Ruheständler hauchen Elektrogeräten neues Leben ein

Haus der Familie in Bad Bergzabern gründet ein Repaircafé – Arbeiterwohlfahrt und Naturfreunde unterstützen die Idee der Nachhaltigkeit

Reparieren eine defekte Munddusche (von links): Seniorenreferent Rainer Brunck und die Hobbymechaniker Hans-Erich von Hahn und Georg Wackershauser. Foto: Iversen

Bad Bergzabern. Im Haus der Familie in Bad Bergzabern legt Seniorenreferent Rainer Brunck weiße Wachstuchdecken über Tische, installiert als ungewöhnliche Dekoration Stromzuleitungen und begrüßt zwischen den flinken Handgriffen weitere Helfer. Er bereitet alles für das Repaircafé vor, das jeweils am ersten Dienstag im Monat nachmittags von 14.30 bis 17 Uhr im Gemeindehaus, Luitpoldstraße 22, geöffnet ist. Derweil duftet es vom Tresen des Fo­yers schon nach Kaffee; Kuchen steht bereit, und nebenan im Saal wird eine Kinderspielecke improvisiert.

Gleich werden die ersten Gäste eintreffen, alle bepackt mit irgendeinem Elektrogegenstand, der nicht mehr funktioniert – und hier im Reparaturcafé möglicherweise erneut zum Leben zu erwecken ist. Die Idee eines sozialen Treffs für Menschen, die lieber reparieren lassen als wegzuwerfen, habe er schon länger in seinem Herzen bewegt, gesteht der Referent für die protestantische Seniorenarbeit im Kirchenbezirk Bad Bergzabern. Sowohl Arbeiterwohlfahrt (Awo) als auch Naturfreunde hätten mit ähnlichen Initiativen geliebäugelt, so habe man sich kurzerhand zusammengetan.

Fünf bis sechs ehrenamtliche Reparateure sind derzeit aktiv, handwerklich ausgebildete Spezialisten, meist im Ruhestand, die ein solides Fachwissen einbringen und zudem Spaß an der Fachsimpelei mit den Gästen haben. So wie der 74-jährige Günther Kaiser. Der gelernte Mechaniker schildert mit leuchtenden Augen, wie er kürzlich zur übergroßen Freude des Besitzers einem defekten Brotbackgerät neues Leben eingehaucht habe. „Eine heikle Sache, weil die modernen Dinger ja so verklebt und vernietet sind, dass man sie kaum aufkriegt“, sagt er.

Dass man in Bad Bergzabern eine echte Marktlücke gefüllt hat, zeigen die stetig steigenden Besucherzahlen des einmal monatlich geöffneten Repaircafés: Von anfänglich acht Klienten hat es sich mittlerweile auf rund 20 gesteigert. Vom Toaster über Schallplattenspieler bis zur Stehlampe werden Kleinelektrogeräte angeliefert. Und während der Reparateur schraubt, zerlegt, prüft, das Ersatzteillager plündert und alles wieder zusammenbaut, gibt es bei Kaffee und Kuchen manch gemütlichen Plausch.

Eben trifft Gertrud Witte ein und packt sorgfältig eine wunderschöne handgearbeitete Kuckucksuhr nebst Zubehörfiguren aus. Die habe ihr Mann während seines Feinmechanikerstudiums in Feuchtwangen hergestellt vor über 50 Jahren. „Sie geht schon lange nicht mehr. Aber jetzt, wo mein Mann gestorben ist, hat sie so einen besonderen Wert für mich.“ Gerd Mayer, auch Elektromechaniker in den Zeiten seines aktiven Berufslebens, nimmt sich der Sache mit besonderer Sorgfalt an.

Heutzutage werde oft gedankenlos weggeworfen. Auskünfte vom Fachhandel lauteten oft, das könne man nicht mehr reparieren. Manchmal stimme das auch, erläutert Gerd Mayer. „Aber wir nehmen uns hier viel Zeit. Wenn wir sagen, da ist wirklich nichts mehr zu machen, werfen die Leute ihren Gegenstand auch irgendwie beruhigter weg. Aber meistens können wir helfen.“

Gretel Weber und ihr Mann kommen eben die Tür herein, ein Tonbandgerät im Arm. „Wir kommen aus Offenbach und haben in der Zeitung davon gelesen. Tolle Sache und sehr nett und gemütlich hier!“ Rainer Brunck weist zwischendurch auf eine kleine Hausordnung hin, die auf den Tischen ausliegt. „Ein bisschen rechtliche Absicherung muss halt sein“, sagt er. „Zum Beispiel übernehmen wir keine Garantie für Erfolg oder irgendwelche Haftung. Das unterschreiben die Gäste auf dem Reparaturformular, das für uns auch eine gewisse Archivfunktion erfüllt.“

Björn Weitkamp, Verbandsreferent für den Bereich Südpfalz der Arbeiterwohlfahrt, steht am Kaffeeausschank. „Wir spinnen hier mit den Naturfreunden einen Faden einer früheren Kampagne weiter: Teilhabe an Nachhaltigkeit für alle bedeutet, auch Menschen, die wenig finanziellen Spielraum haben, ökologische Nachhaltigkeit zu ermöglichen“, sagt er. Daher sind die Reparaturleistungen – mit Ausnahme benötigter Ersatzteile – kostenlos, ebenso wie Kaffee und Kuchen. „Wir bitten um Spenden – das hat mittlerweile bestens funktioniert“, lobt Rainer Brunck und heißt die nächste Kundschaft herzlich willkommen. Gertie Pohlit

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