Durch die Musik sind Freundschaften entstanden

Syrisch-deutscher Chor hat sich vor zweieinhalb Jahren in Homburg gegründet – Europäische und arabische Lieder helfen beim Spracherwerb

Während einer Probe in Homburg: Die Mitglieder des Chors sind etwa zur Hälfte Syrer und Deutsche. Foto: von Waldow

Homburg. „I have a dream“ erklingt fast 20-stimmig der Welthit der schwedischen Popgruppe Abba in den Räumen der Frauenbeauftragten der Stadt Homburg am Scheffelplatz. Jeden Dienstagabend treffen sich hier von 17.30 bis 19 Uhr Syrer und Deutsche, um gemeinsam zu singen und zu musizieren. Die Musik verbindet.

Vor rund zweieinhalb Jahren riefen Chorleiter Osama Fathy und die Medizinerin Andrea Molter-Nägle den Chor gemeinsam ins Leben. Sie kam damals als Ärztin im Rahmen der Flüchtlingshilfe in eine Dreier-Wohngemeinschaft in Limbach-Altstadt und erkannte: „Wir müssen auch sozial und kulturell etwas für die Menschen hier tun.“ Das war die Zeit, als der ehemalige Waldorfpädagoge Osama Fathy in Rente ging und überlegte, nach Afrika zurückzukehren, um sich dort sozial zu engagieren. „Das kann er auch hier tun“, war Molter-Nägles erster Gedanke. Als Mutter einer Waldorfschülerin kannte sie den Ägypter und nahm Kontakt auf. Osama Fathy besuchte damals das syrische Trio in Limbach-Altstadt, um gemeinsam mit den drei Männern zu singen und zu musizieren. „In der nächsten Woche waren es schon vier“, erinnert er sich. Da nämlich stand Lukman vor der Tür, auf der Suche nach Musik und einer Ud, einer arabischen Laute, die er meisterlich beherrscht.

Dieser Kern singt nach wie vor – mittlerweile haben sich zehn syrische Männer und mehr als zehn deutsche Frauen zusammengefunden. Von dem Ursprung in Limbach, das sehr rege im Bereich der Nachbarschaftshilfe ist, hat sich der Chor in größere Räume und ein größeres Einzugsgebiet nach Homburg verlagert. Neu in der Gruppe ist mit Nebal die erste Syrerin, die für die Gemeinschaft trotz ihrer vier Kinder sogar wöchentlich die Fahrt aus Saarbrücken auf sich nimmt. Ihr musikalisches Talent offenbart sie, als sie solo ein arabisches Lied vorsingt und mit dem Tambourin rhythmisch begleitet. „Das haben wir von Anfang an so gemacht: europäische und arabische Lieder gesungen“, erinnert sich Osama Fathy.

Deutlich ist zu sehen, wie die Männer bei ihren eigenen Liedern aufleben, die Augen strahlen, die Körper im Rhythmus der Trommel schwingen. „Wir lernen darüber auch die andere Kultur kennen, erfahren, was die Menschen bewegt und wie sie die Welt sehen“, freut sich Sabine Hofäcker, die ebenfalls zu den Gründungssängerinnen gehört. Stundenlang wurden Lautfolgen geübt und die Texte übersetzt. Schnell wuchs auch das Verständnis für die Hilflosigkeit der Flüchtlinge gegenüber der fremden Sprache. „Die Lieder helfen beim Spracherwerb“, betont der Chorleiter den pädagogischen Mehrwert. Das gilt auch für englische Songs, die den Syrern schwerer fallen als Deutsch, das sie täglich hören. „Englisch ist Weltsprache und damit wichtig“, erklärt Fathy seine Liedauswahl.

Evergreens wie Greensleeves sind noch neu in dem mittlerweile vielfältigen Chorrepertoire, das auch italienische und arabische Lieder umfasst. Dazu werden auch christliche Lieder eingeübt, um Muslimen unter den Chorsängern Einblicke in den christlichen Glauben zu geben. Auftritte, wie etwa in der protestantischen Stadtkirche in Homburg, ließen die Migranten auch evangelische Gottesdienste miterleben. Eine Zeit lang waren die Sänger ständig zu Auftritten eingeladen, auch im christlichen Rahmen, doch mittlerweile hat sich die Gruppe auf etwa eine Vorstellung pro Monat geeinigt. Höhepunkt waren bisher ein Auftritt in der Saarländischen Landesvertretung in Berlin und drei ereignisreiche Tage in der Bundeshauptstadt.

„Das schweißt auch als Gemeinschaft zusammen“, weiß Andrea Molter-Nägle. Ein Gefühl, das sich einem Besucher sofort mitteilt: Hier sind Freundschaften entstanden, werden Freude und Leid geteilt. „Wir helfen auch bei Prob­lemen, gleich, ob mit Behörden oder im sozialen Umfeld“, skizziert Osama Fathy das Engagement über die Sing­gemeinschaft hinaus. Bereits etliche ­Menschen haben im syrisch-deutschen Chor zumindest zeitweise ein Stück Geborgenheit erfahren und neue Lebensfreude gefunden. Wer Spaß hat am Singen und offen ist, auch andere Kulturen kennenzulernen, ist herzlich eingeladen. Der Chor in Homburg freut sich über Zuwachs. https://www.facebook.com/an.die.Freude.Chor. cvw

Meistgelesene Artikel