Furcht vor dem völligen Bedeutungsverlust der Kirche

Synode des Kirchenbezirks Bad Dürkheim-Grünstadt fordert das sofortige Aussetzen des automatischen Streichens von Gemeindepfarrstellen

Sieht im Oetzmann-Verfahren zur Berechnung der Pfarrstellen einen Freifahrtschein ins Burnout: Christopher Markutzik. Foto: Mendling

Der Kirchenbezirk Bad Dürkheim-Grünstadt sieht die Zukunft kirchlicher Arbeit in der Landeskirche akut gefährdet. Die Synode des Bezirks hat deshalb dem Antrag von Christopher Markutzik zugestimmt, die Landeskirche aufzufordern, die Stellenkürzungen bei den Gemeindepfarrämtern sofort zu stoppen.

Seit 17 Jahren gehe die Landeskirche nach dem Rasenmäherprinzip durch die Kirchenbezirke und kürze das Stellenbudget, sagt Markutzik, der Pfarrer in Sausenheim und Neuleiningen ist. Wenn die nächste Kürzungsrunde, die für die Landeskirche 46 Pfarrstellen weniger bis 2025 vorsieht, umgesetzt würde, „bluten wir aus“. Für die Pfarrer, die dann immer mehr Orte zu betreuen haben, sei dies „ein Freifahrtschein zum Burnout“. Pfarrer, die ihre Aufgabe ernst nähmen, wüssten bereits morgens beim Aufstehen, dass sie höchstens die Hälfte dessen schaffen könnten, was sie eigentlich schaffen müssten.

Markutzik verweist darauf, dass die Landessynode 2012 bei der Portfolio­analyse den Gemeindepfarrdienst als den prägendsten und bedeutendsten Arbeitsbereich der Landeskirche ausgewiesen habe. Doch diese Arbeit sei in Gefahr. Wenn die Kirche vor Ort verschwinde, verliere sie an Relevanz für die Menschen. „Wir können nicht erwarten, dass die Menschen zu uns kommen, wenn wir nicht zu ihnen gehen.“

Er halte Kooperationszonen bei der Gemeindearbeit für sinnvoll, sagt Markutzik. Aber es funktioniere in der Realität einfach nicht, wenn etwa eine Gemeinde Jugendarbeit, die andere Kirchenmusik und wieder eine andere Bildungsarbeit mache. „Die Menschen gehen in ihrem Dorf zur Kirche und nicht in einem anderen.“

Markutzik hat mit weiteren Pfarrern den Arbeitskreis „mutig voran“ gegründet, um seine Forderungen in die ganze Landeskirche hineinzutragen. Er selbst habe keine fertige Lösungen für die Zukunftsprobleme, sagt Markutzik. Aber das lineare Streichen von Gemeindepfarrstellen müsse jetzt ausgesetzt werden, um über andere Lösungen nachzudenken. Es müsse intensiver um theologischen Nachwuchs geworben werden, die Pfarrämter müssten strukturell entlastet werden, Mitarbeiter in den Gemeinden müssten stärker qualifiziert und besser eingebunden werden. Außerdem müsse die Zusammenarbeit mit kirchlichen Arbeitsbereichen außerhalb der Gemeinden verstärkt werden.

Wenn die derzeitige Stellenstreichung weiterbetrieben werde, habe die Kirche in wenigen Jahrzehnten ihre Bedeutung fast völlig verloren, befürchtet der Pfarrer. „Dann wird es viele weiße Flecken für die Kirche in der Pfalz geben, und nur kleine, verstreute Restgemeinden werden übrigbleiben.“ Dabei sei es die Kirche, die dem Leben der Menschen in den Dörfern und Stadtteilen Kraft geben könne. Gerade wenn sich Ärzte, Banken, Geschäfte und Verwaltungen zurückzögen, müsse die Kirche bleiben. Sie könne zur Gemeinschaft und zum sozialen Zusammenleben viel beitragen.

2001 hatte das Projekt der Stellenbudgetierung mit einer Probephase in acht Kirchenbezirken begonnen. Grundlage waren Berechnungen des Informatikprofessors Gerhard Oetzmann, der die Tätigkeiten eines Pfarrers akribisch berechnet hat. In seiner Befragung für die Hannoversche Landeskirche ging er vor allem dem Zeitbedarf für die „Basis­aktivitäten“ nach: Beerdigungen, Gesprächskreise, Gottesdienst, Hausbesuche, Innovatives, Konfirmandenunterricht, Seelsorgegespräche, Taufen, Trauungen, Verwaltung und Weiterbildung. Der Stellenumfang sollte so zugeschnitten werden, dass für jeden Pfarrer die gleiche Arbeitsmenge anfällt.

Als das Projekt 2001 begann, gab es in der Landeskirche 351 Gemeindepfarrstellen. Aktuell sind es nach Auskunft der Landeskirche etwa 290. Bis 2025 sollen es dann noch 246 sein. Nach Köpfen, nicht nach Stellenumfang, gibt es derzeit 556 aktive Pfälzer Pfarrerinnen und Pfarrer. Im Gemeindedienst arbeiten davon 369. Darin enthalten sind den Angaben zufolge 40 Vikarsstellen, 28 Dienstleister und 15 Dekane. Von den 187 Köpfen, die nicht im Gemeindedienst arbeiten sind 83 an der Schule und 20 im Krankenhaus. Der Rest verteilt sich auf übergemeindliche Pfarrstellen oder die Kirchenverwaltung. Auch gib es einige Pfarrer die für Dienste außerhalb der Landeskirche, etwa im Ausland, beurlaubt sind. Klaus Koch

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