Piroschki mit Walnüssen neu auf dem Plätzchenteller

Die Gruppe Willkommenskultur der Kirchengemeinde Altenkirchen lädt Flüchtlinge zum Plätzchenbacken ins Rathaus ein – Kein Missionieren

Leiten die jungen Flüchtlinge beim Plätzchenbacken an: Doris Bauer (Dritte von links) und Ingrid Färber. Foto: Sayer

Zimtwaffeln und Spritzgebäck, das kennt man in Aserbaidschan und Syrien wohl eher nicht. Und in der Westpfalz sind Piroschki mit Walnüssen neu auf dem Plätzchenteller. Beim Weihnachtsbacken in Altenkirchen konnten sich Flüchtlinge und Deutsche besser kennenlernen.

Die Kurbel am Fleischwolf steht nicht still. Der 14-jährige Ahmad drückt Teig in die Öffnung und dreht fleißig am Griff, während Rafat (15) die rohen Teigstreifen sorgfältig in Kringeln aufs Blech drapiert. Es ist das erste Mal, dass die syrischen Flüchtlinge Adventsplätzchen backen. „Super, gut“, lobt Monika Schwarz von den Landfrauen. Sie macht mit in der Gruppe Willkommenskultur der Kirchengemeinden Altenkirchen und Brücken, die erstmals zu einer gemeinsamen Aktion mit Flüchtlingen einlädt. „Im Advent bietet sich Plätzchenbacken an“, findet Pfarrerin Sabine Schwenk-Vilov und bringt eine Schüssel Dinkelteig für die „Engelsaugen“ in die Küche des Rathauses in Altenkirchen.

Die Idee zur multikulturellen Weihnachtsbäckerei hatten ihr Mann Dejan Vilov und Diakon Harald Jung. „Man kann nicht immer nur fordern, dass Flüchtlinge sich anpassen sollen“, sagt Vilov. „Zuerst müssen sie uns kennenlernen“, findet er. Am besten bei Aktionen mit Sport, Musik und Essen. „Missionieren wollen wir aber nicht“, erklärt der Pfarrer und evangelische Hörfunk- und Fernsehbeauftragte beim Saarländischen Rundfunk. Im Pfarramtsbezirk seiner Frau leben mehrere Flüchtlingsfamilien. Sie kommen aus Afghanistan, Albanien und Aserbaidschan.

Der Einladung der Gruppe Willkommenskultur schließen sich minderjährige syrische Jugendliche an. Sie werden in der Jugendbildungsstätte Kappeln durch den Landkreis Kusel betreut. Beim Blick in die aufgeweckten Gesichter fragt man sich, wo wohl Eltern und Familie sind. Erst Mitte November sind die 14- bis 17-Jährigen angekommen. Ihre Sprachkenntnisse sind dürftig, aber zum gemeinsamen Backen reicht es allemal. Und dass der Teig auch roh gut schmeckt, darüber sind sich alle schnell einig.

Im Nebenzimmer sticht Ibrahim (15) aus dem Irak Terrassenplätzchen aus. Ingrid Färber und Doris Bauer, die ebenfalls in der „Willkommensgruppe“ aktiv sind, assistieren ihm: „Wir brauchen große und kleine Sterne“, erklärt Doris Bauer und bescheinigt dem jungen Plätzchenbäcker allerhand Geschick. „Die jungen Männer müssen kochen und backen lernen“, stellt sie klar. „Das ist bei uns nicht mehr nur Frauensache. Meinen Enkeln habe ich das auch beigebracht“, berichtet sie.

In diesem Punkt können sich die Flüchtlinge bei Dejan Vilov etwas abgucken: Aus einem Glas „Konrads und Friedrichs süße Früchtchen“ bestreicht er Keks-Unterteile mit Marmelade und klebt das „gelochte“ Oberteil exakt auf. „Die sind noch gut warm“, bringt Burgunde Wagner „Engelsaugen“-Nachschub. Sie hat den ganzen Nachmittag lang den Ofen im Blick. Blech für Blech holt sie duftende Leckereien heraus.

Bei so vielen Helfern füllen sich die Dosen rasch mit Zimtwaffeln, Spritzgebäck und Butterplätzchen. Auch wenn nicht alle mitbacken können, wie etwa der sechs Monate alte Subhan, der in den Armen seiner afghanischen Mama friedlich schläft. Neugierig schnuppernd lugt eine Gruppe Konfirmanden in die Küche. Die ersten Kostproben liegen bereit, der Tee ist gekocht. Jetzt geht es ans Kosten. Doch zuerst verteilen der elfjährige Süleyman und sein neunjähriger Bruder Mohammed selbst gemachte Piroschki ihrer Mama. Der Vater zeigt derweil stolz Handyvideos von seinen Söhnen, die in Aserbaidschan gute Ringer waren. „Das sind clevere Kerlchen“, streichelt einer der Helfer den Buben über den Kopf.

Etwa 15 Ehrenamtliche engagieren sich seit Wochen für die Integration der Flüchtlinge. Weitere Freiwillige hofft die Gemeinde durch einen Flyer zu rek­ru­tie­ren. Darauf konnte man ankreuzen, in welcher Form Hilfe geleistet werden kann – durch Sachspenden, Unterricht oder vielleicht einem Fahrdienst, der die aserbaidschanischen Jungen zum Ringer-Training bringen könnte. Denn den Menschen zu helfen, „das ist für uns eine christliche Pflicht“, sagt Dejan Vilov. suca

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