Religionsfreiheit und Menschenrechte

von Heinrich Bedford-Strohm

Heinrich Bedford-Strohm

Ein Bild geht mir nicht aus dem Kopf: Man sieht eine Gruppe von Menschen in orangenen Kitteln, geführt von schwarz gekleideten Gestalten mit Messern in der Hand. Ihnen voran geht Christus mit dem Kreuz auf den Schultern. Gemalt hat das Bild ein koptischer Künstler. Es ist der Realismus, der so ans Herz geht. Denn wir wissen von den Menschen, die in Nordsyrien genauso von IS-Kämpfern zur Hinrichtung geführt werden. Sie müssen sterben, weil sie Christen sind. Und der, an den sie glauben, geht ihnen voran.

Wenn von Christenverfolgung weltweit die Rede ist, denke ich an konkrete Menschen. Ich denke an Menschen, deren Namen ich über Hilferufe per e-mail erfahre. Menschen, die in Gefahr sind, aber nicht fliehen können, weil sie keine Visa bekommen. Und ich weiß, wie viele mehr in einer ähnlichen Situation sind, von denen ich nie erfahre.

Dass Menschen allein aufgrund ihres Glaubens verfolgt oder sogar ermordet werden, bleibt ein weltweiter Skandal, mit dem wir uns nie abfinden dürfen. Und es ist mehr als Hilflosigkeit, wenn wir immer wieder für sie beten. Wenn wir dafür beten, dass Gott sie nicht verlässt. Der koptische Künstler, der den Kreuz tragenden Christus an der Spitze des Zuges gemalt hat, jedenfalls war sich sicher, dass Gott den Opfern von Gewalt nah ist, selbst im Sterben.

Was können wir tun? Natürlich ist es wichtig, einfach immer wieder auf das hinzuweisen, was da passiert, es dem Vergessen zu entreißen. Gleichzeitig wird man die Wirkung wiederholter öffentlicher Erklärungen gegen Christenverfolgung hierzulande nüchtern einschätzen müssen. In diesem Land gibt es glücklicherweise kaum jemanden, der dem Inhalt widersprechen würde. Die Adressaten, denen er gilt, werden davon nicht erreicht. Und mir steckt noch immer ein Satz unseres Mittelsmanns nach Nordsyrien in den Gliedern, der schrieb: Wir wollen keine Worte mehr. Wir wollen Taten.

Wenn engagierte Leute sich hierzulande für legale Fluchtwege nach Europa einsetzen, dann ist das auch eine Reaktion auf Berichte über Menschen, die wegen ihrer Religion verfolgt werden. Nun sage ich bewusst ganz allgemein: wegen ihrer Religion. Denn Opfer fundamentalistischer Mörder werden auch viele Muslime oder Jesiden. Sie verdienen die gleiche Solidarität wie unsere christlichen Glaubensgeschwister. Der glaubwürdige Einsatz für Religionsfreiheit hängt daran, dass er sich auf alle bezieht.

In einem jetzt im Bundestag vorgelegten überparteilichen Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, bis zum 30. Juni 2016 einen Bericht vorzulegen, in dem der Stand der Religions- und Glaubensfreiheit in den Staaten weltweit beschrieben wird. Wir brauchen eine Politik, die den Schutz der Religionsfreiheit und die Menschenrechte ins Zentrum rückt.

Der Autor ist Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Meistgelesene Leitartikel & Kommentare