Ronald Rosenthal kann sich eigentlich nicht beklagen. Dem CVJM Pfalz geht es, vor allem was den Nachwuchs an Mitarbeitern angeht, nach einer Delle Mitte der 2000er Jahre wieder ganz gut, sagt der leitende Sekretär des Christlichen Vereins Junger Menschen (CVJM) Pfalz. Damals war sogar von Insolvenz die Rede, weil der Landesverband sich an der Sanierung des Gästehauses Johannishöhe übernommen zu haben schien. Erst seit etwas mehr als zehn Jahren hat der CVJM Pfalz mit Rosenthal wieder einen hauptamtlichen Mitarbeiter für die Landesarbeit.
Rund 300 Mitarbeiter engagieren sich in aktuell 19 Ortsvereinen. Dazu kommen noch sechs Gruppen ohne Vereinsstatus und das Dekanat Bad Bergzabern. Zuletzt kam im Mai der CVJM Wasgau in Wilgartswiesen hinzu. Dass sich auch unter den Hauptamtlichen unheimlich viele junge Menschen finden, beispielsweise beim CVJM Kaiserslautern, schreibt Rosenthal der Struktur zu. „Wir sind anders als etwa die Kirche eine reine Basisbewegung“, sagt Rosenthal. „Jugendliche können Verantwortung übernehmen, Entscheidungen treffen, sich ausprobieren.“ Dass dabei Fehler gemacht würden, gehöre dazu. Aber nur so würden Jugendliche ernst genommen, sagt Rosenthal.
Für ihn spielt das Motto des CVJM, „Empowering young people“, 175 Jahre nach dessen Gründung gerade vor dem Hintergrund eines neu erwachten Selbstbewusstseins der Jugend eine große Rolle. So lässt Rosenthal selbst bei Mitgliederversammlungen des CVJM Deutschland ab und zu jungen Ehrenamtlichen den Vortritt – zur Irritation mancher verantwortlicher Leiter. Innerhalb des CVJM Pfalz gilt: Ein Drittel der Leute soll unter 30 Jahre alt sein. „Im Vorstand sind wir immerhin schon bei 25 Prozent.“ Das heiße nicht, dass die Erfahrung der älteren Mitarbeiter nicht gebraucht wird.
Über die Jahre ist auch dank ihnen ein großes Netz mit verschiedenen Partnern wie der Unesco oder den Landesforsten Rheinland-Pfalz entstanden. Seit 2018 ist das Jugendgästehaus Johannishöhe oberhalb Otterbergs Partnerbetrieb des Biosphärenreservats Pfälzerwald, das Projekt „Wald und Klima“ förderte die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung.
Nicht ohne Grund. Waldpädagogik und Pfadfindergruppen boomen seit einigen Jahren, sagt Rosenthal. „Viele Kinder entdecken hier den Wald zum ersten Mal.“ Eltern gehe es dazu um gelebte Werte wie Solidarität. Mit 28 Freizeitwochen in diesem Jahr sei der CVJM aber auch beim Thema Ferienbetreuung immer stärker nachgefragt. Die klassische Freizeit, bei der Kinder und Jugendliche außerhalb von zu Hause übernachten, lasse dagegen nach.
Besonders eng verzahnt ist der CVJM Pfalz naturgemäß mit der Landeskirche, die pro Jahr 105000 Euro zuschießt. Das spiegelt sich in der Jugendarbeit für knapp 30 Kirchengemeinden wieder. Daneben besuchen rund 500 Konfirmanden jährlich die mehrtägigen Angebote des CVJM Pfalz, Tendenz steigend. Damit werden die Pfarrer ein Stück entlastet, sagt Rosenthal. Davon profitierten nicht zuletzt kleinere Konfirmandengruppen. „Wir sehen uns ein Stück weit als Dienstleister.“
Sorgen machen Rosenthal nicht mangelnde Nachfrage der Konzepte, sondern die Finanzen. „Wir leben von der Substanz, werden wohl im dritten Jahr in Folge ein kleines Defizit haben.“ Zwar sei es gelungen, in den vergangenen zehn Jahren das Spendenaufkommen zu vervierfachen. Und die Mitgliederzahlen seien stabil. Allerdings sind die Personalkosten stark gestiegen. Das CVJM Zentrum Johannishöhe werfe deshalb trotz zuletzt mehr als 12400 Übernachtungen im Jahr, davon 60 Prozent Schüler, nicht so viel ab. „Wir können die Preise nicht entsprechend erhöhen“, sagt Rosenthal mit Blick auf konkurrierende Tagungshäuser.
Eine deutlich stärkere Finanzierung vonseiten der Kirche ähnlich, wie beispielsweise im benachbarten Baden, könne diesen Missstand sicher beheben. Dort bezahlt diese neben einer Grundfinanzierung einen hauptamtlichen Leiter. „Allerdings wäre dann auch unsere Unabhängigkeit nicht mehr so stark“, zieht Rosenthal ein gemischtes Fazit. Und will sich dann doch eigentlich wieder nicht beklagen. Florian Riesterer
Gottes Wort und eine warme Mahlzeit
1844 gründete George Williams ersten CVJM – Europäische Initiative vor aufkommendem Nationalismus
Die Situation der jungen Industriearbeiter in London war eine Katastrophe. Überlange Arbeitszeiten, Einsamkeit, Hunger und Alkoholismus. Der junge Textilhändler George Williams sah die Not und gründete am 6. Juni 1844 mit ein paar Kollegen den ersten „Christlichen Verein junger Männer“, „Young Men’s Christian Association“ auf Englisch oder kurz YMCA. Zuwendung, eine warme Mahlzeit, das Wort Gottes, gemeinsame Freizeit, so fing es an.
Die konfessionsübergreifende Idee fand Verbreitung, zumal auch in anderen Ländern ähnliche Vereine entstanden. Der damalige Generalsekretär des CVJM in Genf, Henry Dunant, der spätere Gründer des Roten Kreuzes, hatte die Idee für eine Weltkonferenz. Die Pariser Erklärung von 1855 ist heute die Basis jeder CVJM-Arbeit, die Glaubenswurzel, aus der ein globales Netzwerk wuchs. 1862 entstand der erste YMCA in Kanada, 1880 in den USA, 1883 schlossen sich in Berlin erstmals Jünglingsvereine unter den Namen CVJM zusammen.
Das rote CVJM-Dreieck kam 1891 dazu. Es symbolisiert die drei Pfeiler Körper, Seele und Geist. So gehört auch Sport von Anfang an dazu. Aus dem CVJM gingen sogar eigene Sportarten hervor. Basketball wurde 1891 als weniger kampfbetonter Hallensport in Amerika erfunden und kam an der YMCA-Sportschule in Springfield, Massachusetts, erstmals zum Einsatz. 1895 wurde Volleyball in den Reihen des YMCA in den USA etabliert.
119 Nationalverbände gibt es heute. Der deutsche Gesamtverband sitzt in Kassel, wobei die Basis bei der CVJM-Struktur wichtiger ist als das Dach. So sind fast alle Ortsgruppen eigene Vereine, die manchmal gar nicht dem Landesverband angehören. Fast überall sind die Gruppen heute für Männer und Frauen offen. In Deutschland wurde der „Christliche Verein junger Männer“ in den 1970er-Jahren in „Christlicher Verein junger Menschen“ umbenannt. Der CVJM versteht sich bis heute international und überkonfessionell, wenn er auch hierzulande eine hauptsächlich evangelische Bewegung ist. In jedem Fall war er eine europäische Initiative zu einer Zeit, als Europa den Nationalismus für sich entdeckte. Andreas Steidel
Treffen in London
Fünf Tage lang, vom 4. bis 8. August, treffen sich Tausende Jugendliche aus mehr als 100 Ländern zur Feier des 175. Geburtstags der Jugendbewegung in London. Bei der Veranstaltung „YMCA175“ belegen sie unter anderem Workshops und können an Vorträgen teilnehmen. Im Zentrum stehen die drei Pfeiler des CVJM: Körper, Seele und Geist. So ist Sport genauso ein Thema wie Umweltbewusstsein oder gesellschaftliches Engagement. Vom CVJM Pfalz reist eine rund sechsköpfige Gruppe, darunter der Landessynodale Michael Wilking vom CVJM Erfenbach, mit dem Auto in die britische Hauptstadt. Übernachtet wird in einer ehemaligen Kirche. flor