Gott im Spiel begegnen

Die weltweite Initiative „Godly Play“ hat in der Pfalz großen Erfolg – Ein Besuch in Kirchheimbolanden

Lebendige Erzählung mit Babypuppe: Pfarrer Uwe Schutte widmet sich mit Godly Play dem Thema Taufe. Foto: Stepan

Erzählt das Gleichnis vom „verlorenen Sohn“: Pfarrerin Brigitte Beil (Bild links). Reist für den MÖD als Ausbilderin in Partnergemeinden: Ruth Magsig (Bild rechts). Fotos: Stepan / pv

Längst spannt „Godly Play“ seine Flügel weltweit aus. Vor rund 30 Jahren in den USA von dem durch die Montessori-Pädagogik geprägten Prediger Je­rome Berryman entwickelt, hat es einen beispiellosen Siegeszug angetreten – quer durch christliche Konfessionen. Nach Großbritannien und Frankreich erreichte das Format nach der Jahrtausendwende Deutschland. Dabei mag verwundern, dass sich die spezielle Form der Vermittlung biblischer Inhalte zunächst im als kirchenfern stigmatisierten Osten – Sachsen, Thüringen Sachsen-Anhalt – etablierte. Und von dort in die alten Bundesländer schwappte.

„Gott im Spiel“ lautet die deutschsprachige Adaption der eigentlich für Zwei- bis Zwölfjährige entwickelten Bibelkunde; die stark an kindlichen Wahrnehmungsmustern orientiert ist. Jenseits festgefahrener Rituale, dogmatischer Auslegung und belehrender Kommentare soll sich für Kinder und Heranwachsende der biblische Geschichtenfundus entfalten und in subjektives spirituelles Erleben münden. Das liest sich recht theoretisch. Die praktische Umsetzung indes folgt einem akribisch strukturierten Regieplan. Und überzeugt auf verblüffende Weise.

Das Mysterium beginnt mit dem Betreten des Raums, in diesem Fall im Religionspädagogischen Zentrum (RPZ) in Kirchheimbolanden. Das Empfangskomitee besteht aus dessen Leiter, Pfarrer Uwe Schutte, und Kollegin Brigitte Beil, die dem RPZ Kusel vorsteht. An der Tür entledigt man sich der Schuhe, das Begrüßungsritual signalisiert: Wer die Schwelle übertritt, ist willkommen in einem ganz besonderen Raum.

Platz genommen wird auf im Kreis gelegten Sitzkissen mit Himmelpanorama durchs Fenster und Blick auf ein Regalsystem in U-Form: ein biblischer Setzkasten. Holzfiguren, Menschen, Tiere, Häuser, die ganz rasch in der biblischen Theatralik zu verorten sind. Altes und Neues Testament. Figurativ. Ein zweistöckiges Regal im Regal, das die Bücher der Bibel en miniature und einzeln nebeneinanderreiht, findet sich. Und die „goldenen“, verschlossenen Schachteln. Sie enthalten die Gleichnisse. Kostbar und nicht zwangsläufig zu entschlüsseln.

Eine davon öffnet die Erzählerin jetzt, breitet vor sich aus, was sie enthält: grünes Filztuch, Tierschablonen – Schafe – eine Hirtenfigur. Nach und nach füllt sich die Bodenszene mit Strauch, Baum und Personal. Die Arrangements geben die Umsitzenden vor. Jetzt beginnt der Vortrag. Brigitte Beil erzählt die Geschichte vom „verlorenen Sohn“. Auswendig und in leichter Sprache, begleitet von behutsamen Gesten, behütenden, segnenden, schützenden. Sie blickt auf ihr Bühnenbild, ist ganz in die Geschichte eingetaucht, zieht Sehen und Hören ihres Auditoriums sogartig ins Geschehen.

„Die Moral von der Geschicht‘“ wird nicht mitgeliefert. Fragen stellen sich automatisch, werden weitergereicht, beantwortet oder bleiben offen. So entstehen Diskussion, Nachdenken, subjektives Deuten und Lust an kreativer Nacharbeit. Dazu wird nach der Erzählphase eingeladen, mit Farben, Ton, Textilien, Text. Dem Spielerischen, sagt Beil, gehört eine zentrale Rolle. Ebenso dem stetigen Hinführen, der Entschleunigung, dem puren Erzählvorgang, der, verbindlich gestaltet, ohne moralischen Zeigefinger auskommt; und so die kindliche Fantasie nicht mit Konfektion bedient, sondern ihr Raum lässt.

Welche Wirkungen das selbst bei Gruppen mit ADHS-Kindern hat, beschreibt Beil eindrücklich. Das Arbeiten mit einfachen bildnerischen Materialien – schlichten Holzfiguren, haptischen Stoffen wie Holz, „Wüsten“-Sand, Wasser und weichen Textilien – unterstütze die Motivation. Selbst Abiturienten sprechen positiv an auf das Konzept, sagt Pfarrer Schutte, der in seinem Religionsunterricht am Leininger Gymnasium Grünstadt ab und an mit „Godly Play“ arbeitet.

Mittlerweile hat sich das Format jenseits von Kindergottesdienst, Kindertagesstätten und Grundschulen in allen Schultypen, außerdem bei Senioreneinrichtungen etabliert, wird von Frauengruppen und Gefangenenseelsorge nachgefragt. In Koordination von Evangelischer Erwachsenenbildung im Erziehungswissenschaftlichen Fort- und Weiterbildungsinstitut der evangelischen Kirchen in Rheinland-Pfalz, den Religionspädagogischen Zentren und dem Missionarisch Ökumenischen Dienst haben sich pfalzweit vier Regionalzentren etabliert, die über entsprechende Räume verfügen, Fortbildungen anbieten, Ausbilder entsenden.

Da „Godly Play“ von Beginn an ökumenisch aufgestellt war, ergeben sich im Zusammenwirken von Teams der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen zusätzlich Synergien. Mittlerweile gibt es die Erzählvorlagen in vielen Sprachen, dazu eine Fülle von Arbeitshilfen und ein breites Spektrum an Spielmaterialien, das bei den Lindenwerkstätten Leipzig, einer Einrichtung für behinderte Menschen, nach genauen Vorgaben gefertigt wird. Ein 2004 gegründeter Verein kümmert sich um die Koordination der Schwer­punkt­zent­ren und Weiterentwicklung der inhaltlichen Konzepte. Gertie Pohlit

www.godlyplay.de

„Godly Play“ unterwegs

Als Ruth Magsig zum Missionarisch Ökumenischen Dienst (MÖD) nach Landau kam, brachte sie „Godly Play“ mit. Kennengelernt hatte sie das Format 2005 und es im Landauer „Bethesda“ mit alten Menschen ausprobiert.

Für den MÖD reist sie als Ausbilderin in Partnergemeinden. Vor wenigen Wochen hat sie bei Prag eine Gemeinde der Böhmischen Brüder besucht. Davor war sie in Papua. Die Verständigung funktioniert mit Englisch oder Ad-hoc-Übersetzungen. Im Dekanat Waropen in Papua stand ihr MÖD-Kollege Welman Boba als Muttersprachler zur Seite. „Dort trafen wir auf eine ganz andere Alltagswirklichkeit“, sagt Magsig. „Unsere Kreativität war gefragt.“ Weder habe es spezielle Räume gegeben – Schule unter freiem Himmel sei die Regel – noch habe man mit mehr als den mitgeführten Materialien arbeiten können. „Zudem unterscheiden sich die Lernrituale. Schüler antworten grundsätzlich im Kollektiv.“ So musste die auf dem persönlichen Moment von Spiritualität gründende „Godly Play“-Erfahrung den 56 Fortbildungsteilnehmern quasi durch die Küchentür nahegebracht werden. „Ganz behutsam, aber der Funke sprang merklich über.“ gpo

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