Viele Stimmen verleihen der musikalischen Idee Flügel

Pfarrer Michael Mai und sein Gemeindechor geben Konzerte mit Reinhard-Mey-Liedern – Auftritte in Kirchen in Imsbach und Schopp geplant

16 Mey-Songs einstudiert: Pfarrer Michael Mai (links) mit Chormitgliedern. Foto: Stepan

Marnheim. Mittwochabend tief im Zellertal, ein Probenbesuch bei einem Chorprojekt in Marnheim mit 28 Frauen und sechs Männern im gesetzten Alter. „Wir sind der protestantische Kirchenchor von Marnheim – mit katholischer Verstärkung“, tönt es aus den Reihen. Die Stimmung ist bestens, das liegt nicht zuletzt an Doris Bender. „Beim Refrain bitte schunkeln“, verfügt die zierliche Chorleiterin, und schon wiegen sich die Körper im Dreivierteltakt. Am Klavier sitzt Benders Tochter Sofia, davor Tobias Roos, der den Rhythmus auf seiner Cajon genannten Percussion-Kiste schlägt.

Geprobt werden hier keine frommen Kirchenlieder für den Gottesdienst, sondern Songs von Reinhard Mey. Pfarrer Michael Mai, Beinahe-Namensvetter des Liedermachers, wirkt seit 13 Jahren als Gemeindepfarrer im Zellertal und ist dort bekannt als Fan und akustisches Double des Berliner Barden: „Mai singt Mey“ zur Gitarre. Zahlreiche Auftritte mit Reinhard-Mey-Liedern hat der Marnheimer Pfarrer seit 2001 bereits bestritten und darüber hinaus ein Dutzend eigene Songs – bevorzugt im Reinhard-Mey-Stil – selbst geschrieben. Dennoch will der gebürtige Kaiserslauterer keine Mey-Kopie sein. „Das Singen ist für mich eine Schnittstelle zwischen Hobby und Beruf“, bekennt der Theologe. Liebe, Tod und Lebensfreude seien klassische Themen in der Kirche und auf der Konzertbühne.

Seit Juli vergangenen Jahres gibt es Mais Mey-Projekt eine Nummer größer: Damals, beim Sommerfest der Gemeinde, begleitete ihn erstmals der protestantische Kirchenchor und war damit als der wohl deutschlandweit erste inoffizielle Reinhard-Mey-Chor neugeboren. Seither hat die musikalische Idee Flügel bekommen. Jeden Mittwochabend ab halb acht probt nun der protestantische Kirchenchor im evangelischen Gemeindehaus Reinhard-Mey-Lieder für zwei Konzerte am 20. und 21. Februar in Imsbach und Schopp.

„Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“, raunt Michael Mai, und man meint, das Original zu hören. „Hu huu huuu“, antwortet der Chor. Manche Songs werden im Wechsel von Solostimme und Chorrefrain geübt, andere in kompletter Chorversion. „Musikanten sind in der Stadt“ entpuppt sich als schwieriges Stück. Es handelt von Vorurteilen gegenüber der Kaste der Künstler. Die sechs Strophen werden zwischen Solo und Chor verteilt. „Musikanten sind hier in Schopp, die machen auch vor eurem Pfarrer nicht halt“, tönt es. Selbstironische Textschlenker nebst der – textgetreuen – Anrufung des heiligen Barnabas machen den Sängern sichtlich Spaß.

„Der Mörder ist immer der Gärtner“ – bis die rabenschwarze Moritat im harmlosen Walzertakt hintersinnig daherkommt inklusive hämischem Lachen, Schuss und Exitus, bedarf es noch einiger Zungengymnastik. „Es heißt nicht Inschbegdor, sondern Inspektor“, mahnt Chorleiterin Doris Bender zur hochdeutschen Aussprache. Ordentlich viel Text hat auch „Nein, meine Söhne geb’ ich nicht“, ein engagiertes Antikriegslied. „Die Achtung vor dem Leben ist hier die spirituelle Kernbotschaft“, so Pfarrer Mai. Zwar sei Reinhard Mey selbst nie bei Kirchentagen aufgetreten, weil er sich nicht von christlichen Gruppen vereinnahmen lassen wolle, dennoch sei es gerade die in den Liedern hörbare Menschen- und Friedensliebe oder die in „Gute Nacht, Freunde“ gelebte Nächstenliebe und Willkommenskultur, die Christen besonders anspreche.

Gesangstechnisch seien die Lieder eine Herausforderung, berichten Chormitglieder: „Man muss schon hochkonzentriert sein, es ist viel Text“, hat Peter Hehn festgestellt. Der Gauersheimer macht seit einem Jahr mit und sieht das Singen als Gedächtnistraining. „Reinhard-Mey-Schallplatten hab’ ich noch aus meiner Jugend daheim“, berichtet Maria Böll aus Marnheim. Sie ist seit 2007 im Chor dabei. Vor allem die Gesellschaftskritik in den Liedern, „das Revoluzzertum“ und der Pazifismus haben es der Spätachtundsechzigerin angetan. „Nein, meine Söhne geb’ ich nicht“ ist ihr Lieblingssong.

„Die Texte begeistern mich wegen ihrer Lebensreife“, gibt auch Gunter Heilmann zu. Der bekennende Christ und Prädikant aus Niefernheim ist als Bass seit Jahrzehnten auch in anderen Chören im Zellertal aktiv. Der Profi wirkt in den Singstunden stets entspannt: „Und wenn ich mal ’nen Ton nicht kann, dann singt ihn mein Nebenmann“, scherzt Heilmann. Und ergänzt, dass er in Meys „Söhne“-Lied eine späte Bestätigung gefunden habe, seinen eigenen Söhnen damals zum Wehrersatzdienst geraten zu haben. Dass im Chor auch Leute integriert seien, die sonst mit Kirche nichts am Hut haben, schätzt Karin Barbarino. Die Marnheimerin singt seit ihrem 19. Lebensjahr und ist nach der Familienphase 2009 im Chor wieder mit dabei. Über die Singstunden hinaus sei eine schöne Gemeinschaft gewachsen, „man fühlt sich hier geborgen“.

Aus rund 600 Reinhard-Mey-Liedern hat der Chor im vergangenen Dreivierteljahr 16 Lieder einstudiert, zehn weitere hat Michael Mai im Repertoire. Der Reinhard-Mey-Liederabend trägt den Titel „Welch Geschenk ist ein Lied“ und findet in den protestantischen Kirchen Imsbach am 20. Februar um 18 Uhr und in Schopp südlich von Kaiserslautern am 21. Februar um 17 Uhr statt. Der Eintritt dazu ist frei. Freiwillige Spenden für ein neues E-Piano werden gerne angenommen. kag

Meistgelesene Artikel