Gewappnet für Tintenfraß und andere Horrorszenarien

Speyerer Archive helfen sich bei Unglücken mit Notfallverbund – Kirchliche Archive kümmern sich besonders um Erhalt von Kirchenbüchern

Dokumente im Speyerer Zentralarchiv: Gabriele Stüber (links) und ihre Kollegin Christine Lauer. Fotos: Landry

Von Tintenfraß zerfressenes Dokument. Foto: Zentralarchiv

Zumindest vor Hochwasser haben die beiden Kirchenarchivare keine Angst. „Auf dem Domhügel sind wir geschützt“, versichert der Speyerer Bistumsarchivar Thomas Fandel. Sollte der nahe gelegene Rhein durch Regenschauer anschwellen, behalten er und seine Kollegin Gabriele Stüber vom Zentralarchiv der pfälzischen Landeskirche trockene Füße. Der Schutz ihres Dokumentenbestands vor Katastrophen bereitet den Archivaren dennoch Kopfzerbrechen. „Die Klimaproblematik wird immer schlimmer“, erzählt Fandel.

Wie in Speyer tun sich immer mehr kirchliche und staatliche Archive zusammen, um für Unglücke gewappnet zu sein. In Notfallverbünden sagen sie sich gegenseitige Hilfe zu. Unwetter mit Starkregen, Überschwemmungen und Brände sind die Horrorszenarien, die sich die professionellen Hüter der Tradition lebhaft vorstellen können. Zum Speyerer Verbund gehören auch die Landesbibliothek, die Bibliothek und Medienzentrale der Evangelischen Kirche der Pfalz, das Historische Museum der Pfalz und die Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften.

Mäuse- und Tintenfraß an Dokumenten, säurebedingter Papierzerfall und Schimmel wegen falscher Lagerung seien die alltäglichen Katastrophen, berichtet Archivdirektorin Stüber. Nicht leicht sei es, Schriftgut „für die Ewigkeit“ aufzubewahren, ergänzt die neue Speyerer Stadtarchivarin Christiane Pfanz-Sponagel. Denn das ist der Auftrag: Archivalien vor Diebstahl, Feuer, Wasser, Licht und Schädlingen dauerhaft zu bewahren. Für kirchliche Archive steht der Erhalt von Kirchenbüchern im Vordergrund, die das Gemeindeleben für die Nachwelt dokumentieren. Das evangelische Zentralarchiv in Speyer verwaltet bereits seit den 1970er Jahren alle Pfarrarchive, berichtet Stüber. Auch das Bistum Speyer hat damit begonnen, alle rund 350 Pfarrarchive in seinem Bistumsarchiv zentral zu sichern, sagt Archivdirektor Fandel. Hintergrund ist das Konzept „Gemeindepastoral 2015“ zur Neustrukturierung der Pfarreien und Dekanate.

Rund 160 katholische Pfarrarchive haben Fandel und seine Kollegen in den vergangenen zwei Jahren bereits beackert. Und sie stießen dabei auf teilweise haarsträubende Lagerbedingungen für das Archivgut. Feuchte Keller und Speicher und ab und an ein mumifizierter Vogel seien untrügliche Zeichen dafür, dass manchen Kirchengemeinden ihre Archivalien herzlich egal seien, sagt er. Die Prävention vor Zerstörungen steht nach den Worten von Archivarin Stüber an erster Stelle, etwa durch geeignete Räume, in denen Archivalien keinen starken Temperaturschwankungen oder Licht ausgesetzt sind. Restaurierungen seien sehr teuer – und nur bei wertvollen Einzeldokumenten sinnvoll. Nötig seien auch Wassermelder, die auf einen möglichen Rohrbruch hinwiesen, Diebstahlsicherungen sowie der Gesundheitsschutz von Archivmitarbeitern – etwa gegen Staub: Ein Betriebsarzt untersucht regelmäßig die rund 35 Mitarbeiter des Landesarchivs in Speyer, informiert Archivar Franz Maier.

Eines liegt den vier Speyerer Archivaren besonders am Herzen: Auf Umweltschutz- und Recyclingpapier sollten alle Verwaltungen zumindest bei wichtigem Schriftgut verzichten. Das Papiermaterial sei nicht langlebig und zersetze sich relativ schnell, klagt Archivarin Stüber. „Das ist ein großes Problem für die Archive aller Sparten.“ Alexander Lang

Meistgelesene Artikel