Menschheit könnte den Hunger besiegen

von Wolfgang Weissgerber

Wolfgang Weissgerber

Es könnte einfach sein: 7,5 Milliarden Menschen leben derzeit auf dem Planeten Erde. Es werden zwar täglich mehr, doch das rasante Wachstum früherer Jahrzehnte hat sich abgeflacht. Vor allem in Asien ist die Geburtenrate einhergehend mit wachsender Indust­rialisierung gesunken. Bauern rund um den Erdball produzieren genügend Lebensmittel für alle. Der Hunger könnte besiegt sein. Doch nun droht in Afrika eine Katastrophe von nie ­dagewesenem Ausmaß.

Die Menschheit selbst hat dazu ein ordentliches Stück beigetragen. Es ist die Tragik der Geschichte, dass der saturierte Lebensstil ihrer einen Hälfte die andere, die ohnehin schon von der Hand in den Mund lebt, auch der letzten Grundlagen ihrer Existenz beraubt. Mögen der Klimawandel und seine Folgen auch noch nicht bis ins letzte Detail geklärt sein: Es ist unstrittig, dass es zwischen der Erderwärmung und der verheerenden Dürre in Ostafrika einen unmittelbaren Zusammenhang gibt. Nach drei schlechten Regenzeiten herrscht dort eine Trockenheit von unbeschreiblichem Ausmaß. Auf den knochenharten Böden gedeiht kein Hälmchen mehr. Wo einst Weiden und Tränken waren, fallen Kühe und Ziegen tot um, ihre Kadaver verdorren in der sengenden Sonne. Nun ist der Mensch dran. Mehr als 20 Millionen Männer, Frauen und vor allem Kinder sind vom Hungertod bedroht.

Etwa 4,4 Milliarden Euro würden benötigt, um Soforthilfe zu leisten, haben die Vereinten Nationen ermittelt. Das entspricht dem Jahresgewinn von zwei, drei deutschen Dax-Konzernen. Gerade ein Zehntel dieser Summe steht bislang aber nur zur Verfügung. Ein Skandal angesichts der Tatsache, dass das westliche Verteidigungsbündnis Nato über die Erhöhung seiner Militärausgaben sinniert. Dennoch ist anzuerkennen: Seit Jahrzehnten stemmt sich der Westen mit seinen Hilfsorganisationen und staatlicher Entwicklungshilfe gegen die Not der armen Länder. Zweifellos hat die Hilfe viel Gutes bewirkt – Straßenbau, Schulen, Mikrokredite. Alle Beteiligten haben auch Fehler gemacht. Manche sind korrigiert. Aus patriarchalischer Bevormundung entstand Hilfe zur Selbsthilfe. Viel Geld versickerte in dunklen Kanälen und bereicherte die Kleptokraten in den Nehmerländern. Inzwischen koppeln viele Staaten ihre Hilfe an Auflagen zur Transparenz und zur Rechtsstaatlichkeit.

Kleine Schritte, aber immerhin. Die großen Schritte müssen die notleidenden Länder selbst tun. Eine weitere Tragik ist, dass sie es sogar könnten. Äthiopien, jahrzehntelang ein Synonym für Not und Elend, erlebt dieselbe Dürre wie seine Nachbarn. Gegen den Hunger aber hat das Land durch Wiederaufforstung und eine kluge Agrarpolitik Vorsorge getroffen. Südsudan und Somalia, wo die Not am größten ist, sind hingegen gelähmt von Bürgerkrieg und Verteilungskämpfen. Mit Geld allein ist dort niemandem geholfen.

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