Kuscheln ­ausdrücklich ­erwünscht

Esel sind als Tiere zur Entschleunigung gefragt wie nie – Ein Blick in die Pfalz • von Janina Croissant

Widerlegt die Annahme, dass Esel zwangsweise grau sein müssen: Doris Dühr-Bien mit ihren Lieblingen auf dem Eselpferdehof Südpfalz in Böchingen. Fotos: Croissant

Deutlich unbeweglicher und...

...dennoch ein Hingucker: Die Kunstesel im Dörfchen Eschbach.

Stur, starrsinnig, eigenwillig – der Volksmund schreibt dem Esel viele negative Eigenschaften zu. Dabei kommt dem Tier schon in der Bibel, in der es rund 120-mal Erwähnung findet, eine außergewöhnliche Stellung zu: Jesus reitet an Palmsonntag auf einem Esel in Jerusalem ein, somit erfüllt sich die Verheißung der Propheten: „Hosanna dem Sohn Davids! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn. Hosanna in der Höhe!“, rufen die Menschen und wedeln Mensch und Tier mit Palmzweigen zu.

Dass der Esel in der Bibel so häufig Erwähnung findet, liegt daran, dass er bis heute im Vorderen Orient ein weitverbreitetes und genügsames Nutztier ist. Doch auch in der Pfalz und darüber hinaus werden Esel immer beliebter – weniger als Lasttier denn als Mittel zur Entschleunigung.

Auf dem Eselpferdehof Südpfalz in Böchingen, einem Gnaden- und Begegnungshof, ist das sanfte Gemüt der Tiere bekannt. Neun Esel werden hier regelrecht verwöhnt. Sie stammen aus schlechter Haltung und haben bei Doris Dühr-Bien ein neues Zuhause gefunden. Im Stall stehen sie beieinander, futtern gemächlich, kabbeln sich und schmusen auch mal miteinander. „Das Futter müssen wir allerdings portionieren. Sonst werden die Esel schnell dick und haben mit Beschwerden zu kämpfen“, sagt die Tierärztin. Seit 2002 retten sie und ihre Helfer Pferde, Mulis, Esel und Rinder, päppeln die Tiere auf und bieten ihnen ein artgerechtes Gnadenbrot.

Im Jahr 2015 wurde der Verein „Eselpferdehof Südpfalz, Gnaden- und Begegnungshof“ gegründet, der inzwischen rund 60 Mitglieder zählt. Die Ziele: Eine artgerechte Haltung der Tiere, Aufklärung über Tierschutz und intensive Begegnungen zwischen Menschen und Tieren schaffen. Es gibt Projekte mit dem Naturschutzbund, Schulen und Kindergärten. Die Eselherde im Böchinger Stall könnte unterschiedlicher nicht sein: Einige Tiere haben die Größe von Pferden, andere sind recht klein gewachsen. Einige sind brav, andere Frechdachse. Die Fellfarbe variiert von weiß über grau gescheckt bis ins dunkle Braun. „Es ist wie bei uns Menschen. Alle sind unterschiedlich“, sagt Dühr-Bien und streichelt Eseldame Bella übers staubige Fell.

Dem allseits beliebten Vergleich mit dem Pferd hält der Esel nicht stand. Er ist kein Fluchttier, sondern bleibt bei Gefahr instinktiv stehen. „Mit einem gezielten Huftritt kann ein Esel einen Hund tödlich treffen“, sagt die Tierärztin. Es sei deshalb nicht artgerecht, Esel in einer Pferdeherde zu halten, auch wenn das für den Menschen „nett aussieht“. Während nebenan das 30-jährige Pferd Gladur, zu Deutsch „der Glückliche“, noch in aller Ruhe seinen Heubrei vertilgt, geht es für die Esel nach der gemeinsamen Mahlzeit ins große Freigehege, in dem sie ihre tierischen Freunde treffen. Außer den Eseln haben noch Rinder, Pferde und Maultiere in der Südpfalz ein Zuhause gefunden, nachdem sie für den Menschen „unbrauchbar“ wurden. Kuh Liselotte beispielsweise ist eine „Zwicke“, ein Zwilling, deshalb unfruchtbar und für die Industrie schlichtweg ein Abfallprodukt. Auf dem Gnaden- und Begegnungshof kann sie nun neben einer artgerechten Haltung auch regelmäßiges „Tierkuscheln“ genießen. Denn immer wieder kommen Besucher auf den Hof, die den Kontakt und die Nähe zu den Tieren suchen, sie putzen, streicheln und kuscheln. „Alle Tiere haben mehrere Paten, aber wir vergeben noch weitere Patenschaften“, sagt Dühr-Bien. Ab und zu bietet sie mit den Eseln auch Spaziergänge an – ein besonderes Erlebnis für Mensch und Tier.

Das weiß auch Susanne Burgdörfer vom „Haus der Familie“ in Landau, wo die Begegnung zwischen Mensch und Tier neuerdings im Programm steht. Mit den Eseln Alex und Pedro geht es für Erwachsene und Kinder an zwei Terminen auf Wanderschaft. Doch nicht nur in Landau, im gesamten Bundesgebiet werden vermehrt Wanderungen mit den Langohren oder „Tierkuscheln“ angeboten, bestätigt die Interessengemeinschaft der Esel- und Mulifreunde in Deutschland (Igem). „Erstmal freuen wir uns natürlich über das zunehmende Interesse an diesen wunderbaren Tieren. Denn durch den Kontakt mit ihnen lässt sich am besten das Wissen um und das Verständnis für die Esel aufbauen“, sagt Lisa Peter von der Igem. Der Esel sei von der Natur für das Wandern gemacht, da lange Wegstrecken in gemütlichem, gleichmäßigem Tempo seiner natürlichen Suche nach Nahrung entsprechen.

Vorurteile wie „dummer, störrischer Esel“ könnten auf den Mensch-Tier-Spaziergängen wunderbar widerlegt werden. Es gebe unter den zahlreichen Anbietern allerdings auch schwarze Schafe, die es mit der Tierhaltung nicht so genau nähmen, sagt Peter. Esel seien sehr menschenbezogen und neugierig, bestechen mit ihrer ruhigen, besonnenen Art und flößten den meisten Menschen weniger Angst ein. Dazu komme, dass die Langohren gerne kuschelten.

Bei so vielen schönen Eigenschaften verwundert es, dass die Tiere noch nie die Auszeichnung „Gefährdete Nutztierrasse des Jahres“ erhalten haben, die von der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH) bestimmt wird. Bisher sei der Poitou-Esel, eine gefährdete Großeselrasse, die nach der Region in Frankreich benannt ist, noch nicht vorgeschlagen worden, sagt Katrin Dorkewitz von der GEH. Nichtsdestotrotz seien Poitou-Esel-Züchter sehr engagiert und gut vernetzt. Esel- und Züchtertreffen sowie internationaler Austausch gehörten dazu.

Nur bedingt zum Schmusen geeignet sind dagegen die Esel in Eschbach, das selbstbewusst den Beinamen „Eseldorf“ trägt. Über dem Ort thront die Madenburg, auf der im 15. Jahrhundert die Ritter- und Turniergesellschaft „derer mit dem Esel“ hausten. Getreu dieser Tradition gibt es mittlerweile 39 sehr individuell gestaltete Kunstesel, die das Dorfbild zieren. Bei der Gestaltung der Figuren legten nicht nur Kindergärten und Schulklassen Hand an, sondern auch regionale Künstler wie Armin Hott und Xaver Mayer. Der neueste Eselzugang in Eschbach hat sogar eine Anreise von rund 100 Kilometern hinter sich und schon allerlei erlebt. Er stammt aus den Requisiten des Staatstheaters Darmstadt, wo er bereits die Bretter, die die Welt bedeuten, kennenlernen durfte.

Die „Eschbacher Eselei“ ist mittlerweile zu einer Touristenattraktion geworden, der Spaziergang durch das Örtchen ist sehenswert. Doch auch in der Nachbarschaft sind überall Bezüge zu den grauen Langohren zu finden. So lädt die „Dörrenbacher Eselbühne“ Theaterbesucher in die Südpfalz ein, der „Karnevalverein Bundenthaler Esel“ sorgt für Stimmung in der fünften Jahreszeit, aus der Lage „Mußbacher Eselshaut“ wird bei Neustadt ein guter Wein kreiert, und bei Deidesheim können sich Wandersleut’ auf die historischen Pfade des „Eselswegs“ begeben. Die Pfalz ist eben voller Esel.

Familienwanderung mit Eseln, Freitag, 26. April, und Freitag, 5. Juli. www.hausderfamilie-landau.de; Eselpferdehof Südpfalz, Telefon 06341/969999, www.eselpferdehof.de

Wandernd unterwegs auf historischen Eselspfaden – Zollgrenze zwischen Bistum Speyer und Kurpfalz

Im Wald bei Neustadt gab es einst zahlreiche Mühlen und einen aus heutiger Sicht kuriosen Umstand: Quer durch das Gebiet verlief bis 1794 eine Zollgrenze zwischen Bistum Speyer und Kurpfalz, die den Transport von Getreide und Mehl in Richtung Vorderpfalz erschwerte. Anstatt die ausgebauten Verkehrswege mit Pferdegespannen zu benutzen, wurden die Waren auf den Rücken von Eseln durch den Wald transportiert, um die unliebsamen Zölle zu umgehen.

Auf dem sogenannten „Eselsweg“ sind Wanderer heute noch auf den Pfaden der Lastentiere unterwegs und können deren Mühen nachvollziehen: Die „Knoppenweth“ auf 450 Metern Höhe will überwunden werden. Allerdings gibt es gleich vier Einkehrmöglichkeiten.

Los geht der zwölf Kilometer lange Rundweg am Waldparkplatz außerhalb von Deidesheim, der am Ende der Mühltalstraße liegt. Hier zeigt eine Wandertafel den Verlauf des historischen Eselswegs. Ein schwarzer Esel auf weißem Grund führt auf einen Pfad links des Weinbachs. Der Weg verläuft über einen knappen Kilometer leicht ansteigend bis zur „Waldschenke im Mühlental“. Durch das Kupferbrunner Tal gewinnen Wanderer nun schnell an Höhe, neben sich den Bach. Wie damals Esel und Mensch überwinden die Eselswegwanderer schließlich die „Knoppenweth“ und kommen an der in den Felsen gehauenen Schutzhütte „Hohler Fels“ vorbei. Das nächste Ziel ist das Forsthaus Benjental. Ab hier führen die Wegmarkierung „Rotes Dreieck“ und der Pfälzer Weinsteig zur „Alten Jagdhaus Looganlage“.

In Richtung Talmühle tauchen bald die ersten Häuser von Gimmeldingen auf. Entlang der Straßen „Im Tal“ und „Im Gelbwärts“ befand sich die einstige Grenze. Dann knickt der Weg rechts in den Fürstenweg ab, über die Stabenbergstraße geht es wieder zum Pfälzer Weinsteig. Er führt durch kleine Gassen und an der Kirche des Orts vorbei wieder in den Wald hinein. Nach einigen steilen Treppenstufen ist die Klausenkapelle erreicht. Sie wurde als Wallfahrtskapelle zu Ehren der vierzehn Nothelfer im Jahr 1350 errichtet. Nach einem guten Stück Weg durch den Wald, vorbei an der Waldgaststätte „Pfalzblick“ wird der Ausgangspunkt erreicht. cro

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