Kirche will zu gesellschaftlichem Klimaschutz beitragen

Oberkirchenrätin Dorothee Wüst ist seit einem halben Jahr im Amt – Bildung als protestantischer Schlüsselbegriff und Querschnittsaufgabe

Sieht Bildung als Voraussetzung für gelingendes Leben: Oberkirchenrätin Wüst bei ihrer Einführung vor einem halben Jahr. Foto: Landry

Das Büro ist noch nicht fertig eingerichtet. Ein halbes Jahr nach ihrem Amtsantritt ist die neue Oberkirchenrätin Dorothee Wüst nach eigenen Worten noch in der Orientierungsphase. „Ich bin viel unterwegs und arbeite gelegentlich zu Hause in Kaiserslautern“, sagt sie. Aber wenn sie nach einem Jahr alles einmal gemacht habe, werde auch die Routine kommen.

Was sich bereits geändert habe, sei ihr Wahrnehmung der Landeskirche als Ganzes. Als Gemeindepfarrerin und Dekanin von Kaiserslautern habe für sie stark die Parochie im Vordergrund gestanden, sagt Wüst. Doch die Kirche verstelle sich Wege zu bestimmten Gruppen von Menschen, wenn sie immer nur nach dem Nutzen kirchlichen Handelns für die Kirchengemeinde frage. Auch die Arbeit gesamtkirchlicher Dienste und andere kirchliche Arbeitsfelder seien von großem Wert.

Die ganze Kirche im Blick hat Wüst schon durch ihre Zuständigkeit für die Bildungsarbeit. Bildung sei nicht nur ein protestantischer Schlüsselbegriff, sondern eine Querschnittsaufgabe, die fast alle Bereiche kirchlichen Handelns berühre. Es sei eine zentrale Aufgabe der Kirche, durch Bildung den Menschen zu helfen, ein gelingendes Leben zu führen. Bereits Jesus sei als Lehrer aufgetreten, und die Bibel sei ein Bildungsbuch, das Wege zu einem guten und gottgefälligen Leben beschreibe.

Der ganzheitliche Bildungsanspruch bedeute, Menschen so zu begleiten, dass sie das werden, was sie vor Gott schon sind, sagt Wüst. Denn Gott habe den Menschen zu seinem Bilde geschaffen. Und darin sei Bildung schon angelegt. Sie sei keine Nischenangelegenheit, kein exotisches Hobby der Kirche, sondern biblisch begründeter Auftrag. Kirchliche Bildungsarbeit setze bewusst einen Kontrapunkt zur gesellschaftlichen Entwicklung, alles unter dem Gesichtspunkt von Leistung und Nützlichkeit zu bewerten, sagt Wüst. Der Mensch sei vor Gott gerechtfertigt, er werde nicht dadurch mehr wert, dass er ökonomisch gut funktioniere. Das sei keine Absage an Leistung, aber eine Absage an einen zerstörerischen Druck durch fremde und eigene Erwartungen.

Zurzeit sei es besonders wichtig, dass die Kirche auch zum gesellschaftlichen Klimaschutz beitrage, sagt die Oberkirchenrätin. Als Kirche des Wortes müsse sie sich angesichts der um sich greifenden Hasssprache um eine gute Kultur der Sprache kümmern. Ständig würden öffentlich Grenzen überschritten und Tabus gebrochen. „Wir leben in einer Behauptungswelt, in der nicht mehr argumentiert wird.“ Die Gesellschaft müsse wieder zurück zum gemeinsamen Ringen um den richtigen Weg.

In dieser gesellschaftlichen Situation betreibt die Kirche nach Wüsts Worten mehr als nur Schadensbegrenzung. Sie begleite Menschen in ihrer Bildungsbiografie über Kindergärten, Religionsunterricht und Konfirmandenarbeit. Dort könnten junge Menschen den fairen Diskurs erlernen. „Wir wollen klarmachen, dass jeder Mensch die gleiche Würde hat und dass es nicht nur darum gehen kann, selbst gut wegzukommen.“

Doch Kirche alleine könne diese gesellschaftliche Aufgabe nicht schaffen, sagt Wüst. Besonders wichtig seien dabei die Familien. Doch vielfach seien Familien in einer finanziell und sozial schwierigen Situation. Deshalb wolle Kirche die Familien stärken. Um das alles leisten zu können, braucht die Kirche Personal. Wüst möchte daher das Berufsbild des Pfarrers gesellschaftlich wieder attraktiv machen und aus der Exotennische herausholen. Der Pfarrberuf sei erstrebenswert, nahe an den Menschen in allen Lebenslagen und eigne sich gut zur eigenen Persönlichkeitsbildung. Als Nächstes will die Oberkirchenrätin prüfen, ob es eine eigene Studienbegleitung der Pfälzer Theologiestudierenden an den am meisten von ihnen frequentierten Hochschulen Mainz, Heidelberg und Landau geben kann.

Besonders gefragt ist Wüst auf der kommenden Herbsttagung der Landessynode. Dort ist Bildung das Schwerpunktthema. Anschließend soll eine umfassende Bildungskonzeption für die Landeskirche entwickelt werden. Bei all der Konzentration auf Bildung will Wüst ihr Büro fertig einrichten – und Bilder darin aufhängen. Klaus Koch

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