Evangelischer Gottesdienst auf Latein

Pfarrerehepaar sorgt auf Mittelaltermarkt in Matzenbach für seelsorgerliche Begleitung samt Rollenspiel

Rollenspiel im Gottesdienst: Pfarrerin Janina Kuhn als Dorffrau und ihr Mann Sven als hochnäsiger Priester aus Hornbach. Foto: Sayer

Noch ist der zweitägige Mittelaltermarkt im westpfälzischen Matzenbach am Potzberg ein Geheimtipp für Liebhaber alter Zeiten und Handwerke. Jetzt ist das Freiluftspektakel, das alle zwei Jahre auf einer Wiese stattfindet, um eine Attraktion reicher. Gemeindepfarrerin Janina Kuhn und ihr Mann, der Vikar Sven Kuhn, gestalteten dort am Sonntagmittag zusammen mit einem kleinen Team einen Gottesdienst.

Nicht im Talar, sondern in mittelaterlichen Kostümen präsentierten sich die Theologen. Sie schlüpften ebenso wie Lektorin Christiane Blum und Konfirmandin Amelie Spies in Rollen. Sven Kuhn trat als Priester Johannes von Hornbach auf, den das Kloster Hornbach für einen Gottesdienst entsandt hatte. Über die sieben Todsünden predigte er. Den Bewohnern hielt er hochnäsig ihren Hang zu Eitelkeit, Habsucht, Wolllust, Zorn, Völlerei, Neid und Faulheit an Beispielen vor, die er am Vorabend beobachtet zu haben glaubte. Doch beherzte Frauen aus dem Dorf – gespielt von Pfarrerin Janina Kuhn, Christiane Blum und Amelie Spies – unterbrachen ihn wiederholt und überführten ihn derselben Sünden. Er legte nach und erfand eine achte Todsünde. „Besserwisserei – nur Frauen können sie begehen“, trumpfte er auf und hatte die Lacher auf seiner Seite. Doch weil der Priester über die gute Eigenschaft der Selbstkritik verfügte, erkannte er seine Arroganz und bat die Bewohner um Verzeihung.

Die evangelische Liturgie des Gottesdienstes teils in Latein zu hören und mitzusprechen, das fanden die rund 150 Besucher ungewöhnlich. Psalm 23 „Der Herr ist mein Hirte“ konnten sie auf Latein mitsprechen, möglich machte es der auf Flyern gedruckte Gottesdienstablauf. Auch in Taizégesänge wie das Lied „Laudate omnes gentes“ stimmten viele ein. Das Vaterunser sprachen sie auf Deutsch. Musikalisch begleitete der Berufsmusiker Matthias Brill aus Neunkirchen im Saarland den Gottesdienst auf dem Streichpsalter: Das Musikinstrument mit trapezförmigem Resonanzkasten strich er mit einem Bogen.

„Damit der Gottesdienst authentisch zum Mittelaltermarkt passte, musste ein Mann predigen. Wir wollten die christliche Botschaft ,Suche nicht den Splitter im Auge des anderen, sondern sei dir des eigenen Balkens vorm Auge bewusst‘ in einer Dialogpredigt rüberbringen“, erklärte Janina Kuhn später.

Die 29-Jährige hat erst im März die Pfarrstelle am Potzberg übernommen. Weil sie und ihr Mann seit etwa zehn Jahren kostümiert auf Mittelaltermärkte gehen, bot sie Organisator Steffen Schultheiß den Gottesdienst an und erhielt eine begeisterte Resonanz. dob

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