Langer Atem nötig fürs WG-Wohnen

Seniorenwohngemeinschaften sind nachgefragt – Land unterstützt Kommunen bei der Investorensuche

In Neuburg steht Bewohnerin Irmgard Sent (links) am Herd. Regelmäßig schaut Helferin Nicole Werner (rechts) vorbei. Foto: Iversen

Selbstbestimmtes Leben im Alter: Mitglieder der Senioren-Wohngemeinschaft in Neuburg bereiten ihr Mittagessen vor. Foto: Iversen

Das Alter in einem Seniorenheim zu verbringen oder alleine zu ­Hause, ist für viele Menschen keine schöne Vorstellung. Eine dritte Möglichkeit sind Seniorenwohngemeinschaften (WG). Weil es an solchen Plätzen mangelt, fördert diese das Land Rheinland-Pfalz. Das Projekt Wohnpunkt Rheinland-Pfalz richtet sich speziell an Kommunen unter 5000 Einwohnern, die versuchen, in eher ländlichen Gebieten Wohn-Pflegegemeinschaften zu schaffen. „Das ist wie eine WG mit ambulanten Dienstleistern“, sagt Pet­ra Mahler, Referentin in der Landesberatungsstelle Neues Wohnen RLP. Seit 2014 hat das Land 33 Modellkommunen mit insgesamt mehr als einer Million Euro gefördert. Mit ganz unterschiedlichem Ausgang.

Im südpfälzischen Neuburg bezogen 2018 nach rund einem Jahr Bauzeit zwölf Senioren eine Pflege-WG, die der dortige Bürgerverein auf den Weg gebracht hatte. Bereits 2010 hatte sich dieser gegründet, mit dem Ziel, allen Bürgern zu ermöglichen, zu Hause alt werden zu können. 2017 erwarb der Verein mittels Crowdfunding beispielsweise einen Bürgerbus, der Patienten zum Arzt bringt. Eine Million Euro wurden in den Bau der Senioren-WG investiert, knapp 300000 Euro Zuschuss kamen von der Deutschen Fernsehlotterie. „Dieses Eigenkapital hat uns geholfen, den Kredit zu bekommen“, sagt die Bürgervereinsvorsitzende Arnika Eck.

Um eine gute Auslastung zu gewährleisten, wurde auch Menschen aus Nachbarorten der Einzug ermöglicht. Vier Personen stehen auf der Warteliste, wer den Zuschlag der Bewohner bekommt, darf erst einmal zwei Wochen Probe wohnen. Nachdem ein Jahr lang die Ökumenische Sozialstation Hagenbach-Kandel-Wörth für den ambulanten Pflegedienst verantwortlich war, hat sich zu Ende März der Bürgerverein von dieser getrennt. Stattdessen wird sich der neu gegründete Verein Wohnpflege um die Bewohner kümmern. Neun Mitarbeiter hat er bereits aquiriert, sagt Eck.

Doch mit der Beratung vom Land ist der Weg zur Wohngemeinschaft nicht unbedingt vorgezeichnet. „Dass wir 2014 eine der ersten Modellkommunen wurden, hat uns letztlich nicht viel mehr gebracht als Aufmerksamkeit“, sagt der Ortsbürgermeister von Minfeld, Manfred Foos. „Wir haben uns verschiedene Senioren-WGs angeschaut, das hat uns nicht gefallen“, sagt Foos. „Wenn man sein Leben lang selbstständig gewohnt hat, will man sich nicht plötzlich ein Bad teilen.“ Stattdessen will die BF Baubetreuungs GmbH nun im Ort sieben Seniorenwohnungen bauen und Raum für 20 Tagespflegeplätze. Das größte Problem sei gewesen, einen Investor zu finden, sagt Foos. Der letzte sprang 2017 nach drei Jahren Planung ab, das Projekt stand kurz vor dem Aus. Und jetzt, wo das ganze Fahrt aufnehme, formiere sich Widerstand von Anwohnern, die eine Beeinträchtigung der Parksituation im Ort befürchten.

Solchen Widerstand kennt Bernd Klein. Der Geschäftsführer der Cibek GmbH wurde vor einigen Jahren von der Ökumenischen Sozialstation Limburgerhof angesprochen, ob er sich vorstellen könne, sein ehemaliges Firmengebäude zu einer Senioren-WG umzubauen. Eine schon länger bestehende Seniorenwohngemeinschaft, die in der Pro Seniore Residenz Neu­hofen eingemietet war, musste ausziehen. Das Firmengebäude, das mit viel Hightech des Haustechnikanbieters ausgestattet ist, sei ohnehin schwer an Einzelpersonen oder Familien zu vermieten gewesen, sagt Klein. „Und ich fand es von der Idee her gut.“ Rund 120000 Euro steckte er in den Umbau, nahm beim Thema Vertragsgestaltung Kontakt zur Landesberatungsstelle auf.

Was folgte, war ein Gerichtsprozess mit einem Nachbarn durch zwei Instanzen. Dieser wollte keine Alten-WG in dem Wohngebiet, befürchtete unter anderem eine unzumutbare Lärmbelastung, berichtet Klein, der allerdings am Ende Recht bekam.

Jetzt gibt es eine lange Liste von Interessenten für die Wohngemeinschaft Pauline. Grundgedanke ist, dass die Bewohner, für die der Pflegedienst der Sozialstation 24 Stunden zur Verfügung steht, noch fit sind, wenn sie einziehen. Die Entscheidung, wer reinkommt, treffen sie selbst. „Die Mutter eines Freundes lebt drin“, sagt Klein. Und er könne es sich auch irgendwann einmal vorstellen. Als Investition müsse er das ganze sicher auf lange Zeit betrachten.

Dies sei der Grund, weshalb es vielerorts so schwierig sei, die gute Idee Investoren schmackhaft zu machen, ist Hartwig Schneider, seit Mitte vergangenen Jahres Ortsbürgermeister im westpfälzischen Martinshöhe, überzeugt. „Wer übernimmt die Miete, wenn die Leute das nicht mehr zahlen können?“, solche Fragen würden gestellt. Während im Premiumbausegment Neubauten kein Thema seien, sehe es bei Wohnungen, die sich auch Menschen auf Sozialhilfeniveau leisten könnten, deutlich anders aus. Die Renditen seien einfach geringer, da würden auch Fördergelder nichts helfen, sagt Schneider. Er habe das Leader-Projekt der EU gegenüber einem Investor ins Spiel gebracht. Der habe abgewunken mit dem Argument, dass das Bauen nach den Vorschriften für die Förderung die Extragelder schon wieder auffressen würden. Der Bürgermeister lobt dennoch das Projekt Wohnpunkt RLP, das ihn immerhin mit dem jetzigen Interessenten für den Bau einer Wohngemeinschaft zusammengebracht habe. Er will bis Mitte des Jahres Pläne vorlegen. Allerdings ist Schneider gewarnt. Schon einmal sei ein Investor abgesprungen, der Modellkommune Großsteinhausen in der Verbandsgemeinde Zweibrücken-Land sei es genauso gegangen.

Referentin Mahler sieht das Konzept dennoch auf einem richtigen Weg – auch wenn laut Zahlen des Ministeriums vom Februar dieses Jahres erst drei Modellkommunen Wohn-Pflege-Gemeinschaften eröffnet hatten. Fünf weitere sind in den Startlöchern. „Wir werden viel angefragt, bundesweit“, sagt Mahler. Und dennoch: Viele Menschen wollten nicht raus aus dem Haus und hielten sich mithilfe von Dienstleistern mehr schlecht als recht über Wasser. „Hier müssen wir viel mehr sensibilisieren, wie sich Menschen das Altwerden vorstellen und was für Möglichkeiten es gibt.“ Florian Riesterer

Lieber zusammen als allein

Neben dem Projekt Wohnpunkt RLP gibt es weitere Wohnformen, zu denen die Landesberatungsstelle Neues Wohnen informiert.

Beim Generationenwohnen nach dem Bielefelder Modell entwickeln Kommunen und Bauträger in Absprache Wohnquartiere mit barrierefreien Wohnungen für ältere Menschen oder Menschen mit Behinderung. Treffpunkt ist ein Wohncafé. Alle Mieter können auf Hilfs- und Betreuungsangebote eines sozialen Dienstleisters zurückgreifen, bezahlen dies aber nur im Bedarfsfall. Bereits verwirklicht ist unter anderem das Projekt „Nils“ in zwei Stadtvierteln in Kaiserslautern und PS! Patio in Pirmasens.

Beim gemeinschaftlichen Wohnen suchen sich Gruppen Immobilien. ­Beispiele sind die Wohnerei Kusel sowie die Projekte „Wohnen mit Freun­den“ in Ludwigshafen-Oggersheim und „Zamme Ziehe“ in Edenkoben. Im Internet können Mieter und Vermieter auf Seiten wie www.wohnprojekte-portal.de zusammenkommen. Informationen zu aktuellen Wohnprojekten und Fördermöglichkeiten finden sich auf www.lzg-rlp.de. flor

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