Zapfenstreich in der Kurpfalzkaserne und die Folgen

Speyerer Bundeswehrstandort wird abgewickelt – Militärseelsorge lindert soziale Härten – Pfarrer Ulrich Kronenberg sucht einen neuen Job

Standortschließung zum Jahresende: Militärpfarrer Kronenberg hat ein offenes Ohr für Soldaten und Zivilbedienstete. Foto: Landry

Die Bundeswehr geht. Viele Soldaten, ihre Familien sowie Zivilbedienstete sind von der Schließung der Speyerer Kurpfalz-Kaserne zum Jahresende betroffen. Noch ist der evangelische Militärpfarrer Ulrich Kronenberg für ihre Ängste und Sorgen da.

Blinde Fensterscheiben in den Kasernenblöcken gähnen den Besucher an. Ein ausgeschlachtetes Amphibienfahrzeug liegt auf dem toten Rasen. „Die Teile werden an Interessierte verkauft“, sagt Ulrich Kronenberg. Wehmütig streift der Blick des evangelischen Militärpfarrers durch die verwahrlost wirkende Kurpfalz-Kaserne in Speyer. Ende Juni gab es vor dem Kaiserdom den Zapfenstreich für das traditionsreiche Pionierbataillon, bis zum Jahresende wird der Standort im Zuge der Bundeswehrreform aufgelöst. Ein privater Wachmann steht am Tor der 1963 gebauten Bundeswehrkaserne und blinzelt durch seine Sonnenbrille. Die meisten Soldaten und ihre Familien sind bereits weggezogen, vor allem zu ihrem neuen Einsatzort im rund 700 Kilometer entfernten nordfriesischen Husum. Nur rund 200 Männer und Frauen in Uniform sind geblieben, um den Speyerer Standort mit seiner insgesamt 140-jährigen Geschichte fristgerecht abzuwickeln. Einst machten 1300 Soldaten ihren Dienst beim Spezialpionierbataillon 464, das an allen Auslandseinsätzen der Bundeswehr beteiligt war.

Seit dem Schließungsbeschluss von 2011 hat das Psychosoziale Netzwerk der Bundeswehr am Standort Speyer alle Hände voll zu tun, berichtet Militärpfarrer Kronenberg. Das Team aus Militärseelsorgern, Psychologen, Ärzten und Sozialarbeitern sei häufig gefragt, um die „sozialen Härten“ abzufedern, die sich aus einer Standortschließung ergeben. Soldaten seien dienstbedingte Umzüge gewohnt und „beißen die Zähne zusammen“, sagt der 50-Jährige, der die pfälzischen Bundeswehrstandorte in Speyer, Germersheim, Bad Bergzabern, Ludwigshafen und Neustadt betreut.

Dennoch gebe es bei der Truppe durch die Verlegung beträchtliche Probleme. Viele Soldaten und ihre Familien haben in der Pfalz Wurzeln geschlagen, und nicht wenige pendeln zu ihren weit entfernten neuen Einsatzorten. „Das gibt Beziehungsprobleme, die Trennungsrate ist hoch“, sagt der Reserveoffizier Kronenberg, der selbst in einer Bundeswehrfamilie aufgewachsen ist. Andere Soldaten haben den Dienst quittiert. „Wir verlieren gute Leute“, beklagt er.

Doch am härtesten trifft es zivile Standortbedienstete, die oft in existenzielle Nöte gerieten. „Ihnen brechen die Stützen weg“, weiß Kronenberg aus vielen seelsorgerlichen Gesprächen. Gerade wenig qualifizierten Beschäftigten wie Reinigungskräften drohe der soziale Abstieg. Einige hätten auch weitervermittelt werden können. „Für sie alle haben wir ein offenes Ohr und eine Tasse Kaffee – wir können aber keine Wundertüten aus der Tasche ziehen.“

Kronenberg begrüßt, dass wohl schon bald Flüchtlinge in leer stehende Kasernengebäude einziehen werden. Die organisatorischen Fähigkeiten der Bundeswehr und ihre Ressourcen sollten stärker genutzt werden, um Kommunen bei der Aufnahme von Flüchtlingen zu unterstützen, appelliert er. Auch Kronenberg stellt sich auf ein mühsames Pendlertum ein: Er muss sich wegen der Standortschließung einen neuen Job suchen. Beworben hat er sich auch außerhalb der pfälzischen Landeskirche in Hannover, Erfurt und Eise­nach. Seine Zweibrücker Kollegin Brigitte Bommarius wird seine Seelsorgearbeit beim Luftwaffen-Ausbildungsbataillon in Germersheim übernehmen.

Umzuziehen kommt für den Vater von drei Söhnen, dessen Ehefrau Heike als Pfarrerin in der Speyerer Christuskirchengemeinde arbeitet, nicht infrage. Ob Ulrich Kronenberg, der mit Leib und Seele Militärpfarrer ist, bei seiner Truppe bleiben kann, scheint momentan eher unwahrscheinlich: „Ich gehe mit zwei weinenden Augen, denn das ist meine Welt.“ Alexander Lang

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