Hinterherhecheln und Zurückrudern bei Verordnungen

Krisenstab navigiert die Landeskirche durch die Corona-Krise – Handlungsempfehlungen für Kirchengemeinden haben nur kurze Halbwertszeit

Kühle Köpfe: Besonnen versucht das Viererteam die staatlichen Richtlinien für kirchliche Handlungsfelder umzusetzen. Foto: Landry

Telefone klingeln, E-Mails trudeln auf den Laptops ein, Aktenordner sind auf den Schreibtischen verteilt. Doch vier Männer im Landeskirchenrat am Speyerer Domplatz bleiben cool. Sie bilden den Krisenstab in der Kirchenverwaltung, der die Landeskirche gut durch die Corona-Pandemie lotsen soll. Quasi im Schweinsgalopp formulieren die Verwaltungsexperten Empfehlungen für die Kirchengemeinden und kirchlichen Einrichtungen, wie sie die staatlichen Richtlinien praxisgerecht umsetzen können. Und dies gleich für zwei Bundesländer, weil Teile der Evangelischen Kirche der Pfalz im Saarland liegen.

Durchschnittlich alle 14 Tage flattern dem Krisenteam und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus Mainz und Saarbrücken neue, immer umfangreichere Corona-Richtlinien oft kurzfristig ins Haus. „Wir reagieren nur noch“, beklagt Pfarrer Andreas Rummel, der Leiter des Öffentlichkeitsreferats. Die „juristische Halbwertszeit“ der Richtlinien aus den Länderministerien sei viel zu kurz und erschwere die Arbeit der Kirchengemeinden. Vor allem bei den Regeln für die Gottesdienstgestaltung gehe es munter hin und her.

So etwa bei der „Zehn-Quadratmeter-Regel“, moniert Dieter Heupel, der für den Bereich Arbeitssicherheit zuständig ist. Die für die Planung von Gottesdiensten so wichtige Regelung wurde in beiden Bundesländern eingeführt, abgeschafft – und nun wieder eingeführt. Wenn aufgrund strengerer Abstandsregeln beispielsweise in einer kleinen Kirche nur noch eine Handvoll Gläubige Einlass finde, müssten Kirchengemeinden für sich entscheiden, ob sie einen Gottesdienst überhaupt anbieten.

Die oft am Limit arbeitenden Kirchengemeinden hätten kaum ausreichend Zeit oder Personal, um die Verordnungen „einzuüben“, ergänzt Christian Roth, der Leiter des Büros des Kirchenpräsidenten. Neu sei für das Saarland, dass wie bereits in Rheinland-Pfalz bei Veranstaltungen zur Verfolgung von Infektionsketten nun Teilnehmerlisten angelegt werden müssen.

An höchster Stelle stehe bei der möglichst allgemeinverständlichen Ausformulierung der kirchlichen Handlungsempfehlungen stets der Gesundheitsschutz, betont Ralf Göring, der für die Organisation des Landeskirchenrats zuständig ist. Verschickt werden sie an die Pfarrämter und andere kirchliche Einrichtungen, auch auf der Internetseite der Landeskirche und in deren Sozialen Medien sind sie nachzulesen. Für die Umsetzung der staatlichen Richtlinien wie Abstandsregelungen und Hygieneauflagen sind die Kirchengemeinden selbst verantwortlich. Mögliche Verstöße ahndeten die kommunalen Ordnungsämter, warnt der Krisenstab.

Den Protestantinnen und Protestanten vor Ort sei aber nur schwer zu vermitteln, wenn Erleichterungen in der Corona-Krise zurückgenommen würden und man „zurückrudere“, berichtet das Krisenquartett. Besonders bedenklich sei die rheinland-pfälzische Regelung, die es Gottesdienstgemeinden nun ausdrücklich untersagt, wegen Ansteckungsgefahr zu singen. Bisher habe eine Sollregelung gegolten, erinnert Dieter Heupel: Manche Gemeinden hätten mit Mund-Nasen-Schutz gesungen. Gerade das Singen sei ein zentrales Element protestantischer Gottesdienste.

Um den Gemeindegesang möglichst bald wieder zu ermöglichen, betreibt der Krisenstab deshalb Lobbyarbeit. Der Beauftragte der evangelischen Kirchen in Mainz werde gegenüber der rheinland-pfälzischen Landesregierung darauf drängen, heißt es.

Wie lange noch der Krisenstab zusammentreten muss, diktiert das Virus. Solange kein Impfstoff gefunden ist, werden Rummel, Göring, Heupel und Roth immer neuen juristischen Vorgaben aus Mainz und Saarbrücken wohl oder übel hinterherhecheln müssen. Die Kunst bleibt, kirchliche Handlungsanleitungen möglichst klar und praxisnah zu formulieren – „auch um Rückfragen zu vermeiden“, wie Pressesprecher Andreas Rummel sagt. Alexander Lang

 

Meistgelesene Artikel