Diese Fakultät scheidet die Geister

von Martin Schuck

Martin Schuck

Berlin ist nicht für die hohe Kirchenbindung seiner Einwohner bekannt. Gerade mal ein Drittel sind Mitglieder der evangelischen und katholischen Kirche. Daneben gibt es etwa 300000 Menschen, bei denen aufgrund ihrer Herkunft muslimischer Glaube vermutet wird, außerdem eine jüdische Gemeinde. Eine nennenswerte Präsenz der Theologie in der Berliner Hochschullandschaft können nur die Protestanten vorweisen; die evangelische Fakultät an der Humboldt-Universität (HU) ist mit elf Lehrstühlen gut ausgestattet. Und im nahe gelegenen Potsdam gibt es eine jüdische Hochschule, die Rabbiner ausbildet.

Seit der rot-rot-grüne Senat der Bundeshauptstadt beschlossen hat, im Wintersemester 2018/19 an der Philosophischen Fakultät der HU ein Institut für Islamische Theologie zu gründen, kommt Bewegung in die Wissenschaftspolitik. Ein islamisches Institut ist zwar nichts Ungewöhnliches, denn solche Institute gibt es schon an den Universitäten Tübingen, Frankfurt, Erlangen-Nürnberg, Münster und Osnabrück. Neu hingegen ist ein Vorschlag, den der Theologieprofessor Rolf Schieder, selbst Lehrstuhlinhaber an der HU, jüngst verbreitet hat: Die evangelische Fakultät soll erweitert werden zu einer Fakultät der Theologien, an der evangelische, katholische, muslimische und jüdische Professoren gemeinsam forschen und lehren können.

An Schieders Vorschlag scheiden sich die Geister. Begrüßt wird er vom früheren Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse, der selber praktizierender Katholik ist. Auch der Berliner Erzbischof Heiner Koch kann sich für die Idee begeistern. Kritische Stimmen gibt es bei den Protestanten: Nicht nur Christoph Markschies, der Dekan der evangelischen Fakultät, sondern auch der Berliner Bischof Markus Dröge, ist gegen das Experiment. Dessen Folge sei, so Markschies, eine „Selbstverzwergung“ der evangelischen Theologie und schlimmstenfalls ein „Tor zum Chaos“.

Die Befürworter weisen darauf hin, dass es in angelsächsischen Ländern gute Erfahrungen mit interreligiösen Ausbildungsstätten gibt, beispielsweise dem Heythrop College in London. Zur deutschen Besonderheit gehört aber, dass den Kirchen im Grundgesetz ein öffentlich-rechtlicher Körperschaftsstatus zugesichert ist. Für die von den Kirchen geforderte akademische Ausbildung bedeutet dies, dass sie an eigenen Fakultäten stattfinden kann. ­Einen solchen Status gibt es für den Islam nicht, weil es keine Institutionen gibt, die den Islam in seiner Breite ­repräsentieren. Deshalb kann es an deutschen Universitäten keine islamischen Fakultäten, sondern nur Institute etwa an philosophischen Fakultäten geben. Faktisch wäre eine Fakultät der Religionen also eine evangelische oder katholische Fakultät mit islamischen und jüdischen Instituten. Ob das die Anerkennung der Moscheevereine, die hauptsächlich von der Türkei mit Imamen versorgt werden, finden kann, ist mehr als fraglich.

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