Ein besonderer Waschgang für die Heilige Schrift

Altarbibel aus dem Jahr 1692 erstrahlt bald in neuem Glanz – Auf dem Schuttplatz in Ilbesheim bei Landau in 1970er Jahren gefunden

Begutachten einzelne Seiten des historischen Bibelexemplars in der Buchbinderwerkstatt in Nussdorf (von links): Tilla Eck, Presbyterin Lore Riebel, der Ilbesheimer Gemeindepfarrer Traugott Oerther sowie die Experten Hedwig und Klaus Müller. Foto: Croissant

Auf dem ausgefransten Deckblatt prangen schwarze und rote verschlungene Buchstaben von unterschiedlicher Größe. Eine liturgische Abbildung mit Totenschädeln, Krone und einem lateinischen Banner ziert die untere Hälfte, wo auch das Datum in römischen Lettern zu entdecken ist: 1692, gedruckt in Nürnberg. Eine Altarbibel, der man ihre wechselvolle Geschichte förmlich ansieht. Man wird es jedoch nie erfahren, was dem Buch in den vergangenen Jahrhunderten widerfahren ist. Im Moment ist es nicht viel mehr als ein großer loser Papierstapel. Nicht zu erfahren ist auch, wer der Verfasser des Werks ist und in welcher Kirche der Geistliche seiner Gemeinde daraus vorgelesen hat.

Dass es sich um eine Altarbibel handelt, ist dagegen offensichtlich: Zum einen ist dies an der ungewöhnlichen Größe der Blätter erkennbar. Zum anderen finden sich zwischen den Bibelversen immer wieder Hinweise für den Geistlichen, wie Hedwig Müller von der Buchbinderei Müller in Nussdorf bei Landau erklärt. Diese kleinen gedruckten Hinweise seien nicht laut vorgelesen worden, sondern hätten der Interpretation und der Ergänzung für den Prediger gedient. Außer den Textseiten finden sich teils filigrane Kupferstiche auf den einzelnen Seiten. Auf den vorderen Seiten sind zudem Abbildungen der Landesfürsten zu sehen, die dem Bibeldruck zustimmen mussten und ihn mutmaßlich auch finanziert haben.

Dem Ilbesheimer Günter Eck, Jahrgang 1940, ist es zu verdanken, dass die Bibel überhaupt gefunden wurde und nun fachmännisch restauriert werden kann. Der Winzer war leidenschaftlicher Fossiliensammler und Hobbyhistoriker, wie seine Frau Tilla Eck sagt. Ihr Mann verstarb im vergangenen Jahr, weshalb die Restaurierung des Fundstücks für sie von besonders emotionaler Bedeutung ist. „1975 oder 1976 war es, als er auf dem Schuttplatz in der Ilbesheimer Gemarkung Wacholder diese Bibel mit so vielen alten Kupferstichen darin gefunden hat“, so Tilla Eck. Aufgeregt sei ihr Mann nach Hause gekommen und habe das Bibelexemplar Blatt für Blatt getrocknet und aufbewahrt, bis die Seiten im Jahr 2016 der Kirchengemeinde übergeben wurden.

Wer die Altarbibel auf dem Schuttplatz entsorgt hat und warum, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen und löst energisches Kopfschütteln bei der Gruppe aus, die sich in der Werkstatt der Buchbinderei Müller eingefunden hat. Dass Günter Eck den Wert erkannt habe und sorgfältig mit den Blättern umgegangen ist, nennt Buchbindermeister Klaus Müller einen Glücksfall. Ebenso, dass durch einen Spendenaufruf bereits über 3000 Euro zusammengekommen sind und die Heilige Schrift somit restauriert werden kann, freuen sich Gemeindepfarrer Traugott Oerther und Lore Riebel vom Presbyterium.

„Nächstes Jahr feiern wir 300 Jahre Kirche Ilbesheim. Da ist es doch schön, wenn die restaurierte Bibel in der Kirche präsentiert werden kann“, schildert Lore Riebel das i-Tüpfelchen zum Kirchengeburtstag. Ab und zu müsse man dann die Seiten umschlagen, gibt das Ehepaar Müller bereits jetzt Tipps zur späteren Pflege. Zuvor stehen jedoch die umfänglichen Arbeiten an, die mit dem Sortieren der etwa 1000 Seiten beginnen. Dann geht es in die Papierwaschmaschine, in der der Jahrhunderte alte Schmutz ausgewaschen wird. Der Schrift und den Zeichnungen macht der besondere Waschgang nichts aus. Da die Blätter stark ausgefranst und eingerissen sind, wird dann mit einem Papierbrei gearbeitet, sodass die Seiten wieder ihre ursprüngliche Form erhalten, wie Buchbinder Klaus Müller demonstriert. Dann muss alles gut trocknen, wird flach gepresst und in einen stabilen Ledereinband gebunden. Etwa ein halbes Jahr wird das alles dauern, und im Herbst werden die Restaurierungsarbeiten an der sogenannten „Ilbesheimer Altarbibel“ beginnen. Einmal pro Monat wird in der Werkstatt eine Bibel so restauriert, wie das Buchbinder-Ehepaar Müller Auskunft gibt. Die Exemplare stammen aus ganz Deutschland und tauchen normalerweise in einem privaten Nachlass oder einem Kirchenspeicher auf. Eine Bibel vom Schuttplatz – das hatten die Müllers bisher noch nie. Für die Bibelrestaurierung und das Jubiläum „300 Jahre Kirche Ilbesheim“ erbittet die Kirchengemeinde Ilbesheim noch Geldspenden. Janina Croissant

Protestantisches Dekanat Landau, IBAN: DE36350601901200156010, BIC: GENODED1DKD, Bank für Kirche und Diakonie, Verwendungszweck: Il­bes­heim Altarbibel.

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