Kirchenwahlen können der Trumpf im Ärmel werden

Iranischer Christ engagiert sich in der Kirchengemeinde Mutterstadt – Asyl- und Klageverfahren abgelehnt – Neuer Anwalt fordert Akten an

In der Kirchengemeinde anerkannt: Mohammad Ghavi (Mitte) mit Günter Krick (links) und Pfarrer Heiko Schipper. Foto: Kunz

Seit mehr als eineinhalb Jahren wohnt Mohammad Ghavi in Mutterstadt. Der 22-jährige Iraner ist evangelischer Christ und Mitglied der Kirchengemeinde Mutterstadt. 2017 flüchtete er aus dem Iran nach Deutschland. Damals war er ein noch ungetaufter Christ und musste Hals über Kopf das Land verlassen, weil nach seinen Angaben die Religionspolizei des Landes eine Hauskirche ausgehoben hat, in der er öfter Gottesdienste mitgefeiert hatte. Eine Rückkehr in seine Heimat schließt er daher aus. „Konvertiten droht im Iran die Todesstrafe“, erklärt er in gutem Deutsch. In seiner Sprachkompetenz hat er derzeit die Stufe B1 erreicht und möchte sich weiterqualifizieren.

„Er ist jemand, der sich integriert, Umgangsformen hat, sich in der Gemeinde einbringt und dort anerkannt ist. Wir möchten, dass er bei uns bleiben kann“, sagt Gemeindepfarrer Heiko Schipper. Dafür engagiert er sich gemeinsam mit Presbyter Günter Krick nach Kräften.

Denn sowohl das Asylverfahren von Mohammad Ghavi wurde abgelehnt als auch sein Klageverfahren eingestellt – unverständlich nicht nur für Schipper und Krick. Auch Angelika Geist, bis 2016 gemeinsame Flüchtlingsberaterin der Stadt Speyer und der Diakonie Pfalz und seit einigen Jahren in Mutterstadt wohnend, hält die Vorgänge für höchst fragwürdig. Nach Angaben von Pfarrer Schipper ist die bisherige Arbeit des glücklosen iranischen Anwalts von Ghavi in Frankfurt am Main in den Blickpunkt geraten. „Ein im Iran verfolgter Christ, der sich hier hervorragend eingliedert, erhält in Deutschland kein Asyl?“ Für so hartherzig hält Heiko Schipper die deutschen Behörden nicht. „Ich habe den Anwalt in Frankfurt angerufen, er meinte Ghavi habe ihn nicht bezahlt. Ich weiß, dass das nicht stimmt“, berichtet der Pfarrer. Auch die Tatsache, dass sein Schützling kein Schriftstück vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) über die Einstellung des Klageverfahrens erhalten habe, mache stutzig.

„Fachleute haben uns gesagt, dass dieser iranische Anwalt möglicherweise für Konvertiten extra schlechte Arbeit abliefere“, meint Krick. Dies spiele der iranischen Staatsführung in die Karten, wenn Abgelehnte in ihre lebensgefährliche Heimat abgeschoben würden.

Durch die tatkräftige Hilfe des ökumenischen Arbeitskreises „Solidarität mit Ausländern“ in Mutterstadt konnte die Kirchengemeinde inzwischen die Weichen neu stellen. „Herr Ghavi hat jetzt einen ausgewiesenen deutschen Fachanwalt, der vom Gericht nun noch einmal die Akten über das Asyl- und das Klageverfahren angefordert hat“, informiert Schipper. Er zeigt sich zuversichtlich, dass der Asylsuchende, der zudem im März 2018 in der nordrhein-westfälischen Kirchengemeinde Dorsten-Holsterhausen getauft wurde und eine Taufurkunde vorweisen kann, auf neue Entscheidungen hoffen darf.

Derweil geht Mohammad Ghavi weiter seinem ehrenamtlichen Engagement in der Kirchengemeinde nach. Er besucht jeden Sonntag den Gottesdienst, fotografiert für den Gemeindebrief „Die Stimme“, ist Mitglied im Bibelkreis der Gemeinde, hilft in der Konfirmandenarbeit und vertritt Kirchendienerin Olga Werwein, wenn sie anderweitig eingespannt ist. „Ich bin froh, dass ich in der Kirchengemeinde so gut aufgenommen wurde“, freut sich der 22-Jährige. Als ihm eine ältere Dame aus der Gemeinde vor einem Jahr eine frei gewordene Einliegerwohnung vermietete, konnte er aus dem Asylbewerberheim in eigene Räume umziehen. Er hofft jetzt, dass er vom BAMF anerkannt wird, Asyl aus Glaubensgründen erhält und dann einer geregelten Arbeit nachgehen kann. „Ich möchte Mediengestalter werden“, sagt er.

Falls er kein Asyl erhält, holt die Kirchengemeinde ihren Trumpf aus dem Ärmel. „Wir haben ihn gefragt, und er ist bereit, als Presbyter bei den Kirchenwahlen am 29. November in Mutterstadt zu kandidieren“, beschreibt Pfarrer Schipper den Kirchenschutz. dob

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