Seifenblasen und ein Altar auf alten Motorradreifen

Pfarrer Tilo Brach traut Brautpaar vor der Biker-Kneipe „Route 66“ in Niederauerbach – Ein hohes schwarzes Altarkreuz aus Motorradketten

Sonjas Erzieherkolleginnen stehen mit Kindern Spalier: Das Brautpaar und hinter ihnen Pfarrer Brach beim Einzug. Foto: Steinmetz

Dieser Hochzeitsgottesdienst ist unkonventionell: Weil Sonja und Peter im Freien heiraten wollten, haben sie sich den Platz vor ihrer Lieblingskneipe ausgesucht. Ein Faltpavillon ist links neben der Motorradkneipe „Route 66“ im Gewerbegebiet von Zweibrücken-Niederauerbach aufgebaut und spendet bei 34 Grad Celsius etwas Schatten. Zwei filigrane gusseiserne Stühle warten auf die Brautleute. Dahinter und daneben hat ein Teil der Hochzeitsgesellschaft bereits an den Bierzeltgarnituren Platz genommen. Die Füße des Altars bestehen aus alten Motorradreifen, auf der Altarfläche mit einer blitzsauberen weißen Damasttischdecke steht ein Strauß mit Sonnenblumen, hinter ihm erhebt sich ein rund 80 Zentimeter hohes schwarzes Kreuz aus Motorradketten.

Als Sonja und Peter in legerer Kleidung auf der Harley-Davidson angebraust kommen, klatschen die Gäste begeistert. „Der sieht Rötger Feldmann ähnlich, der die „Werner“-Comics zeichnet“, sagt ein vorbeikommender Biker über den Bräutigam. Zu beiden Seiten des schmalen Zugangs haben sich Sonjas Erzieherkolleginnen – jede im kleinen Schwarzen – aufgestellt und intonieren Mendelssohns Hochzeitsmarsch in „Laa-Laa-La-La“. Kleine Kinder zücken statt Reis Pustefix-Fläschchen und produzieren lustige Seifenblasen, die über dem Brautpaar und Pfarrer Tilo Brach aufsteigen.

Der Gemeindepfarrer aus dem benachbarten Winterbach feiert seit 14 Jahren Motorradgottesdienste, Sonja und auch Peter waren dort Besucher. Der Pfarrer zieht sich vor der Gesellschaft den Talar über, lässt sich von Ehefrau Elisabeth das Beffchen zurechtrücken und nickt Beschaller Rolf Lehnberger zu. Der startet seine Hifi-Anlage mit dem Gottesdienst-Eingangslied „Ist da jemand“ von Adel Tawil. Statt Gesangbuchlieder folgen „Heaven“ von Bryan Adams, „The Rose“ und zum Abschluss „Lass uns leben“ von Marius Müller-Westernhagen.

Tilo Brach lässt sich durch die auf der nahen Gewerbestraße vorbeiröhrenden Harleys und amerikanischen Straßenkreuzer nicht aus dem Konzept bringen. „Gott hält dich an seiner Hand, auch wenn die Welt Kopf steht“, gibt er dem Hochzeitspaar mit. Denn für Sonja, Leiterin der Bewegungs-Kindertagesstätte Röntgenstraße der Versöhnungskirchengemeinde in Zweibrücken, hat die Welt vor zwei Jahren Kopf gestanden, als die damals 49-Jährige ihren ersten Mann durch eine Krebserkrankung verlor. Unter den vielen Trauerkarten für sie war eine selbst entworfene von Peter. Ihn kennt sie schon seit über 20 Jahren aus dem Motorradclub. Sie bedankte sich persönlich, und beide merkten, dass sie viel gemeinsam haben.

Für den Pfarrer ist es die erste Biker-Hochzeit. „Ich hatte schon öfter Biker-Beerdigungen zu gestalten. Aber es ist schön, auch mal einen so freudigen Anlass zu haben“, sagt Brach. Ebenso ist auch „Route 66“-Wirt Manfred Behrend zumute. „Wir haben hier öfter Beerdigungsgesellschaften von Harley-Bikern. Dies ist die erste Hochzeitsfeier, und ich hoffe, es folgen noch weitere“, sagt er hoffnungsfroh.

Tina Müller freut sich sehr für den 55-jährigen Bräutigam Peter. „Ich dachte schon, er bleibt der ewige Junggeselle. Peter hat die Frau seines Lebens gefunden, und für mich ist es die Hochzeit des Jahrhunderts“, meint Peters Kollegin vom Caritas-Wohnheim für psychisch kranke Menschen in Lautzkirchen sichtlich bewegt. Uta Lauer fungierte als eine von zwei Trauzeuginnen. „Ich bin Köchin im Kindergarten von Sonja, und das war jetzt eine große Ehre für mich. Wir sind alle glücklich, dass ihr nach all dem Leid nun dieses Glück zuteilwird. Den Ort finde ich höchst originell“, meint sie.

Einige Motorradfahrer, die das zeitgleich stattfindende Chopper- und US-Car-Treffen auf dem Gelände an der Biker-Kneipe besucht haben, sitzen jetzt drinnen. Als Pfarrer Brach nach dem Gottesdienst mit dem Brautpaar und ihren Trauzeugen die Gaststätte betritt und die kleine Gesellschaft die Sektgläser erhebt, prosten ihnen die Biker freundlich zu. Ingelore Dohrenbusch

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