Dilemma mit dem Sonntagsgottesdienst

von Klaus Koch

Klaus Koch

Der Gottesdienst am Sonntagmorgen ist das Zentrum des Gemeindelebens. Dieser Satz ist in jeder Kirchengemeinde zu hören, auch wenn oft weniger Menschen in den Kirchenbänken sitzen als im Gospelchor singen oder beim Gemeindefest die Bierbänke bevölkern. Bleibt der Sonntagsgottesdienst also dennoch das Zentrum, auch wenn immer weniger Menschen hingehen? Oder sollte sich die Kirche besser andere Angebote ausdenken, die „fetziger“ sind und mehr Leute anlocken? Und vor allem, sollte sie nicht den Zeitpunkt überdenken? Ausgerechnet Sonntagmorgen, wenn die Menschen wechselweise gemütlich frühstücken, schlafen oder wandern.

Es ist bezeichnend, dass statistisch gesehen fast doppelt so viele Protestanten zum fröhlichen Erntedankgottesdienst gehen als zu dem – für den evangelischen Glauben – ungleich wichtigeren Karfreitagsgottesdienst. Feiern kommt an, theologisches Nachdenken eher weniger. Doch eigentlich ist der Gottesdienst am Sonntagmorgen ja auch eine Feier. Am ersten Tag der Woche wird seit Beginn des Christentums die Auferstehung des Herrn gefeiert, das Zentrum des christlichen Glaubens.

Historisch und theologisch ist der Sonntagmorgen als regelmäßige Gottesdienstzeit also nicht verhandelbar. Die Kirche würde ihr Zentrum verlieren. Ein Dilemma: Sonntagmorgens wollen die Menschen nicht mehr, zu einem anderen Zeitpunkt kann die Kirche nicht. Viele Gemeinden suchen schon lange nach Auswegen. Sie bieten zusätzlich „andere“ Gottesdienste an; samstags oder am Freitagabend. Da gibt es dann Popmusik, Kunst oder Lesungen. Die Frohe Botschaft wird fröhlich verpackt. Und das oft mit Erfolg. Auch wenn Glaubenspuristen die Nase rümpfen.

Doch es muss sich etwas ändern. Schon allein deshalb, weil eine kleiner werdende Kirche es sich auf Dauer schlicht nicht wird leisten können, jeden Sonntag Kirchen zu bespielen, in denen jeweils zwei Handvoll Besucher sitzen während sie nur wenige Gehminuten voneinander entfernt liegen. Deshalb ist es interessant, wie die Diskussionen in Kaiserslautern weitergehen. Es ist schön, sich vorzustellen, dass es an wenigen Orten in einem Kirchenbezirk am Sonntagmorgen gut besuchte, traditionell-pfälzische Gottesdienste gibt, und darum herum legt sich an verschiedenen Tagen ein Kranz von gut koordinierten und mutig beworbenen spirituellen Andachten und bunten Spartengottesdiensten.

Doch wie meist, liegt auch hier der Teufel im Detail. Es wird nämlich auf der einen Seite kaum praktikabel sein, jeden Sonntag in einer anderen Kirche Gottesdienst zu feiern. Die Menschen brauchen feste Orte, wollen nicht jedes Mal nachschauen, wo sie hinmüssen. Das würde auf der anderen Seite bedeuten, dass in manchen Kirchen sonntagmorgens nie mehr Gottesdienste stattfinden. Und das Presbyterium, das einen solchen Beschluss fasst, ist noch nicht gewählt.

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