„Ein Krankenhaus brauchen wir nicht zwingend“

Ehemaliger Vorsteher der Diakonissen Speyer-Mannheim über das diakonische Profil der Kirche – Schwartz: Hilfe in den Gemeinden wichtig

Krankenhaus in Speyer: Auch in durchrationalisierten Betrieben darf das Erbe der Diakonissen nicht vergessen werden. Foto: Landry

Der ehemalige Vorsteher der Diakonissen Speyer-Mannheim, Pfarrer Werner Schwartz, hat Kirche und Diakonie davor gewarnt, in eine Überheblichkeitsfalle zu tappen. Es sei eine interessante Frage, worin das Diakonische der Diakonie bestehe, sagte Schwartz im Gespräch mit dem KIRCHENBOTEN. Doch die Kirche müsse auch Mitarbeitenden anderer sozialer Einrichtungen gerecht werden. „Eine Schwester, die vielleicht sonntags im Gottesdienst ist und im städtischen Krankenhaus arbeitet, arbeitet als Christin und ist diakonisch tätig.“

Kirche und Diakonie sollten vorsichtig sein, die Diskussion über das dia­konische Profil zu prominent als Mar­keting­instrument zu nutzen, sagte Schwartz. Es sei nicht zwangsläufig, dass das Kirchliche eine Einrichtung diakonischer mache. „Diakonisch ist nicht in erster Linie, wenn fromm geredet wird. Diakonisch ist, wenn Menschen Gutes getan wird.“ Das zeige schon ein Blick ins Neue Testament. Die bekannteste Geschichte dort von der Diakonie sei das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Wenn diese richtig gelesen werde, sei es gerade nicht der Kirchenmann gewesen, der geholfen habe, sondern der, der mit Kirche am wenigsten zu tun hatte.

Die Geschichte frage schlicht, was der Mensch tun müsse, um das ewige Leben zu erlangen, sagte Schwartz. Die Antwort sei: Den Menschen in der Not sehen, vom Pferd steigen, Wunden waschen, verbinden, Herberge suchen und bezahlen. Der barmherzige Samariter sei vermutlich nicht sprachfähig im Glauben gewesen. Das habe ihn auch kaum interessiert. „Die Sprachfähigen im Glauben sind ohne zu helfen zum Tempel weitergelaufen.“ Natürlich wolle die Kirche in den diakonischen Einrichtungen Menschen in Krisensituationen als Ganzes wahrnehmen. Aber es sei überheblich zu sagen, ein städtisches Klinikum versuche dies nicht.

In Deutschland ist nach Schwartz’ Worten vor knapp 200 Jahren am Rand der Kirche soziale Arbeit entstanden, die dann in Schüben immer weiter kirchlich angebunden worden sei. Dort lägen auch die Wurzeln der Diakonissen. Für ihn als Vorsteher sei entscheidend gewesen, das Erbe aus dieser Zeit fortzuführen. „Wir haben dabei die Bilder der Diakonissen in früheren Tagen vor Augen, von denen manche noch im Mutterhaus leben.“ Ziel sei es, unter anderen ökonomischen Bedingungen das weiterzutragen, was die Diakonissen vor Ort ausgemacht habe: Zuwendung zu den Menschen.

Die Diakonissen Speyer-Mannheim seien in ihre Funktion als Träger großer diakonischer Einrichtungen hineingewachsen. „Grundsätzlich glaube ich jedoch nicht, dass Kirche unbedingt unternehmerische Diakonie machen muss.“ Wo solche Einrichtungen bestünden, sollten sie gut fortgeführt werden und den Menschen zum Segen dienen. Liebevolle Zuwendung gehöre zum bleibenden Erbe der Diakonissen. Dies dürfe auch in einem durchrationalisierten Betrieb nicht vergessen werden. Der Glaube sei zudem für viele Mitarbeitende eine große Motivationskraft. Darin könne man sich gegenseitig stützen, und darin können diakonische Einrichtungen ihre Mitarbeitenden fördern.

Daneben sei die Kirche aufgerufen, vor Ort diakonisch tätig zu sein, sagte Schwartz. Da, wo Christen Not entdeckten, seien sie aufgerufen zu helfen. Als Beispiele nennt Schwartz neben der Hilfe für Flüchtlinge die Begleitung von Alleinerziehenden, psychisch Kranken, Menschen mit Einschränkungen sowie Menschen, die in Krisen geraten seien. Hier sei es die Aufgabe, als christliche Gemeinde füreinander da zu sein. „Ein Krankenhaus brauchen wir dafür nicht zwingend. Wenn wir’s haben, sollten wir alles dransetzen, die Arbeit gut zu machen.“

Nach Ansicht von Schwartz gibt es viel diakonisches Engagement in den Gemeinden. Das könne die Kirche getrost stärker herausstellen. „Wenn wir das Diakonische am Beispiel des landeskirchlichen Haushalts darstellen und herausrechnen, was das Diakonische Werk und die Kindergärten bekommen, haben wir noch nicht alles gezeigt.“ Viele Gemeinden leisteten täglich soziale Arbeit, unterstützten Familien oder organisierten Hausaufgabenbetreuung. Auch jede Beerdigungsbegleitung habe diakonischen Charakter, ebenso Besuchs- und Gesprächskreise. Außerdem sammelten sich viele Menschen in kirchlichen Gruppen, denen das guttue und Lebenshilfe sei. „Das können wir mehr hervorheben.“ Klaus Koch

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