Von der Diagnose bis zur Gartenarbeit

Krankenhausseelsorge ermöglicht ein Sprechen ohne Angst – Spurensuche mit absoluter Schweigepflicht

Ist auch Bundesvorsitzende der evangelischen Kran­kenhausseelsorge: Sabine Hofäcker (zweite von links) im Gespräch mit Angelika Bick (links) und den Ärzten Florenc Buxho und Sascha Hünicker in der Uniklinik Homburg. Foto: Steinmetz

Zufälliges Zusammentreffen: Inge Gödert aus Körperich (links) im Gespräch mit Sabine Hofäcker in Homburg. Fotos: Steinmetz

„Gott wird wieder stärker zum Thema als früher, die Patienten sind offener geworden“, sagt Pfarrerin Sabine Hofäcker. Sie muss es wissen, seit 1994 ist sie im Krankenhaus tätig. Die Bundesvorsitzende der evangelischen Krankenhausseelsorge sagt aber gleich hinzu: „Die spirituellen Fragen stellen sich anders als früher, nicht mehr in der traditionell-kirchlichen Sprache.“

Sabine Hofäcker sitzt im kleinen Besprechungszimmer der evangelischen Krankenhausseelsorge am Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg: Gebäude 31, fünf Pfarrerinnen und Pfarrer auf dreieinhalb Stellen für rund 1400 Patienten und 5000 Angestellte auf dem weitläufigen Gelände mit 90 Gebäuden. Aber immerhin, im Vergleich zu kleineren Häusern ist das noch gut besetzt.

Auf den Krankenstationen beginnen die Gespräche oft mit einem „Wie geht‘s“ oder einem „Gruß von der Kirche“. Es sind niedrigschwellige Gesprächsangebote, die aber bald zu ernsten Themen kommen können. „Thema ist, was für die Patienten wichtig ist, und das reicht von einer schlechten Diagnose bis zur Gartenarbeit“, sagt Hofäcker. Sie gibt zu bedenken, dass der Patient aus seinem Alltag herausgerissen ist, sich neu sortieren muss und sich häufig auch die Frage stellt: „Was kann ich noch machen, und was macht die Chemotherapie mit mir?“

Klinikseelsorge ist dort, wo die Menschen in Krisen sind. Die Patienten sprechen mit Pfarrerinnen und Pfarrern, die absolute Schweigepflicht haben. Es gibt Patienten, die unter dem Eindruck einer durchaus fordernden Familie stehen: Du musst doch positiv denken! „Dann begeben wir uns auf Spurensuche. Was ist, was kommt, was geht?“, sagt Hofäcker. Klinikseelsorge schaffe Abstand, sie ermögliche ein Sprechen ohne Angst. Sie verfolge keine Absicht, wolle den Menschen in Würde begleiten, ihn wahrnehmen und Angebote machen. Therapie verfolge hingegen immer ein Ziel. Für die 58-jährige Seelsorgerin sind diese Gespräche zutiefst christlich geprägt. „Wir reden über Gott, manchmal gar nicht über Gott, aber Gott ist immer dabei.“ Mit abgehobenen Glaubenssätzen wie „die Gnade Gottes hilft dir“ brauche sie erst gar nicht zu kommen. Transzendenz drücke sich auch in der ganz normalen Alltagssprache aus. Zum Beispiel in der Patientenfrage: „Ach, weshalb bin ich dann so gestrooft.“ Man müsse es nur hören. In welchen Formulierungen verbirgt sich was?

Sabine Hofäcker ist auch Leiterin des Konvents für evangelische Krankenhausseelsorge in der Pfalz, der gemeinsam mit der Konferenz der katholischen Krankenhausseelsorge eine Vereinbarung über die ökumenische Zusammenarbeit beraten hat, die in den nächsten Tagen veröffentlicht werden soll (siehe unten). Dem evangelischen Konvent gehören derzeit 37 Pfarrerinnen und Pfarrer an (27 Vollzeitstellen), die in allen Krankenhäusern im Bereich der Evangelischen Kirche der Pfalz tätig sind. Pfarrerin Hofäcker ist mit einer halben Stelle zuständig für elf Krankenstationen in Homburg. Eine weitere Viertelstelle hat sie für die Arbeit im Vertrauensrat des Konvents und für ihren Vorsitz in der Krankenhausseelsorge der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Die Aufgaben der Krankenhausseelsorger sind aber nicht nur auf die Gespräche mit Patientinnen und Patienten begrenzt. Sie halten Gottesdienste und Abendmahlsfeiern, beraten Pfleger und Ärzte. Sie arbeiten in der Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie in der Krankenpflegeausbildung und sind bei ethischen Problemstellungen in der klinischen Praxis gefragt. Hierzu bringen sie in der Pfalz in aller Regel Erfahrungen im Gemeindepfarramt sowie eine klinische Seelsorgeausbildung mit.

Mehr Zeit nehme inzwischen die Begleitung der Beschäftigten in den Krankenhäusern in Anspruch. Hofäcker betont, dass die Personaldecke in den vergangenen Jahren dünner geworden und die Verweildauer der Patienten gleichzeitig auf zwei bis drei Tage gesunken ist: Für die Pfleger mehr Arbeit bei weniger Personal, für die Ärzte höhere Fallzahlen bei mehr Bürokratie. Im Herbst habe ein Streik nur noch durch lange Verhandlungen verhindert werden können. „Durch die Arbeitsverdichtung und den Stress werden viele Pflegekräfte krank, dann ist das einfach nicht mehr zu schaffen.“ Hartmut Metzger

Ökumenische Zusammenarbeit vertiefen und weiterentwickeln

Bistum und Landeskirche wollen neue Vereinbarung veröffentlichen – Oberkirchenrat Sutter: Klinikseelsorge wird als Einheit wahrgenommen

Die ökumenische Zusammenarbeit an pfälzischen und saarpälzischen Krankenhäusern ist gut. Das unterstreichen Oberkirchenrat Manfred Sutter und Klinikseelsorgerin Sabine Hofäcker sowie eine Vereinbarung, die in den nächsten Tagen veröffentlicht werden soll. Die Zusammenarbeit beider Kirchen im Bereich der Seelsorge verleihe dem gemeinsamen Zeugnis für Menschen in Not mehr Ausdruck und Gewicht, heißt es in der Vereinbarung der Krankenhausseelsorge im Bistum Speyer und in der Evangelischen Kirche der Pfalz.

Oberkirchenrat Sutter bezeichnet die Krankenhausseelsorge als „außerordentlich bedeutsam“ und verweist darauf, dass die pfälzische Landessynode auf ihrer Prioritätenliste der Seelsorge insgesamt ein besonderes Gewicht beimisst. Die Vereinbarung von Bistum und Landeskirche wolle nun die bestehende Zusammenarbeit an Krankenhäusern und Kliniken festschreiben und dokumentieren. Gemeinsame Absprachen bei Abwesenheit des ökumenischen Partners und bei der Mitarbeit in Ethikkommissionen seien vielerorts schon selbstverständlich.

Darüber hinaus will die Vereinbarung laut Sutter auch Standards formulieren, um die ökumenische Zusammenarbeit im Sinne einer Weiterentwicklung zu vertiefen und verbindlich zu strukturieren. Klinikseelsorge werde trotz ihrer konfessionellen Verschiedenheit als Einheit wahrgenommen, was Sabine Hofäcker aus ihrer Homburger Praxis bestätigen kann: „Ach, Frau Pfarrer, ich hätt‘ so gern‘ die Kommunion.“ Sie sagt: „Man informiert sich, es gibt Absprachen, die Arbeit wird koordiniert.“

So schreibt die Vereinbarung – angestoßen von Oberkirchenrat Sutter und der Diözesanbeauftragten Susanne Laun – auch den Austausch über aktuelle Anliegen und Fragen der Krankenhausseelsorge auf Leitungsebene fest. Gewissermaßen als Selbstverpflichtung wird darin betont, dass beide Konfessionen bei kirchenpolitischen Stellungnahmen gegenüber Kliniken oder Öffentlichkeit gemeinsam auftreten sollen. „Die Zusammenarbeit wird noch wichtiger werden“, sagt Sutter wohl auch aufgrund der Personalentwicklung in Bistum und Landeskirche. mez

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