Mit der Fahrrad-App auf den Spuren der Demokratie

Schüler aus Frankreich und Deutschland setzen mit interaktivem Kunstwerk Zeichen für Europa – Neuinszenierung einer Aktion von 1950

Unterwegs zum ehemaligen Zollhaus: Die deutschen und französischen Schüler mit Teilen des Triptychons. Foto: pv

Mit einer selbst entwickelten Fahrrad-App wollen sich Schüler der Berufsbildenden Schule (BBS) Neustadt und des Lycée Hurlevent im lothringischen Behren-Lès-Forbach auf „Spurensuche“ zur deutschen und französischen Demokratiegeschichte begeben. Erste Station des Projekts ist das Europadenkmal St. Germanshof in Bobenthal an der deutsch-französischen Grenze.

An der Stelle, wo vor rund 70 Jahren Studenten verschiedener Nationen für ein freiheitliches, grenzenloses Europa demonstriert hatten, soll am 4. Juni um 18 Uhr ein von den französischen und deutschen Schülern erarbeitetes, interaktives Triptychon eingeweiht werden. Besucher können „Liebesschlösser“ als Bekenntnis zu Europa an dem Metallkunstwerk hinterlassen.

Die Aktion des Jahres 1950 soll neu inszeniert werden, erklärte Pfarrer Reinhard Weber, evangelischer Religionslehrer an der BBS Neustadt. Statt wie die Studenten damals mit einer Säge dem Schlagbaum zu Leibe zu rücken und Grenzen einzureißen, gehe es aber jetzt um den Erhalt eines freien Europas. „Es besteht derzeit die Gefahr, dass vieles kaputtgeht, was wir für selbstverständlich erachten.“ Doch gerade der Erfolg von Europa lasse viele das nicht sehen.

Grenzregionen wiederum böten viele Möglichkeiten, bei jungen Menschen mit verschiedenen Aktionen das Bewusstsein für europäische Geschichte zu schärfen und somit die europäische Identität zu stärken, sagt Weber. Zur Vorbereitung des Projekts hatten die Teams den 93-jährigen Matthias Heister, Zeitzeuge des Studentensturms auf die deutsch-französische Grenze, nach Neustadt eingeladen.

Weber betreut zusammen mit Dennis Bug und Peter Dietz vom Team Fachpraxis Metall das Projekt auf deutscher Seite. Seit einigen Jahren schon besteht eine Partnerschaft mit der Schule in Behren-Lès-Forbach. Sie ist aus einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Akademie Nancy-Metz und dem Pädagogischen Landesinstitut in Rheinland-Pfalz hervorgegangen. Diese wird nicht durch touristische Besuche, sondern durch gemeinsame Aktionen an insgesamt zwei Wochen pro Jahr belebt. Zwar sprächen die Berufsschüler kaum französisch, die Franzosen kein Deutsch, sagte Weber. Dennoch klappe die Verständigung beim gemeinsamen Arbeiten gut. Diese Treffen seien die „besten Präventionsmaßnahmen gegen Populismus“. Die Jugendlichen sehen, dass sie von Europa profitieren.

Das Modell, das über das europäische Projekt Sesam-GR gefördert werde, habe Mehrsprachigkeit, die Entwicklung von Kompetenzen für eine demokratische Kultur und bürgerliches Engagement sowie grenzübergreifende Berufsausbildung zum Ziel. Themen wie die Bewahrung der Schöpfung und der achtsame Umgang mit Ressourcen, gegenseitige Wertschätzung und Wertebildung würden im Fach Evangelische Religion behandelt, so Weber. „Über die konkrete Umsetzung sprechen wir uns im Team ab, sodass eine enge Verzahnung von praktischer Arbeit und theoretischem Unterricht stattfindet.“

Eine weitere Station auf der Strecke zwischen Neustadt und Forbach beziehungsweise zwischen Forbach und Straßburg könne beispielsweise die Jugendbegegnungsstätte Albert Schweitzer in Niederbronn les Bains sein, sagt Weber. Hier wurde erst am vergangenen Samstag ein Erweiterungsbau eingeweiht. Insgesamt sollen fünf bis zehn Stationen entwickelt werden.

Geplant sind hier sogenannte Kilometersteine, auf denen mit dem Smart­phone Informationen abgerufen werden können. Die Fahrrad-App ist nach dem Bau von Büchertauschkabinen das zweite gemeinsame Projekt der Schülerteams aus Neustadt und Forbach. Betreuer auf französischer Seite sind Pascale Gallo, Jean Michel Egloff, Michel Kratz und Schulleiter Bernard Fister. Am Lycée Hurlevent in Forbach absolvieren die Schüler eine Ausbildung für Grafik und Design. KB

 

 

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