Virtuelles Halleluja statt Festakt vor vollen Reihen

Mit einer Videoproduktion würdigen die Pfälzer Bezirkskantorate den 40. Landeskirchenmusiktag in seiner coronabedingten Abwesenheit

Hat den Ton in der Gedächtniskirche beim Videodreh immer im Blick: Bezirkskantor Wolfgang Heilmann. Foto: Landry

Achtung Aufnahme: Jürgen Schaaf filmt Landeskirchenmusikdirektor Jochen Steuerwald vor dem Lutherdenkmal in der Speyerer Gedächtniskirche. Foto: Landry

„Kamera läuft. Ton läuft.“ Jürgen Schaaf hat Robert Sattelberger auf der Orgelempore der Speyerer Gedächtniskirche mit der Kamera fest im Blick. Der Speyerer Bezirkskantor lauscht in seine Ohrstöpsel hinein. Ein Metronom gibt ihm, vom Handy abgespielt, den Takt vor. Dann haut er in die Tasten und Pedale. Hinter ihm kniet Bezirkskantor Wolfgang Heilmann über dem Laptop.

Die Aufnahmen in Speyer dienen keinem weiteren digitalen Gottesdienstformat. Der Landeskirchenmusiktag steht an. In seinem 40. Jahr hätte das mittlerweile auf Festival-Format gewachsene Chortreffen zum letzten Mal unter dem alten Namen stattfinden sollen. Doch das Coronavirus verordnete dem musikalischen Ereignis Stillschweigen. Allerdings nicht ganz.

Aus dem Bezirkskantorenkollektiv heraus, so erklärt Landeskirchenmusikdirektor Jochen Steuerwald, sei mit Blick auf eine Idee der badischen Nachbarkirche ein Projekt entstanden. An deren Umsetzung sind nun alle 15 Kantorinnen und Kantoren der Landeskirche beteiligt. Eine Art Befreiungsakt auch. Denn ausnahmslos jeder leide unter der Abstinenz von jeglicher Ensemble-Arbeit. Pünktlich zum eigentlichen Beginn der kirchenmusikalischen Feier am Sonntag, 21. Juni, 15 Uhr, soll nun das Video „Du bist heilig“ auf Youtube online gehen. Darin zu hören: der Bezirkskantorenchor und das Pfälzische Posaunenensemble der Landeskirche.

Der – praktischerweise – recht homophone Satz von Gerd Peter Münden auf den Text „Du bist heilig, Du bringst Heil“, eingerichtet nach einer Wort-Ton-Schöpfung von Per Harling aus dem Jahr 1948, vermittelt Samba-Feeling, ist zudem mit Posaunenbegleitung und instrumentalen Intermezzi, ausgeführt von Geige, Cello und Flöte, bis hin zum apotheotischen Schlusstutti mit Überstimmenchor sehr effektvoll in Szene gesetzt.

Während die Stimmen der Sänger per Video zusammengeführt werden, ist in Speyer eine kompliziertere Aufnahme nötig. Eine Kameradrohne soll den Turm hinabfliegen und sich ins Innere der Kirche begeben. So weit der Plan. Im Kirchenschiff abheben will das Gerät Wolfgang Schuchs vom Offenen Kanal Speyer aber nicht. Von der Empore aus dann geht es. Und Steuerwalds Begrüßung vor dem Lutherdenkmal filmt schließlich Jürgen Schaaf mit einer 360-Grad-Kamera am Smartphone. Improvisation ist alles. Wenn nur nicht das schöne Wetter immer wieder Kirchenbesucher ständig ins Bild laufen lässt. Und dann muss natürlich auch die Krawatte Steuerwalds richtig sitzen. Wenigstens das Wetter hält noch. Aber schließlich ist die Szene im Kasten.

In der Kirche sind es weniger die Bilder als der Ton, der herausfordert. Heilmann entheddert Kabel, sucht passende Adapter, schraubt Mikrofone an Stative und kniet schließlich zwischen zwei Kirchenbänken, um den Orgelton abzunehmen. „Ein Tonmann ist einfach zu teuer“, sagt der Bezirkskantor der Dekanate Bad Bergzabern und Germersheim. Und weil das Ergebnis offenbar genauso hallig ist wie die Verständigung mit Sattelberger auf der Empore, wandert Heilmann mit seiner Technik schließlich auch gen Orgel.

Der nächste Landeskirchenmusiktag mit Publikum wird übrigens erst 2022 stattfinden. Jochen Steuerwald hatte seine hauptamtlichen Kantoren befragt, ob ein neuer Anlauf 2021 rund um den Landeskinderchortag im Juni gewagt werden solle. Rund die Hälfte der Befragten war skeptisch mit Blick auf den nahen Zeitraum und einen verfügbaren Impfstoff bis dahin. „Unter den Befürwortern wiederum gab es Terminprobleme, sodass wir dann doch entschieden, den nächsten Landeskirchenmusiktag unter seinem neuen Festivalnamen auf 2022 zu planen“, sagt Steuerwald. Dann wieder hoffentlich mit etlichen Konzerten, Band- und Chorfestival, Verleihung des Nachwuchspreises und etlichem mehr.

Bis dahin tröstet das Video. Das macht nebenbei nicht nur Lust auf den nächsten Landeskirchenmusiktag, sondern wirft auch ein Schlaglicht auf die Mitwirkenden aller 15 Kantorate, bemerkt Heilmann. Musikalische Werbung im besten Sinne. flor/gpo

www.landeskirchenmusiktag.de

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