeit leisteten. Es wurde viel gesungen, aber rasch auch entdeckt, wie wirkungsvoll sich mit Posaunenklang Feste, Zusammenkünfte auf öffentlichen Plätzen und feierliche Gottesdienste im Grünen gestalten  ließen. Angeregt durch den Bläserchor der Herrnhutergemeine Neuwied gründete sich 1823 in Düsseldorf ein erster Posaunenverein. Viele weitere folgten, das Trompete-, Posaunen-, Horn- und Tuba-Spielen wurde Kult und Kultur.

Deutschland sollte das Kernland jener kirchlich gebundenen Bläserkunst bleiben, die weder als Tanzboden-Gaudi noch für militärische Aufmärsche taugte. Wenngleich auch die Bläserchöre sich staatlicher Vereinnahmung nicht entziehen konnten, vor allem während der Zeit des Nationalsozialismus. Nach 1950 blühten die Aktivitäten stetig und vielfältig auf. Und längst auch ist der Posaunenchor als rein männliche Domäne Geschichte – ganz im Gegenteil.

Aktuell sind unter dem Dachverband „Evangelischer Posaunendienst in Deutschland“ 28 landeskirchliche Verbände mit rund 6200 Posaunenchören und 105 000 Bläsern vereint. gpo

Nils Niemann: Bläserklang im Gottes-Dienst – Streifzug durch 3000 ­Jahre Gotteslob. Herausgeber: Verein zur Förderung der Posaunenchorarbeit in der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig. 120 Seiten, 12,50 Euro, broschiert, mit CD. ISBN 3-00-019677-3

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