Und ein Stall voll Mut und Zuversicht

von Hartmut Metzger

Hartmut Metzger

So deutlich wie selten zuvor führt uns das Kind in der Krippe in diesen Tagen die Zerbrechlichkeit der menschlichen Existenz vor Augen. Bischof Wiesemann und Kirchenpräsident Schad äußern sich in einem gemeinsamen Wort zu Weihnachten 2020: ein Zeichen ökumenischer Verbundenheit und ein Zeichen gelebter ­Solidarität in der Zeit der Corona-Pandemie (Wortlaut siehe Link am Ende des Textes).

Im Vergleich zur ersten Welle der Pandemie hat sich die Situation zugespitzt, das persönliche und berufliche Leben der Menschen aber kaum verändert. In der zweiten Welle ist die Zahl der täglichen Neuinfektionen fast zehnmal höher als im April. Geblieben sind die gleichen Maßnahmen der Politik und die bedrückende Ungewissheit, in der viele Menschen leben. Keiner weiß, wie es in den nächsten Wochen weitergeht. Das führt zu Verunsicherungen, zu Forderungen nach zuverlässigen Strategien und zur Suche nach dem Sündenbock.

Es stimmt ja, dass seit dem Frühjahr wertvolle Zeit verstrichen ist und keine Strategie entwickelt wurde. Die große Mehrheit der Bevölkerung ist mit der Corona-Politik von Bund und Ländern zwar einverstanden. Aber nach den Erfolgen des ersten Lockdowns im Frühjahr hat das sogenannte Präventions-Paradoxon seine Wirkung voll entfaltet. Je besser die Vorsorgemaßnahmen greifen, desto weniger erschließt sich den Leuten im Nachhinein der Sinn: Ist doch alles halb so schlimm. Nun hat die Corona-Pandemie das ganze Land im Griff. In der Politik und in den Medien werden Schuldige gesucht: Der aktuelle Lockdown sei nur der Versuch einer Notbremsung, eine Strategie für den ganzen Winter müsse her. Anders als im Frühjahr sei die Politik in der zweiten Welle ein ziemliches Desaster – sonst würden sich ja die Todeszahlen nicht so entwickeln, wie sie es tun. Aber vielleicht haben wir ja Glück, und der Lockdown reicht, um die Zahlen massiv zu senken.

Eigentlich sind all diese Deutungsversuche nur Ausdruck enttäuschter Hoffnungen und vielleicht auch der Vermutung eigenen Versagens. Zum einen wurde der rechte Umgang mit einer Corona-Pandemie im dunklen und feucht-kalten Winter bisher noch nicht geprobt, und zum anderen bereitet die Ungewissheit – wer weiß schon, was die Zukunft bringt – vielen Menschen große Probleme.

Was diese Krise lehrt, ist sicherlich nicht die Gewissheit, dass menschliche Weisheit – und sei sie im Bundestag versammelt oder gar im Bundeskanzleramt präsent – alle Probleme passgenau per Verordnung lösen kann. Sie lehrt uns eher eine neue Bescheidenheit, die zur Krippe in Bethlehem zurückkehren lässt. Gerade Weihnachten 2020 macht Hoffnung auf eine ­Zukunft, in der Menschen füreinander einstehen. Nicht erst dieses Virus hat uns gezeigt, dass diese Zeit nach einer weltweiten Solidarität verlangt. Auch dafür gibt uns diese Krippe einen ganzen Stall voll Mut und Zuversicht.

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