Ort mit weitem Zukunftsspektrum

Zehn Jahre nach dem Aus als kirchliches Tagungshaus steht die Keysermühle auf solidem Fundament

Legt Wert auf Nachhaltigkeit und Werte: Christiane Steinmetz, Leiterin der Bürgerstiftung, auf der neuen Terrasse. Foto: Iversen

Unter azurblauem Himmel, eingebettet in ein sommerliches Ambiente aus floraler Üppigkeit, postet das Stiftsgut Keysermühle nichts als pure Lebensfreude. Im von imposanten Baumriesen beschirmten Park erzählen Pavillons, Zelte und Biergarnituren von den Festivitäten des Wochenendes. Auf dem neu gestalteten Terrassenbereich vor der Remise, dem großen Veranstaltungssaal, ordnet die Chefin gerade mit zwei Helfern die Kissen der Sitzgruppen.

Christiane Steinmetz, Leiterin der Bürgerstiftung Pfalz, hat hier, am vielleicht schönsten Platz der Südpfalzgemeinde Klingenmünster, ihren administrativen Sitz. Und sie hat dieses Haus, dieses Anwesen vor zehn Jahren aus der damals brüchig gewordenen Existenz als landeskirchliches Tagungshaus einer neuen, bislang überaus erfolgreichen Bestimmung zugeführt. Ein Integrationsbetrieb, wie ihn die Landeskirche nicht nachhaltiger hätte erfinden können.

1986 hatte die Landeskirche ihr ehemaliges Pfarrer-Erholungsheim modernisiert, erweitert und als „Johann-Sebastian-Bach-Haus“ zum Tagungshaus vor allem für die Kirchenmusik neu ausgerichtet. Aus wirtschaftlichen Gründen trennte sich die Landeskirche 2009, nach nur 23 Jahren, von der Einrichtung. Sie sah wohl keine Chance, das Haus für einen wirtschaftlichen Betrieb neu auszurichten und zu erhalten.

Wie das hätte funktionieren können, hat die Bürgerstiftung vorgemacht. Nach zehn Jahren, weitreichenden Modernisierungs- und Rentabilitätsmaßnahmen, die längst nicht alle abgeschlossen sind, arbeitet das schmucke Drei-Sterne-Haus gewinnoptimiert. Pelletheizung, Niedrig-Energie, Barrierefreiheit, 71 Betten, sämtliche Zimmer mit Bad, optimale Auslastung sind einige Kennzeichen des Erfolgs. Das zukunftsorientierte Konzept ist nicht vordergründig auf Gewinn ausgerichtet, sondern basiert vor allem auf einem kompromisslos klaren Wertekatalog. Und dafür gab’s auch schon jede Menge Preise und Zertifizierungen, unter anderem den Deutschen Stifterpreis 2019.

„Wir haben zu Beginn sehr viel Lehrgeld bezahlt“, räumt Christiane Steinmetz ein, die keine Betriebswirtin, sondern von Hause aus Pfarrerin der pfälzischen Landeskirche ist. Freigestellt. Aber was sie an fundamentalen Wertmaßstäben in ihre neue Profession einbringen konnte, wirkt ungleich schwerer. Das andere ließ sich lernen. Zur Hilfe kam ihr da zwischenzeitlich der Zufall. Ein ehemaliger Finanzvorstand der Hotelkette Steigenberger hatte sich in Klingenmünster niedergelassen. Und setzte Steinmetz – ehrenamtlich, versteht sich – in Sachen Betriebsführung und Finanz-Controlling auf die zielführende Spur. „Heute habe ich ein Planungssystem, das mich immer zeitnah reagieren lässt; mit Maßnahmen, die dann auch greifen.“

24 Hauptamtliche beschäftigt die Bürgerstiftung im Stiftsgut und auf der Burg Landeck, dazu 20 Auszubildende, geringfügig Beschäftigte und Teilnehmer der Aktion „Budget für Arbeit“. Und eben zusätzlich 20 Menschen mit Einschränkung geistiger, körperlicher oder psychischer Art. „Letztere sind am betreuungsintensivsten“, betont Christiane Steinmetz. „Zum Beispiel haben wir drei Autisten. Damit muss das jeweilige Team umgehen lernen.“ Personalführung und –schulung sind daher ein großes und zeitintensives Thema. „Wir haben diese Mitarbeitenden in allen betrieblichen Bereichen, Verwaltung, Zimmerservice, Küche, Restaurant und Gartenpflege. Und wir sind stolz auf die Integration, wie sie hier funktioniert. Die Teams unternehmen auch privat etwas zusammen. Und unsere behinderten Menschen sind immer dabei. So etwas ist nicht selbstverständlich.“

Schwerpunkt im Alltag des Stiftsguts sind nach wie vor die Tagungen. Die Klientel kommt teils aus der Wirtschaft – Daimler, Siemens, nicht zuletzt aber auch konzeptzugewandte Unternehmen wie Alnatura. „Aber auch kirchliche Einrichtungen sind regelmäßig zu Gast, die Caritas zum Beispiel und – ja, gerade eben – der protestantische Landeskirchenrat“, freut sich Steinmetz.

Dass sich allmählich ein spezielles Profil im Gästestamm herauskristallisiert hat, verbucht Steinmetz auf der Seite Werteorientierung. „Unser Konzept überzeugt.“ Das setzt auch im Bereich Gastronomie auf Nachhaltigkeit und Achtung vor der Schöpfung. „Produkte regionaler Erzeuger aus Bio-Anbau beziehungsweise artgerechter Aufzucht machen bei uns 80 Prozent des Einkaufs aus. Der eigene Wildkräutergarten im Stiftspark, vor allem aber das Projekt ,Zukunftsgarten‘, das auf den Brachen der Kaiserbacher Mühle und in Zusammenarbeit mit dem Verein ,Lobby für Kinder‘ mittlerweile Erträge liefert, tragen dazu bei.“

In schmalen, ausschließlich per Hand bewirtschafteten Gemüsebeeten wird dort gemeinsam mit Lernpaten Gartenbau betrieben. So werden wöchentlich etliche Steigen erntefrischer Mairübchen, Zucchini, Kohlrabi und Mangold direkt in die Küche der Keysermühle geliefert.

Weitere Projekte dieser Art sind geplant, um Brachen zu renaturieren, beispielsweise durch Streuobstwiesen. Projekthilfe zur professionellen personellen Ausstattung haben diesmal die Postcode-Lotterie und die BASF geleistet – im Rahmen von „Gemeinsam Neues schaffen“. Und ganz ohne Chemie.

Apropos Kinder: Die einstmals etwas düstere Kellerbar der Keysermühle hat sich – mit Fluchtweg nach draußen und viel kindgerechtem Charme – zur fröhlichen Kantine für rund 25 Steppkes aus der unmittelbar benachbarten Kindertagesstätte gemausert. Jeden Mittag zieht die fröhliche Schar mit ihren Erzieherinnen zu den leckeren Fleisch- und Gemüsetöpfchen der Keysermühle. Die Grundschule Gleishorbach hat sich ebenfalls eingeklinkt, dass die Klingenmünsterer Schule nicht auch eingeschlagen hat, bedauert Christiane Steinmetz.

Mit dem oben schon erwähnten Ausbau des Terrassenbereichs auf jetzt 80 Plätze, der bevorstehenden Modernisierung des Küchenareals reagiert Steinmetz auf die steigende Zahl der Anfragen für Festivitäten. Hochzeiten, Geburtstage, A-la-carte-Geschäft und Tagungsgäste – das will zu aller Zufriedenheit unter einen Hut gebracht werden. Und fünf neue Arbeitsplätze, davon vier für Menschen mit Einschränkungen, hat die von der Aktion Mensch gestützte Maßnahme ebenfalls beschert.

Zwei Preiskategorien gibt es, die Steinmetz „Profit“ und „Non-Profit“ nennt. Kirchliche Gruppen zählen zur Letzteren; mit kleinen Einschränkungen im Service und Essensangebot kann sie da günstiger kalkulieren. Die „Profits“ – das sind Touristen und vor allem Firmen und Körperschaften, die sich das Nachhaltigkeitskonzept etwas kosten lassen. Und auch die „Schnick-Schnack-Extras“. Da wird schon mal ein Yoga-Kurs organisiert, eine Exkursion oder Weinprobe angeboten, und es gibt auch jede Menge Kultur direkt im Haus. 32 Veranstaltungen pro Jahr, Klassik, im Verbund mit der Musikhochschule Karlsruhe, Jazz-Events und Ausstellungen.

Und da ist noch die Burgschenke auf der Landeck – „eine Milchkuh“, wie Steinmetz unumwunden zugibt. „Das läuft einfach fabelhaft, auch mit unseren werteorientierten Maßgaben, die unter anderem beinhalten, dass das Personal über die außerbetriebliche Winterzeit nicht entlassen wird. Der Bürgerstiftung sind mittlerweile sieben Treuhandgesellschaften angegliedert. Und im Folgeprojekt der ehemaligen kirchlichen Kneipe „Kreuz und Quer“ in Landau wird die Stiftung ebenfalls mit einsteigen. Gertie Pohlit

Meistgelesene Artikel