Eisennägel aus dem steinigen Boden

Ehrenamtliche Sondengänger helfen der Landesarchäologie – Harald Lang gräbt auf dem Donnersberg

Keltensichel: Harald Lang zeigt den spektakulärsten Fund des Tages. Foto: Stepan

Mit ausladenden Armbewegungen lässt Harald Lang die Metallsonde über dem Boden kreisen. „Pieps“ macht es schon nach wenigen Minuten. Der Mann mit dem Kopfhörer schiebt mit dem Fuß das Laub zur Seite, geht in die Knie. Mit einem Messer gräbt er ein kleines Loch – irgendwo im Wald auf dem Donnersberg in der Nordpfalz, wo sich vor mehr als 2000 Jahren eine der größten Keltensiedlungen nördlich der Alpen befand. Mit den Fingern schiebt er die Erde zur Seite und hält plötzlich ein rostiges Stück Metall hoch.

„Das ist ein keltischer Eisennagel“, erklärt Lang, der seit einigen Jahren als ehrenamtlicher Sondengänger im Auftrag der Landesarchäologie in der ganzen Pfalz unterwegs ist. Ein Nagel von vielen, die der 50-jährige Beamte aus Hetzerath bei Trier an einem arbeitsreichen Samstag in dem Waldstück auf dem höchsten pfälzischen Berg ausgegraben hat. Mit seiner Handykamera fotografiert er den Eisennagel, steckt ihn in einen Plastikbeutel und dokumentiert die GPS-Daten des Fundorts. Ein Knopfdruck auf sein Handy, und schon rauschen die Informationen in den Computer von Landesarchäologin Andrea Zeeb-Lanz im fernen Speyer.

Harald Lang arbeitet den Landesarchäologen zu, die seit Jahrzehnten versuchen, die verschüttete Geschichte der keltischen Großstadt ans Licht zu fördern, die zeitweise von mehreren tausend Menschen besiedelt war. „Ohne ihn und andere ehrenamtliche Sondengänger wäre unsere archäologische Arbeit noch schwieriger“, sagt Zeeb-Lanz. An ihre wenigen freiwilligen Helfer vergibt sie immer wieder sogenannte Auftragsgrabungen – etwa, wenn in einem Neubaugebiet eine Baggerschaufel mal wieder Relikte aus keltischer, römischer oder mittelalterlicher Zeit freilegt. Nur zwei Landesarchäologen gibt es in der Pfalz – zu wenig, um die vielen archäologischen Funde zu sichern. Und viel zu wenig, um der wachsenden Zahl der Raubgräber Herr zu werden, für die der weltweite illegale Antikenhandel ein sehr einträgliches Geschäft ist.

Harald Lang und seine wenigen Kollegen sind deshalb ein gutes Beispiel dafür, wie die Zusammenarbeit von Archäologen und Privatleuten, die sich für Archäologie interessieren, funktionieren kann. „Mit unserer Arbeit helfen wir den Archäologen, sich ein besseres Bild von archäologischen Fundorten zu machen“, sagt Lang. Drei- bis viermal im Jahr fährt der Familienvater die insgesamt 300 Kilometer lange Strecke zum Donnersberg. „Wir liefern sozusagen Mosaiksteine für das Puzzle“, sagt er und setzt seine Suche Meter um Meter im Wald fort.

Noch fünf-, sechs große Metallnägel gräbt er an diesem Samstag aus wenigen Zentimetern Tiefe aus dem steinigen Boden des Donnersbergs. „Die große Menge deutet darauf hin, dass sich hier zahlreiche Holzhäuser befanden“, analysiert er. Längst sind die Häuser vermodert, von einer menschlichen Ansiedlung ist auf dem einst unbewachsenen Berg längst nichts mehr zu sehen. Einige Meter weiter sind die mit Erde überzogenen Reste des ursprünglich 8,5 Kilometer langen und bis zu vier Meter hohen Ringwalls zu sehen, der die Keltenstadt umschloss.

Auf illegale Raubgräber wie den Finder des „Barbarenschatzes“ aus Rülzheim in der Südpfalz ist Harald Lang nicht gut zu sprechen. Der 23-jährige Mann aus Speyer hatte in Internetvideos mit seinem millionenschweren Gold- und Silberfund aus der Völkerwanderungszeit geprahlt. Er flog auf und wurde in einem aufsehenerregenden Prozess zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Anders als profitgierige Buddler leite die ehrenamtlichen Sondengänger das geschichtliche Interesse und der Wunsch, Kulturgut zu erhalten – und nicht die Jagd nach Gold und Silber, betont Lang. Schon als Jugendlicher hatte er Spaß an Geschichte und Archäologie. „Viel interessanter ist ein seltener Fund, den man selbst historisch bestimmen kann.“ Für Raubgräber sind Eisenfunde wie Nägel völlig uninteressant: „Sie werfen sie einfach weg“, erzählt Lang.

Seinen Ausweis als Mitarbeiter der Landesarchäologie hat er immer griffbereit in der Brusttasche. „Manche Spaziergänger sind aufmerksam und fragen, was ich da mit der Metallsonde im Wald mache“, sagt Lang. „Das ist gut und richtig so.“ Selbstverständlich meldet der Sondengänger neue Fundstellen und liefert alles, was er findet, bei der Landesarchäologie in Speyer ab. Dazu zählen keltische und römische Münzen und auch spektakuläre Stücke wie ein Achsnagel aus der Keltenzeit, ein römischer Messergriff oder ein Gürtelring. Einige der Funde darf er, nachdem sie gereinigt und restauriert sind, als Dauerleihgabe behalten. Er muss sie allerdings wieder zurückbringen, wenn etwa eine Ausstellung der Landesarchäologie geplant ist. Auch die erschreckend große Menge an Metallschrott, den der Mann auf dem „archäologisch ziemlich abgegrasten“ Donnersberg findet, packt er ein: Munitionshülsen von dort einst übenden US-Soldaten, Metalldosen und immer wieder zerknülltes Silberpapier, auf das sein Metalldetektor anspricht.

Und wieder macht es „Pieps“. Harald Lang zieht seinen Fund des Tages aus der Erde, eine etwa 20 Zentimeter lange Keltensichel aus Eisen. Er fotografiert und dokumentiert sein Fundobjekt und schickt die Informationen per e-mail sofort nach Speyer. Kurze Zeit später meldet sich Landesarchäologin Zeeb-Lanz zurück mit einer launigen e-mail: „Jetzt noch das goldene Exemplar der Druiden?“ Alexander Lang

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