Ein Wechsel von der Bildungsarbeit zur Diakonie

Günther Geisthardt verlässt das Fort- und Weiterbildungsinstitut in Landau – Am 1. August fängt er bei den Diakonissen Speyer-Mannheim an

Neuer Mann für die Diakonissen: Pfarrer Günther Geisthardt leitet noch bis Ende Juli das EFWI in Landau. Foto: Iversen

Auf sein neues Amt als Chef des größten diakonischen Unternehmens in der Pfalz freut er sich schon. Reizvoll sei nicht allein die Managementaufgabe, die Diakonissen Speyer-Mannheim mit ihren mehr als 4200 Mitarbeitern in Kürze zu leiten, sagt Pfarrer Günther Geisthardt. Als eine besondere Herausforderung nennt es der scheidende Leiter des Erziehungswissenschaftlichen Fort- und Weiterbildungsinstituts der drei evangelischen Kirchen in Rheinland-Pfalz (EFWI) in Landau, künftig bei schwierigen ethischen Fragestellungen – wie dem Umgang mit Sterben und Tod – konkret zu vermitteln.

Ab 1. August steht der 59-jährige Theologe als Kapitän – oder besser: Vorsteher – auf der Brücke des großen Dampfers der Diakonissen. Der traditionsreiche diakonische Träger betreibt Krankenhäuser, Einrichtungen für Senioren, Kinder, Jugendliche und behinderte Menschen, Schulen für soziale Berufe sowie ein Hospiz. Der gebürtige Neustadter Geisthardt wird Nachfolger von Pfarrer Werner Schwartz, der den Diakonissen seit 2001 vorsteht und am 30. August in den Ruhestand geht. Nachfolger Geisthardts am EFWI wird der Direktor des Comenius-Instituts im westfälischen Münster, der 59-jährige evangelische Theologe und Psychologe Volker Elsenbast.

Die diakonische Arbeit liegt Geisthardt am Herzen, der das EFWI seit 2006 leitet und der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland sowie der pfälzischen Landessynode von 2009 bis zu diesem Jahr angehörte. Bei den Diakonissen warten auf ihn als Aufgaben unter anderem der Neubau eines stationären Hospizes in Landau. Bei dem Alten- und Pflegezentrum Bethesda in Landau, wo eine Kindertagesstätte entsteht, wird zudem das Thema Inklusion einen neuen Aspekt erhalten: Alte und behinderte Menschen kommen dort in Kontakt mit Kindergartenkindern und können voneinander lernen.

Bildung ist das große Thema Geisthardts, der verheiratet ist und zwei erwachsene Kinder hat. Vor seiner Tätigkeit am EFWI leitete er zehn Jahre lang die theologische Ausbildung in der Landeskirche. Mehrere Lehraufträge hatte er in der Lehrerbildung und der Sozialen Arbeit. „Bildung ist ein Auftrag der Kirche“, sagt Geisthardt. Durch den Religionsunterricht könne sie sich in die Entwicklung einer „neuen, menschlichen und inklusiven Schule“ einbringen – eine Schule, die auf die unterschiedlichen Gaben und Fähigkeiten der Kinder eingehe.

Das EFWI ist eines von drei „pädagogischen Service-Instituten“ in Rheinland-Pfalz, das Schulen und Lehrkräfte vieler Schularten durch Fort- und Weiterbildung sowie Beratung unterstützt, erläutert Geisthardt. Erfahrung als Religionslehrer sammelte er als Gemeindepfarrer in Frankenthal-Pilgerpfad an der dortigen Friedrich-Ebert-Grundschule und am Karolinen-Gymnasium.

An dem Landauer Institut mit seinen sechs hauptamtlichen Dozentinnen und Dozenten, das zahlreiche Seminare, Studientage und Beratungsgruppen anbietet, setzte Geisthardt eigene Schwerpunkte: Er widmete sich der politischen Bildung, der Weiterbildung im Fach Evangelische Religion, dem Fächer verbindenden Lernen bei ethischen Fragen sowie der interreligiösen und interkulturellen Bildung. Das ­EFWI entwickelte unter seiner Leitung ein landesweites Qualifizierungsprogramm zur Schulseelsorge. Lehrer aus dem ganzen Land werden dabei geschult, um bei Konflikten oder Krisen im Schulalltag besser helfen zu können.

Eine zunehmend heterogene Gesellschaft stelle die Arbeit des EFWI vor Langzeitaufgaben, sagt Geisthardt. Neue Lern- und Unterrichtsformen seien für die Schulen nötig, deren Schüler kulturell, religiös und von ihrem persönlichen Begabungsspektrum her sehr unterschiedlich seien. Für die EFWI-Dozenten bedeute das, „das Ohr an den Lehrern und den Kontakt zur schulischen Praxis zu haben“. Alexander Lang

Drei Landeskirchen kooperieren bei der Lehrerfortbildung

EFWI bietet jährlich rund 100 Fort- und Weiterbildungen an – Kirchen bringen sich in die Bildungsarbeit von Schule und Gesellschaft ein

1972 gründeten die pfälzische, hessen-nassauische und rheinische Kirche das EFWI In Landau. Damit nehmen die drei Landeskirchen in Rheinland-Pfalz ihre besondere Verantwortung für die Bildungsarbeit wahr. Sie engagieren sich in Kirchengemeinden, eigenen Schulen, im schulischen Religionsunterricht sowie in der Lehrerfort- und
-weiterbildung. Gemeinsam mit dem Pädagogischen Landesinstitut in Speyer und dem ILF (Institut für Lehrerfortbildung der katholischen Diözesen) in Mainz ist das EFWI mitverantwortlich für die Lehrerfort- und -weiterbildung in Rheinland-Pfalz.

Grundlage für das Engagement der Kirchen war die Entscheidung des Landes, bei der institutionellen Entwicklung der Lehrerfort- und -weiterbildung in den 1970er Jahren im Unterschied zu anderen Bundesländern auf ein staatliches Monopol in der Trägerschaft der Lehrerfortbildung zu verzichten.

Zur Umsetzung eines pluralen Konzepts bot das Land den katholischen Diözesen und den evangelischen Landeskirchen an, mit staatlicher Unterstützung je ein Institut in katholischer und in evangelischer Trägerschaft zu gründen. Hintergrund dieses Angebots war das Ende der Konfessionsschule sowie der konfessionellen Lehrerausbildung. Getragen wird das EFWI zu 40 Prozent von der pfälzischen Landeskirche und zu jeweils 30 Prozent von der hessen-nassauischen und der rheinischen Landeskirche. Die Kosten der Institutsarbeit werden zu einem großen Teil staatlich refinanziert. Für Lehrkräfte unterschiedlicher Schulformen sind bis zu zweitägige Seminarangebote des Instituts inklusive Übernachtung kostenlos, ab der zweiten Übernachtung wird ein Teilnahmebeitrag erhoben. Die Teilnahme der Lehrer an Fort- und Weiterbildungen sei grundsätzlich freiwillig und werde von den meisten Schulleitungen gefördert, sagt der scheidende EFWI-Direktor Günther Geisthardt.

Am EFWI im protestantischen Bildungszentrum Butenschoen-Haus werden jährlich rund 100 mehrtägige Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen angeboten, darunter auch Studienfahrten und Studientage. Themen für Schulpädagogen sind etwa Elterngespräche zu führen, der Umgang mit Kindern mit Aufmerksamkeitsdefiziten oder die Arbeit im Klassenzimmer mit dem elektronischen „Whiteboard“.

Hinzu kommen rund 180 meist halb- oder ganztägige Seminare der drei Landeskirchen. Im Jahr 2013 besuchten 2026 Teilnehmer Veranstaltungen des EFWI, bei Angeboten der Landeskirchen waren es zusätzlich 1845 Personen. Das Landeskirchen übergreifende Institut sei ein „Vorreiter für Verbundlösungen“ gewesen, wie sie auch die drei Diakonischen Werke im Land mit ihrer Arbeitsgemeinschaft pflegten, sagt Geisthardt. Die Zusammenarbeit der Landeskirchen in einzelnen Arbeitsbereichen könne die eigene Kultur bereichern und den Horizont erweitern. all

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