Theologieprofessor Luther begeistert die Jugend

Mit der Teilnahme an der „Heidelberger Disputation“ geht ein Traum des Reformators in Erfüllung – Stadt bietet heute Lutherführungen an

Verbindet die Altstadt mit dem gegenüberliegenden Neckarufer: Die Alte Brücke in Heidelberg. Foto: wiki

Reformatorenfenster in der Peterskirche (linkes Teilbild, von oben im Uhrzeigersinn): Martin Luther, Johannes Calvin, Ulrich Zwingli und Philipp Melanchthon. Zur Erinnerung an die Disputation: Gedenktafel auf dem Universitätsplatz (rechtes Teilbild). Fotos: epd

Der 26. April 1518 war für den Reformator Martin Luther (1483 bis 1546) eine Premiere: Ein halbes Jahr nach Veröffentlichung seiner 95 Thesen hatte er zum ersten Mal außerhalb Wittenbergs die Möglichkeit, mit Akademikern darüber zu diskutieren. Bei den Heidelberger Professoren biss er allerdings mit seinen Vorstellungen über die Rechtfertigung – was also einen Menschen „gut“ macht vor Gott – auf Granit.

Viel nachhaltiger sollte der 34-jährige Theologieprofessor Luther bei den Studenten wirken, die ihm in diesen Stunden zu Füßen saßen. Die Rechtfertigungslehre war die Basis für die Kritik am Ablasshandel, die Luther in den am 31. Oktober 1517 veröffentlichten 95 Thesen formuliert hatte.

Heidelberg gilt historisch nicht als Zentrum des lutherischen, sondern des reformierten Glaubens. Die kurpfälzischen Herrscher entschieden sich für diesen Teil der Reformation. Hier wurde 1563 der Heidelberger Katechismus verabschiedet, der stärker den Ideen von Johannes Calvin folgte. Da die Reformierten Bildern gegenüber noch kritischer waren als die Lutheraner, sind manche Kirchen Heidelbergs bis heute im Inneren sehr schlicht.

Stadtführer Reinhard Störzner bietet spezielle Luthertouren an. Der Heidelberg-Experte hat zur Kirchengeschichte der Stadt einen sehr persönlichen Zugang – er ist Vorsitzender des Ältestenkreises der Heiliggeistkirche im Herzen der Altstadt. Er berichtet lebendig von den heftigen Auseinandersetzungen zwischen Katholiken, Lutheranern und Reformierten. So gab es wegen des Streits um das richtige Verständnis vom Abendmahl vor dem Altar der Heiliggeistkirche ein handfestes Gerangel unter den Geistlichen. Diese Kirche war zudem 230 Jahre lang, bis 1936, durch eine Mauer in zwei Teile getrennt, Katholiken und Protestanten hatten verschiedene Eingänge.

Auf dem heutigen Universitätsplatz, wo im 16. Jahrhundert das Augustinerkloster stand, wurde 1983 zum 500. Geburtstag Luthers eine Gedenkplatte in den Boden gelassen. Luther hatte im Kloster übernachtet und wohl in der benachbarten Artistenfakultät disputiert, berichtet Störzner. Anlass war die Ge­neral­ver­samm­lung des Augustiner-Ordens, dessen Generalvikar Johann von Staupitz Luthers Beichtvater war. Der Augustiner-Mönch Luther war teilweise zu Fuß aus Wittenberg gekommen.

Luther lobte drei Wochen nach seinem nur einige Tage währenden Aufenthalt in einem Brief die Atmosphäre der Disputation. Die Dozenten hätten sich ihm „aufs beste empfohlen“. Nur einer der Doktoren habe die ganze Zuhörerschaft zum Lachen gebracht mit dem Spruch: „Wenn das die Bauern hörten, würden sie Euch gewiß steinigen und totschlagen.“ Gleichzeitig bedauerte Luther, dass er bei den altgedienten Professoren mit seiner Botschaft nicht landen konnte. Er äußerte die Hoffnung, dass die „wahre Theologie, von jenen eingebildeten Alten verstoßen, sich zur Jugend wende“.

Genau das passierte: Unter den Zuhörern saßen mehrere junge Männer, die später die Reformation im Südwesten durchsetzten. Mit dabei waren Martin Bucer (Reformator in Straßburg), Johannes Brenz (Schwäbisch Hall/Stuttgart), Martin Frecht (Ulm) und Theobald Billican (Nördlingen). So hatte Luthers Auftritt am Neckar eine viel nachhaltigere Wirkung, als er wohl selbst nach seiner Disputation erwartet hätte.

Erinnerungen an den kurzen Besuch des 34-jährigen Reformators gibt es in der Stadt kaum. Neben der Peterskirche, die heute als Universitätskirche dient, steht seit 1883 eine Luthereiche. Ein Glasfenster weist auf die großen Köpfe der Reformbewegung hin. Außerdem steht ebenfalls in der Altstadt die Providenzkirche, ein 1661 fertiggestellter lutherischer Kirchenbau, den Kurfürst Karl-Ludwig seiner Zweitfrau Louise von Degenfeld errichten ließ.

Der Streit der Konfessionen ging manchem Heidelberger mächtig auf die Nerven. Stadtführer Störzner zitiert einen historischen Spottvers: „Die Katholiken sind voller List und Tücken. Die Calvinisten sind keine rechten Christen. Doch die größten aller Ochsen – sind die lutherischen Orthodoxen.“ Die eigentliche Renaissance erlebt der Reformator derzeit im Foyer der Heiliggeistkirche. Dort steht er als Playmobilfigur zum Verkauf. „Unser Bestseller“, schmunzelt Störzner. Marcus Mockler

Martin Luther und sein Aufenthalt in Heidelberg

In Heidelberg kann Martin Luther (1483 bis 1546) im Jahr 1518 zum ersten Mal außerhalb seines Wohnorts Wittenberg mit Ordensbrüdern, Professoren und Studenten über seine 95 Thesen diskutieren – und hat zumindest bei den Studenten großen Erfolg. Die Reise legt der 34-jährige Mönch und Theologieprofessor zum großen Teil zu Fuß zurück. Während des kurzen Aufenthalts im April 1518 wohnt er im Augustinerkloster, das schon lange nicht mehr steht.

Geboren wird Luther am 10. November 1483 in Eisleben im heutigen Sachsen-Anhalt, wenige Monate später zieht die wohlhabende Familie ins benachbarte Mansfeld. Am 18. Februar 1546 stirbt Martin Luther in Eisleben auf der Durchreise.

Der junge Mann studiert von 1501 bis 1505 in Erfurt und tritt in den Augustinerorden ein. In einer Sinnkrise stürzt er sich 1508 in ein Theologiestudium in Wittenberg. Die Stadt wird ab 1511 sein Lebensmittelpunkt und Ausgangsort der Reformation, hier entstehen seine weltverändernden 95 Thesen (1517) und weitere grundlegende Schriften. 1510 oder 1511 wandert er nach Rom, über Zeitpunkt und Zweck der Reise streiten die Forscher.

In Heidelberg erklärt der Mönch 1518 seine Theologie vor seinen Ordensbrüdern, in Worms 1521 vor Kaiser und Fürsten auf dem Reichstag. Geächtet und vogelfrei versteckt er sich auf der Rückfahrt zehn Monate auf der Wartburg in Eisenach. Dort übersetzt er das Neue Testament ins Deutsche.

Marburg ist 1529 der Ort des Streits über das Abendmahl mit dem Züricher Reformator Huldrych Zwingli, da ist der einstige Mönch schon seit vier Jahren mit der ehemaligen Nonne Katharina von Bora verheiratet. Am Reichstag in Augsburg 1530, wo es um die Anerkennung der Protestanten geht, darf Luther nicht teilnehmen. Er verfolgt die Beratungen von der Veste Coburg aus. Häufig reist er nach Torgau, Regierungssitz seines Kurfürsten. Dort stirbt seine Frau im Jahr 1552. epd

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