Die Qual für den Rücken des Besuchers hat ein Ende

In der St. Georgskirche Kandel sind die Stiehr-Orgel restauriert und die Bänke überarbeitet worden – Architekt der Landeskirche gibt Impuls

Mit vollem Einsatz: Bezirkskantor Wolfgang Heilmann. Foto: pv

Kandel. Wie Phönix aus der Asche hat sich in Kandel die St. Georgskirche an Pfingsten nach ihrem Corona-bedingten Dornröschenschlaf präsentiert. Erstmals wurde wieder ein Präsenzgottesdienst gefeiert. Wie Heinzelmännchen hatten sie im Vorfeld gewerkelt – Pfarrer Arne Dembeck, Bezirkskantor Wolfgang Heilmann und etliche emsig helfende Hände aus der Gemeinde. Dem Orgelbaumeister Ives Koenig, der mit der Restaurierung der Stiehr-Orgel sozusagen in den letzten Zügen lag, haben sie mit ihren flankierenden Maßnahmen fast die Schau gestohlen.

So wurde auf der Empore, wo die verjüngte „Königin der Instrumente“ wieder thront, der ursprüngliche Bodenbelag freigelegt. Auch wurden in Absprache mit der Bauabteilung der Landeskirche acht von 40 Bänken entfernt. Damit steht künftig für die Kirchenmusik – Chöre, kleine Orchester, Bands – ebenso wie für besondere Formate wie Kinderkonzerte eine bespielbare Fläche von 45 Quadratmetern zur Verfügung. Auch die restlichen Bänke erhalten neue Attraktivität, denn bei Orgel- oder Kammerkonzerten bieten die verbliebenen Sitzmöglichkeiten sozusagen Logen-Plätze. Es sind 150 an der Zahl.

Für die acht ausgebauten Bänke, die sich nach eingehendem Studium als zerlegbar erwiesen, war rasch ein Abnehmer gefunden: Sie zieren jetzt ein Künstler-Atelier. Obendrein wurden im Zuge des „Face-Liftings“ die Rückwände neben der Orgel gestrichen und die Elektrik auf den neuesten Stand gebracht. Koenig baute das Instrument nach 14 Monaten Wellness-Behandlung in der Werkstatt seit 25. Mai wieder ein, im Juli soll es spätestens die Endabnahme erhalten.

Die Kandeler St. Georgskirche – ohne Zweifel ein Schmuckstück – hielt bis dahin für Gottesdienst- wie auch Konzertbesucher ihre physischen Prüfungen bereit. Wer sich je im Auditorium einer Bach’schen „h-Moll-Messe“ etwa genötigt fand, zweieinhalb Stunden in einer der Kirchenbänke auszuharren, nagelte diese Tortur möglicherweise eher im Gedächtnis fest als die göttlich schöne Musik. Die Genuss tötende Latte im Rücken bereitete zusehends schweißtreibende Qualen.

Wie es der Zufall nun wollte, nahm bei den Vorarbeiten zur Emporensanierung im Dezember vergangenen Jahres Architekt Claus-Albert Müller von der Bauabteilung der Landeskirche arglos Platz auf einer der Bänke im Schiff. Sein Aufschrei sei unüberhörbar gewesen, berichtet Bezirkskantor Wolfgang Heilmann: „Das ist ja Folter pur!“, kommentierte er lautstark die Büßerbänke, bei denen das Brett der Gesangbuchablage jeweils Zentimeter weit in die Rückenlehne der Vorderbank reichte.

Jetzt, mit dem Segen der landeskirchlichen Bauabteilung und nach viel Handarbeit eines Schreiners und weiterer Ehrenamtler, ist die Rückenmarter „nach 180 Jahren Qual auf den Kandeler Kirchenbänken“ – wie Wolfgang Heilmann sagt – endlich Geschichte. Alle Ablagen waren ausgebaut, seitlich gekürzt und dann weit in die Richtung verschoben worden, wo sie hingehören.

Damit nicht genug: Seit März ist die Kirchengemeinde stolze Besitzerin eines Förster-Konzertflügels: mit 2,75 Metern Länge ein „großer“. Veräußert hat ihn die Kirchengemeinde Bad Dürkheim. Aber erworben werden konnte er dank einer großzügigen Spende von Gemeindemitglied Walter Behrendt. Nicht zuletzt bei den Video-Gottesdiensten unter Corona-Bedingungen kam er bereits zum Einsatz. Weitere Informationen sind verfügbar unter: www.prot-kirche-kandel.de. Gertie Pohlit

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