Angegriffener Papst macht sich angreifbar

von Martin Schuck

Martin Schuck

Im Vatikan tobt ein Machtkampf, in dem konservative Kritiker von Papst Franziskus nicht davor zurückschrecken, diesen der Häresie zu beschuldigen. Anlass sind Äußerungen im nachsynodalen Schreiben „Amoris laetitia“ vom vergangenen April. In einer Fußnote deutete der Papst an, dass Priester „in gewissen Fällen“ auch wiederverheiratete Geschiedene zur Kommunion zulassen können. Vier Kardinäle, unter ihnen die Deutschen, Walter Brandmüller und Joachim Meisner, bezweifeln in einem Schreiben die Vereinbarkeit der Papstäußerungen mit der kirchlichen Lehre und streben eine „brüderliche Zurechtweisung“ des Papstes durch das Kardinalskollegium an, was als Misstrauensvotum interpretiert werden muss.

Seit Franziskus vor fast vier Jahren sein Pontifikat mit unkonventionellen Gesten, bescheidenem Auftreten und ernsten Reformabsichten begonnen hat, polarisiert er innerhalb der Kurie. Fanden seine konservativen Kritiker bei bisherigen Reformen kaum Ansatzpunkte für Kritik, so schossen sie sich auf eher zufällige Bemerkungen des Papstes ein, die dieser bei unterschiedlichen Gelegenheiten gegenüber Journalisten äußerte. Franziskus bot immer dann eine offene Flanke, wenn er unter dem Siegel der Barmherzigkeit Flexibilität im Umgang mit dem Kirchenrecht anmahnte. Nachdem er jetzt in einem Lehrschreiben die Möglichkeit eröffnete, eine feststehende Norm der Einzelfallprüfung des Priesters zu überlassen, wurde sofort der Vorwurf laut, er wolle die kirchliche Lehre aufweichen und verändern.

Franziskus scheint den Machtkampf anzunehmen – allerdings mit unangemessenen Methoden, und am Ende könnte er den Kürzeren ziehen. Der Konflikt eskalierte, als er vor Weihnachten eine Kommission einsetzte, um die Amtsenthebung des Großkanzlers des Malteserordens untersuchen zu lassen. Ihm wirft die Ordensleitung vor, bei Einsätzen in Entwicklungsländern die Verteilung von Kondomen und anderen Verhütungsmitteln mitverantwortet zu haben, was gegen die katholische Sexuallehre verstößt. Die Abberufung des Großkanzlers wird vor allem von denen kritisiert, die im Konflikt um „Amoris laetitia“ auf der Seite des Papstes stehen. Der Orden argumentiert, Franziskus würde mit der Kommission seine Kompetenzen überschreiten, da der Orden eigenständiges Völkerrechtssubjekt sei und dem Papst zwar in Fragen des Kirchenrechts unterstehe, aber in der Verwaltung, wozu auch Personalfragen gehören, selbstständig sei.

Hier schließt sich der Kreis, denn der Kardinalspatron des Malteserordens ist niemand anderes als Kardinal Raymond Burke, der Wortführer der Ankläger in Sachen „Amoris laetitia“. Wenn Franziskus mit der Untersuchungskommission gegenüber Burke und den anderen Kardinälen seine Macht demonstrieren will, setzt er seine Kritiker ins Recht: Dann stellt er sich selbst über das Kirchenrecht und macht sich als Papst angreifbar.

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