Die Menschenbildung als urprotestantisches Anliegen

Oberkirchenrat Michael Gärtner geht in den Ruhestand – Nachwuchswerbung für den Pfarrberuf bleibt große Herausforderung für die Kirche

Wird im April 64 Jahre alt: Bildungsdezernent Michael Gärtner will im Ruhestand seinen Tag so gestalten, dass er abends zufrieden ist. Foto: Landry

Die Hausaufgaben sind gemacht: Kurz vor seinem Ruhestand hat Oberkirchenrat Michael Gärtner der Landessynode eine Bestandsaufnahme der landeskirchlichen Bildungsarbeit vorgelegt. Sie soll seiner Nachfolgerin, der Kaiserslauterer Dekanin Dorothee Wüst, als Ausgangspunkt für ein Bildungskonzept der Evangelischen Kirche der Pfalz dienen. Am Sonntag, 24. März, 14 Uhr, wird Gärtner in der Speyerer Gedächtniskirche verabschiedet und Wüst in ihr neues Amt eingeführt.

Eigentlich endet Gärtners Amtszeit, wie sie begonnen hat: mit der Diskussion ums Sparen. Als der ehemalige Ludwigshafener Dekan 2012 in den Landeskirchenrat kam, stand nach der Portfolio-Analyse der Landessynode das Trifels-Gymnasium, die einzige landeskirchliche Schule, auf der Kippe. Dass sich die Synode ein Jahr später einstimmig zu dem Gymnasium bekannte, gehöre zu seinen schönsten Erfahrungen als Oberkirchenrat, sagt Gärtner.

Nun muss die Kirche erneut sparen. Das werde ein spannender Prozess, sagt der Oberkirchenrat. Auf der einen Seite durchziehe Bildung als urprotestantisches Anliegen die gesamte landeskirchliche Arbeit von den Kindertagesstätten über Konfirmandenarbeit, Schule, Universität, Fort- und Weiterbildung bis hin zur Erwachsenenbildung. Andererseits stehe Bildung beim Sparen auch in einer gewissen Konkurrenz zu Seelsorge und Verkündigung. Entscheidend sei letztlich, dass es gelinge, Traditionen weiterzugeben. Die Kirche müsse entscheiden, ob sie für dieses Ziel nur nach innen wirksam werden wolle oder weiterhin in die Gesellschaft hinein.

Obwohl Gärtner nach eigener Aussage immer eine gewisse Distanz zur Verwaltungsarbeit hatte, ist er froh, nach 17 Jahren als Dekan den Schritt in den Landeskirchenrat gemacht zu haben. Er habe sich dort zwar mehr mit Kollegen abstimmen müssen, aber die Arbeit in allen die Landeskirche betreffenden Arbeitsfeldern sei unheimlich interessant, erweitere den Horizont und biete Kontakte zu vielen tollen Menschen.

Viel Freude habe ihm der Umgang mit Theologiestudentinnen und Theologiestudenten gemacht, etwa bei Beratungsgesprächen oder den Besuchen in den Studierendenkonventen. Bei den Prüfungen habe er zudem den Kontakt zur aktuellen Theologie halten können. Gärtners Stimme bei den Examen kam immer dann zur Geltung, wenn sich die Gutachter nicht einig waren.

Bei der Zahl der Theologiestudenten sieht Gärtner die Landeskirche ganz gut aufgestellt. Derzeit stünden knapp 60 Studenten auf der Liste. Das dürften zwar bei einem Bedarf von zehn neuen Pfarrern pro Jahr etwas mehr sei, aber die Zahl sei in den vergangenen Jahren auch nicht zurückgegangen. Die Fördermaßnahmen beim Nachwuchs zeigten also Wirkung.

Allerdings sei es eine Herausforderung, auch in Zukunft ausreichend junge Menschen für den Pfarrberuf zu begeistern, sagt Gärtner. Angesichts der demografischen Situation hätten die Abiturienten große Chancen in vielen Bereichen. Die Kirche werbe zwar mit Gestaltungsfreiheit, Familienfreundlichkeit und der Chance zur Selbstverwirklichung im Pfarrberuf. Allerdings seien das auch Argumente anderer Arbeitgeber. Die Kirche müsse daher zukünftig eine Beschreibung des Pfarrberufs liefern, die über die Anziehungskraft anderer Berufe hinausgehe.

Große Zustimmung habe er bei seinen Kontakten mit Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik für die christliche Definition von Bildung erfahren, sagt Gärtner. Es werde akzeptiert, dass Bildung den ganzen Menschen umfassen müsse und nicht nur Wissen für ökonomische Zwecke vermitteln dürfe. Die Frage sei, ob diese Zustimmung auch Bestand habe, wenn sie wirtschaftliche Interessen bedrohe.

Die vielen Kontakte mit Menschen und die interessanten Erfahrungen in seinem Amt werden ihm im Ruhestand sicher fehlen, sagt Gärtner, der im April 64 Jahre alt wird. Dafür hat er nun mehr Zeit für die Enkel, für Bewegung in der Natur und für das Lesen und Schreiben von Büchern. Da seine Frau noch als Pfarrerin im Schuldienst tätig ist, wird sich Gärtner auch ums gemeinsame Mittagessen kümmern. Und wie so oft in seiner Amtszeit bringt Gärtner auch in Sachen Ruhestand komplexe Sachverhalte nüchtern auf den Punkt: „Die Herausforderung wird sein, meinen Tag so zu gestalten, dass ich abends zufrieden bin.“ Klaus Koch

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