Ängste resultieren aus der Unwissenheit

Interreligiöser Dialog soll Vorurteile aus dem Weg räumen – Muslime distanzieren sich von Extremismus

Demonstrierten auf dem Neustadter Marktplatz für Toleranz und Offenheit: Rund 300 Menschen bei der Kundgebung. Foto: LM

In zahlreichen deutschen Städten gehen die Menschen zurzeit auf die Straße. Einige protestieren gegen die „Islamisierung des Abendlands“ und gegen die weitere Aufnahme von Flüchtlingen. Andere – ein weitaus größerer Teil – stellen sich Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit dieser Gruppierungen entgegen. In Neustadt warben jüngst rund 300 Menschen in einer Kundgebung auf dem Marktplatz für eine offene und tolerante Gesellschaft.

Anlass war eine Gedenkfeier für die Opfer des Nationalsozialismus. Andersgläubige, Fremde und Minderheiten wurden in dieser Zeit zu Sündenböcken deklariert und getötet. „So weit darf es nie wieder kommen“, lautete der Tenor der Veranstaltung. Ziel war, das Bewusstsein der Bevölkerung zu schärfen. Immer wieder komme es auch heute zur Stigmatisierung von Menschen, die anders seien, so die Veranstalter. Der Islam steht zurzeit massiv in der Kritik, denn im Namen dieser Religion werden weltweit grausame Gewalttaten verübt. Doch die Mehrheit der gläubigen Muslime distanziert sich entschieden von Extremismus und Gewalt. „Es erfüllt uns mit großer Traurigkeit, dass unsere Religion von fehlgeleiteten Fanatikern in Verruf gebracht wird“, sagte Döne Akdas, Sprecherin der türkisch-islamischen Gemeinde Neustadt im Namen von Imam Rasit Altindag.

Der Frieden zwischen Religionen und Völkern stehe im Mittelpunkt der muslimischen Glaubenslehre. Neben dem Monotheismus und der Wertschätzung der Schöpfung sei die Friedensbotschaft eine der wesentlichen Bindeglieder zwischen Judentum, Christentum und Islam, betonte Akdas. Es sei wichtig, Begegnungen zwischen den Religionen und Kulturen zu schaffen, um sich besser kennenzulernen und so Missverständnisse aus dem Weg zu räumen. In der Pfalz fördert das „Interreligiöse Forum Speyer“ den gegenseitigen Austausch zwischen den monotheistischen Weltreligionen. „Bewegungen wie Pegida sind der Beweis dafür, wie wichtig unsere Arbeit ist“, sagte Markus Lamm, Sprecher des Forums. Ängste und Vorurteile resultierten vor allem aus Unwissenheit. Multireligiöse Gebete, Vorträge über die jeweils andere Religion und gemeinsame Gemeindefeste könnten dem entgegenwirken und trügen zu einem regen Gedanken- und Wissensaustausch bei.

„Beim interreligiösen Dialog darf keiner erwarten, dass das Gegenüber genauso wird wie er“, sagte Armin Jung, protestantischer Dekan in Neustadt. Gute Chancen, sich anzunähern, hätten die, die ihrem Gegenüber eine eigene Haltung zugestehen. „Wenn Menschen miteinander sprechen, fangen sie auch an, sich zu verstehen, zu respektieren oder zumindest zu tolerieren“, glaubt der Theologe. Charlotte Seeger

Meistgelesene Artikel