Die Pfeifenorgel soll weiter erklingen

Orgelsachverständiger: „Königin der Instrumente“ bietet Chance für Kirchen – Orgeltag am 8. September

Fürsprecher: Christoph Keggenhoff, Vorsitzender der Vereinigung der Orgelsachverständigen, ist fasziniert vom Orgelklang. Foto: Landry

Vielen Pfeifenorgeln im Land geht es nicht gut. Sie sind alt, kränkeln, haben oft etwas Schimmel angesetzt. Die Kirchengemeinden überlegen es sich genau, ob sie sich eine Sanierung oder einen Neukauf finanziell leisten können. Manche erwägen, ihr Rieseninstrument gar durch eine kostengünstigere elekt­ro­ni­sche Orgel zu ersetzen. Dass die Zahl der digitalen Klangerzeuger in Kirchen zunehme, sei mit Blick auf die Orgelkultur „ein Niedergang“, sagt Christoph Keggenhoff, der Vorsitzende der Vereinigung der Orgelsachverständigen Deutschlands mit Sitz in Speyer. An diesem Sonntag wirbt sie beim „Deutschen Orgeltag“ bereits zum neunten Mal für die „Königin der Instrumente“.

Der bundesweite Orgeltag bietet den Menschen die Chance, sich dem Instrument bei vielen niederschwelligen Angeboten anzunähern. Geplant sind etwa Konzerte und Orgelradtouren und -spaziergänge, erläutert Keggenhoff, der zweiter Domorganist sowie Orgelsachverständiger des Bistums Speyer ist. Zudem erklären Orgelbauer ihre Kunst.

50000 Orgeln etwa gibt es in Deutschland, die meisten stehen in Kirchen. Rund 100 Veranstaltungen sind am Orgeltag in allen „Postleitzahlbereichen“ geplant, wie Keggenhoff sagt. In der Pfalz und Saarpfalz gibt es nur zwei katholische Veranstalter in Böhl-Iggelheim und in Bobenthal. In vergangenen Jahren beteiligten sich auch protestantische Kirchengemeinden. „Wir möchten in den kommenden Jahren auch wieder mitmachen“, sagt Landeskirchenmusikdirektor Jochen Steuerwald. Rund 300 Orgelsachverständige gibt es in Kirchen und staatlichen Denkmalschutzbehörden, 2021 feiert deren Vereinigung ihr 50-jähriges Bestehen.

Schon länger habe die Orgel ein Imageproblem, beklagt Keggenhoff. „Die Orgel ist nicht langweilig oder altmodisch“, wendet er sich gegen ein gängiges Vorurteil. Kein anderes akustisches Musikinstrument sei größer und reicher an Klangfarben. Ob geistliche oder weltliche Musik, die vor mehr als 2000 Jahren in Griechenland erfundene Orgel „kann das alles“, sagt er. Seit 2017 sind die Orgelmusik und Orgelbau immaterielles Kulturgut der Unesco.

Doch viele, gerade kirchendistanzierte Menschen kämen mit der Orgelmusik heute kaum mehr in Kontakt. Der Gang durch die Kirchentür stelle für sie oft eine Hemmschwelle dar. Kirchengemeinden könnten hingegen über die Orgelmusik ihr Profil schärfen und versuchen, Menschen anzusprechen und sie für die christliche Botschaft zu gewinnen. Durch die Anschaffung einer neuen Orgel könnten sie auch „ein mutiges Signal für die Zukunft setzen, dass es weitergeht“.

Für Keggenhoff ist der „Computer mit Spieltisch“ keine Alternative für eine gute Pfeifenorgel, die Kirchgänger über Jahrzehnte begleitet. Elektronische Orgeln veralteten schnell und verlören beim Verkauf stark an Wert. Und ihr Klang sei ohnehin kein Vergleich mit dem des Originals. In manchen Situationen jedoch, etwa in nur zeitweise genutzten Kirchenräumen, in kühlen Friedhofskapellen oder als Ersatzinstrument könne eine elektronische Orgel jedoch sinnvoll sein.

Gebrauchte Pfeifenorgeln seien für Kirchengemeinden mit etwas Glück günstig zu bekommen. Um das Geld zusammenzutragen, könnten sie Spendensammlungen organisieren oder Orgelbauvereine gründen, sagt Keggenhoff. Viele Landeskirchen und Bistümer hätten Sonderbauprogramme aufgelegt. Die pfälzische Landeskirche stellt für Orgelprojekte Zuschüsse von jährlich 80000 bis 100000 Euro zur Verfügung, informiert Steuerwald. Rund 560 Orgeln gibt es in der Landeskirche, die von 15 hauptamtlichen und etwa 600 neben­amt­li­chen Kirchenmusikerinnen und -musikern gespielt werden.

Die Orgelmusik dürfe sich nicht nur vor allem auf kirchliche Räume beschränken, sondern müsse ihren Platz in der Gesellschaft behalten, appelliert Keggenhoff. Sie müsse hinaus in die Konzertsäle, sich auch mehr populären Musikrichtungen wie Pop und Gospel öffnen. Die Hoffnung, dass Orgeln als „Kulturdenkmal über Generationen“„ weiter erklingen, hat Keggenhoff nicht aufgegeben: „Es geht aufwärts, und es ist schön.“ Alexander Lang

www.orgeltag.de

Kleineres Instrument mit deutlich mehr Klangvolumen möglich

Experten empfehlen die Grundsanierung der großen Kleuker-Orgel in der Speyerer Gedächtniskirche – Mögliche Fördergelder sind abrufbar

Die Empfehlung der Expertenrunde beim Symposion zur Zukunft der Orgel in der Speyerer Gedächtniskirche am vergangenen Wochenende fiel einmütig aus: Das Instrument, mit 95 Registern die größte Orgel in der Pfalz und eine der größten im südwestdeutschen Raum, sollte in allen funktionalen Teilen runderneuert werden. Dies sollte unter Beibehaltung der wertvollen Pfeifensubstanz und des künstlerisch hochwertigen offenen Prospekts geschehen.

Zuvor hatten die Orgelbausachverständigen Gero Kaleschke und Andreas Schmidt, Landeskirchenmusikdirektor Jochen Steuerwald, Orgelprofessor Michael Gerhard Kaufmann, sowie die Orgelbaumeister Markus Lenter und Philipp Klais ihre Einschätzungen abgegeben. Damit hatten sie die Diskussion unter anderem mit Domorganist Markus Eichenlaub sowie Orgelprofessor Ludger Lohmann vorbereitet.

Die Orgelbaufirmen Weigle, Steinmeyer, Oberlinger und Kleuker hätten dem Instrument ihre nicht immer passenden Stempel aufgedrückt, darin waren sich die Experten einig. Allein dass die jüngste Renovierung 40 Jahre zurückliege, würde die Sanierung erklären. Mit gründlicher Reinigung und dem Austausch defekter Modulen werde man aber nicht viel bewirken. Es gehe darum, nicht weiter am 120 Jahre alten Flickenteppich herumzustricken.

„Wir haben hier eine romantische Orgel, die eine Barockorgel sein möchte, ein Sammelsurium von herrlichen, charaktervollen Pfeifen, die aber nicht miteinander korrespondieren, kein homogenes Klangbild ergeben“, sagte Markus Lenter. Auch seien die räumlichen Proportionen abstrus, die Wege zwischen Tastatur und Elektronik zu lang und verworren. Das riesige Instrument klinge wie hinter einer Schallschluckwand isoliert. Der missglückte Eingriff der Firma Oberlinger in den 1960er Jahren wirke ebenso nach wie die Tatsache, dass Kleuker 1979 zwar mit modernsten Mitteln gearbeitet habe, aber eben nach damaligen Wissensstand.

Dazu zähle auch die Verwendung von Aluminium statt Holz, Kunststoffen und Schnellkleber. Diese seien aufgrund thermischer Gegebenheiten ungünstigen Veränderungen ausgesetzt. Der Einbau der Heizung hätte ebenfalls negative Folgen gehabt. Eine Sanierung der Funktionalität und eine heute zum Standard gehörende Erweiterung der Setzeranlage unter Beibehaltung der historischen Pfeifen könnte sogar eine kleiner dimensionierte Orgel mit 60 bis 70 Registern bei deutlich mehr Klangvolumen auf den Weg bringen, so der Konsens. Dies sei „nachhaltig, weniger wartungsintensiv und was den Gesamtklang angeht, kompakter und homogener“. 1,3 bis 1,6 Millionen Euro sind dafür notwendig. Fördergelder, so Kaufmann, seien abrufbar. Die Chororgel in der Gedächtniskirche sowie die Barock-Orgel in der Dreifaltigkeitskirche hätten laut Sattelberger trotz allem Vorrang. gpo

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