Formen der politischen Bildung gesucht

Steffi Rohling sieht große Aufgabe für Volkshochschulen – Partnerschaft mit Erwachsenenbildung betont

Jüdisches Leben im Blick: Je nach Kooperationspartner findet Religion Niederschlag in Volkshochschul-Programmen. Foto: epd

Steffi Rohling.

Mit der ersten bundesweiten „Langen Nacht der Volkshochschulen“ begehen 414 der bundesweit rund 900 Einrichtungen an diesem Wochenende das Jubiläum „100 Jahre Volkshochschule“. „Zusammenhalten-zusammenleben“, das bundesweite Motto des Herbstsemesterprogramms, wird an diesem Abend auch in den 14 teilnehmenden Einrichtungen in der Pfalz Thema sein. Der Abend solle ein deutliches Zeichen für gesellschaftlichen Zusammenhalt setzen, kündigte beim Festakt im Frühjahr die Präsidentin des Volkshochschulverbands, Annegret Kramp-Karrenbauer an. Gleichzeitig forderte sie eine „Allianz für digitale Aufklärung und starke Demokratie“.

Steffi Rohling, Direktorin des Volkshochschul-Landesverbands Rheinland-Pfalz, kann das angesichts der gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen nur unterschreiben. Leicht werde es für die Volkshochschulen an dieser Stelle aber nicht, betont sie. Weil politische Informationen anders als früher heute durch Zeitungen, Fernsehen und Internet breit gestreut seien, fühlten sich Menschen bei diesem Thema oft überinformiert und „zugedröhnt“. Entsprechend schwer sei es, solche Kurse erfolgreich zu bewerben. Dies habe inzwischen auch die Politik bemerkt. „Wir müssen neue Formen der politischen Bildung finden, das ist kein Selbstläufer“, sagt Rohling im Gespräch mit dem KIRCHENBOTEN. Es sei wichtig, den Dialog zu suchen, Meinungen zu vertreten. „Politische Bildung hat auch immer etwas mit Anecken zu tun.“

Immer schon seien an den Volkshochschulen Entwicklungen innerhalb der Gesellschaft abzulesen gewesen, sagt Rohling. Der Gründung der Volkshochschulen 1919 mit Artikel 148 zum Volksbildungswesen in der Verfassung der Weimarer Republik sowie der zweiten Gründungswelle 1945 gingen jeweils Kriege voraus. „Immer dann, wenn auch der Geist der Menschen in Trümmern lag“, sagt Rohling und nennt die Gründungen „Schritte der Emanzipation auf dem Weg zur Demokratisierung“. In den 1980er und 1990er Jahren waren es Computerkurse, die die Menschen in Scharen anzogen, ähnliche Megatrends seien jetzt die Themen Nachhaltigkeit mit dem Unterthema „Do-it-yourself“ sowie Digitalisierung. Dazu kämen zeitlich begrenzte Trends wie etwa Arabischkurse für ehrenamtliche Flüchtlingshelfer.

„Offenheit und Toleranz“, das, was im Leitbild des VHS-Landesverbands steht, lasse auch dem Thema Theologie seinen Platz, sagt Rohling. Denn weltanschaulich neutral zu sein, heiße nicht, Religion auszuklammern. Vielmehr werde versucht, mit interreligiösen Ansätzen zu arbeiten. Häufig werde Religion im historischen Kontext behandelt oder wenn es um Anlässe gehe, die die Gesellschaft besonders beschäftigten, spielt Rohling auf das Lutherjahr 2017 mit vielen Veranstaltungen an. Nicht zuletzt aufgrund jüngster antisemitischer Vorfälle spielt der christlich-jüdische Dialog eine entscheidende Rolle. Inhaltlich stünden sich Kirche und Volkshochschulen bei den Themen Nachhaltigkeit und demokratische Bildung sehr nahe.

Inwieweit die einzelnen Volkshochschulen Religion oder Theologie ins Programm nehmen, hänge vor allem von den handelnden Personen und Kooperationspartnern ab, darunter Kirchengemeinden vor Ort, sagt Rohling. In Mainz sei die jüdische Gemeinde ein wichtiger Akteur. Auch in Worms spiegele sich das jüdische Viertel mit Synagoge, Mikwe und Museum im Programm wider. Rohling betont auch die Partnerschaften mit der Evangelischen und Katholischen Erwachsenenbildung. „Bestimmte Bereiche überlassen wir bewusst der Kirche.“ Es sei bei einigen Themen aber auch fruchtbare Konkurrenz zu spüren.

Für Rohling ist letztlich entscheidend, dass Volkshochschulen nicht nur durch die Inhalte Offenheit und Toleranz förderten. Allein, dass unterschiedliche Menschen zusammenkämen, sei eine einzigartige Chance, sagt Rohling. Sie nennt als Beispiel einen Kurs zum Seife selbst machen, den sie jüngst mit ihrem Sohn besucht hatte. „Drei Männer, fünf Frauen, mit und ohne Migrationshintergrund, vom Kind bis zum 80-Jährigen, das war praktisch ein Querschnitt der Gesellschaft.“ Florian Riesterer

Was Volkshochschulen in der Pfalz zum Thema Religion anbieten

Die Volkshochschule Neustadt hat bereits im dritten Jahr in Folge die Reihe „Fragen der Theologie in unserer Zeit“ im Programm, die sich mit grundsätzlichen Glaubensfragen und dem Religionsumfeld beschäftigt.

Am Donnerstag, 26. September, spricht Pfarrer Helmut Aßmann über die Autorität der Schrift als Kernaussage der Reformation. Pfarrer Helge Müller widmet sich am 24. Oktober der Ketzerei des Markion, der das Verständnis der Heiligen Schrift maßgeblich vorangetrieben hat. Unter dem Titel „Die biblische Weihnachtsgeschichte – einmal anders“, stellt Walter Motsch am 21. November Messiasdeutungen im Alten Testament in Bezug zum Geschehen in Bethlehem. Die Vorträge beginnen jeweils um 15.30 Uhr in der Hindenburgstraße 14, die Anmeldung und Bezahlung der Kursreihe (9 Euro) ist im Sekretariat möglich.

Die Frankenthaler Innenstadt war noch bis nach 1933 geprägt von familienbetriebenen jüdischen Geschäften. Wie vielfältig diese Geschäftswelt war, aber auch wie brutal das jüdische Leben durch das NS-Regime beendet wurde, will Werner Schäfer am Dienstag, 12. November, 19 bis 20.30 Uhr, mit einem Bildvortrag in der Volkshochschule Frankenthal, Schlossergasse 8-10, zeigen. Um den Bezug zur Gegenwart herzustellen, zeigt er außerdem Fotos der Geschäftsstraßen aus den 1960er bis 1980er Jahren. Schäfer ist Vorstandsmitglied im Förderverein für jüdisches Gedenken in Frankenthal. Der Vortrag ist kostenlos.

Auf die „Spuren der beiden christlichen Konfessionen und der jüdischen Gemeinde“ können Interessierte Susanne Nimmesgern auf einer zweistündige Tour durch St. Ingbert begleiten. Sie findet an diesem Samstag, 14. September, von 15 bis 17 Uhr statt. Treffpunkt ist auf der Alten Schmelz, Saarbrücker Straße 38, da das Eisenwerk bei der Konfessionsfrage eine wichtige Rolle spielte. Der Rundgang ist kostenlos. Ebenfalls im Programm der Biosphären-VHS St. Ingbert ist das Seminar Rau(h)nächte am Samstag, 14. Dezember, 17 bis 20.45 Uhr, im Kulturhaus. Elisabeth Pintarelli widmet sich dem Volksglauben der Rau(h)nächte und Kraft gebenden Ritualen.

Wie sich das Gotteslob in Kirchen- und Gesangbuchliedern wandelt, schaut sich Gisela Singer am Dienstag, 10. Dezember, 15 bis 17 Uhr, in der literarischen Vortragsreihe der VHS Kaiserslautern, Kanalstraße 3, an. Bereits am 15. Oktober nimmt sie Klosterfrau Hildegard von Bingen in den Blick.

Die Kreisvolkshochschule Germersheim lädt zu den Exkursionen „Jüdische Kultur und Orgeln in Marmoutier“ für Samstag, 25. Januar, sowie „Klöster und Kirchen in Basel“ für Samstag, 15. Februar, ein. flor

Meistgelesene Artikel