Gegen Gewalttäter hilft Hysterie nichts

von Martin Schuck

Martin Schuck

Schon während des G20-Gipfels in Hamburg begann der Katzenjammer. Als die Staatenlenker in der Elbphilharmonie Beethoven hörten, lieferten sich auf der Straße Randalierer Schlachten mit der Polizei, zündeten Autos an und plünderten Geschäfte. Verantwortlich für das Desaster, so war schnell zu hören, sei der Hamburger Senat, der die Gefahr des Linksextremismus sträflich unterschätzt und so die Stadt dem „Schwarzen Block“ ausgeliefert habe. Die Kritik, dass Hamburg wegen seiner starken autonomen Szene und einer Polizei, die nicht gerade für eine kluge Deeskalationsstrategie bekannt ist, kein guter Ort für die Austragung solcher Veranstaltungen sei, verhallte ungehört.

Während nach den Krawallen vor allem CDU-Politiker harte Strafen und vorbeugende Maßnahmen bis hin zu Fußfesseln für Randalierer forderten, spielten sich ähnliche Überlegungen nach einem Neonazi-Konzert in Thüringen ab, nur diesmal farbenverkehrt: Kein CDU-Politiker, sondern der linke Ministerpräsident Bodo Ramelow wollte für Demonstrationen aus dem rechtsradikalen Lager das Versammlungsrecht „präzisieren“.

Es ist müßig, darüber nachzudenken, ob „die Politik“ eher auf dem linken oder auf dem rechten Auge blind ist. Deutlich aber ist, dass nach jedem Vorfall reflexartige Rufe nach Gesetzesverschärfungen und Einschränkungen demokratischer Rechte vernehmbar werden – und zwar von Politikern des je anderen Lagers. Nach dieser Logik ­forderten CDU-Politiker den Rücktritt des regierenden Bürgermeisters von Hamburg, und ein linker Ministerpräsident regte Einschränkungen des Versammlungsrechts für Neonazis an. Da bleibt nur die Einsicht, dass weniger Hysterie und mehr vorausschauendes Handeln dem Politikbetrieb guttäten.

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