Der lange Weg von der Konversion zur Ordination

Nach einem ungewöhnlichen Werdegang ist Lorenzo Cassola im Pfarramt angekommen – Vikariat in Japan war eine prägende Erfahrung

Im Jahr 2006 evangelisch geworden: Der 31-jährige Pfarrer Lorenzo Cassola. Foto: pv

Als Kind wollte Lorenzo Cassola in ein Kloster eintreten und Mönch werden, am vergangenen Sonntag ist er von Dekanin Barbara Kohlstrunk in der Markuskirche in Oggersheim zum Pfarrer der pfälzischen Landeskirche ordiniert worden. Assistenten bei der Ordination des 31-jährigen Theologen waren Pfarrer Boris Wagner-Peterson aus Iggelheim, Mentor Cassolas im Gemeindevikariat, sowie Pfarrerin Sigrun Welke-Holtmann, Dozentin am Predigerseminar in Landau.

Cassolas Weg ins Pfarramt zählt wohl zu den kuriosesten Geschichten, die man sich über den Werdegang pfälzischer Pfarrer erzählen kann. Geboren in Prato in der Toskana, kam Lorenzo Cassola mit vier Jahren mit seinen Eltern nach Deutschland. Ohne ein Wort Deutsch zu sprechen sei er in die Grundschule gekommen, was nicht ganz einfach gewesen sei. Als Italiener war er selbstverständlich katholisch, und seine Eltern, so berichtete er, hätten auf eine autoritäre Art ihren Glauben gelebt. Nach einer mäßig erfolgreichen Hauptschulkarriere wendete sich für Lorenzo Cassola das Blatt an der Berufsfachschule I, Fachrichtung Elektrotechnik, der Berufsbildenden Schule in Frankenthal. Sein dortiger Religionslehrer, Pfarrer Hans Hutzel, und dessen damalige Vikarin Anke Lind erkannten das Potenzial Cassolas und begannen damit, ihn zu fördern.

Nach der Mittleren Reife, die Cassola an der Berufsschule ablegte, folgte 2006 die Konversion zur evangelischen Kirche, was, wie Cassola zugibt, für einen Italiener „ziemlich sonderbar“ sei. Schwierig für ihn sei gewesen, dass diese Zeit geprägt war von Konflikten mit seinen Eltern. Schließlich sei er von zu Hause ausgezogen und habe in Hutzel und Anke Lind wichtige Menschen gefunden, die ihm Rückhalt gegeben haben, und mit denen er bis heute eng befreundet ist.

Gerne erinnert sich Lorenzo Cassola an eine Episode während seiner Zeit an der Integrierten Gesamtschule in Oggersheim zurück, an der er sein Abitur ablegte. Das obligatorische Berufspraktikum in der 12. Jahrgangsstufe absolvierte er nämlich an seiner ehemaligen Berufsschule im Bereich der Schulseelsorge und Schulsozialarbeit. Das Praktikum in seiner alten Schule sei für ihn eine Art Vergangenheitsbewältigung gewesen. Außerdem war da die Neugierde, „einmal auf der anderen Seite zu stehen“, so Cassola. Spätestens dort, so erklärt er, sei sein Berufswunsch, Pfarrer zu werden, ganz klar hervorgetreten.

Dem Abitur folgte das Theologiestudium in Mainz und Heidelberg sowie das Vikariat in Iggelheim. Eine wichtige Erfahrung, so Cassola, sei das Spezialvikariat in Japan gewesen. „Das war für mich eine prägende Zeit, in der ich weit über den Tellerrand kirchlichen Lebens schauen durfte.“

Die Erfahrungen, die er in Japan machen durfte, ließ Cassola auch in seine Predigt im Ordinationsgottesdienst einfließen. Dabei brachte er den Text aus dem Matthäusevangelium in Verbindung mit dem Bild eines Tors im Meer vor einer japanischen Insel bei Hiroshima. Bei Ebbe könne man durch dieses Tor hindurchschreiten und betrete, dem schintoistischen Glauben gemäß, ein heiliges Areal. Die stabilisierenden Balken des Tors, so Cassola, erinnerten ihn an das Kreuz, und am Kreuz wiederum hingen unser ganzes Gnadenverständnis und unsere Frömmigkeit. Der Boden, auf dem das Tor stehe, sei das Wasser, das Symbol für das Leben. Damit werde das Tor zur Metapher für das Leben, wobei Ebbe und Flut die Höhen und Tiefen des Lebens symbolisierten. Durch dieses Leben, so Cassola, „schreiten wir mit der Ungewissheit, nicht zu wissen, wohin es uns führen wird“.

Im Grunde, so Cassola, „schwimmen alle durch dieses Leben“, wobei die einen bessere Schwimmer als die anderen seien, aber alle bewegten sich mal durch ruhiges Wasser des Lebens und manchmal durch unruhiges Fahrwasser. Das, so Cassola, bekäme auch die Kirche zu spüren, da sie vor großen Umbrüchen stehe. Die Sorgen, die dadurch bei den Menschen in den Gemeinden entstünden, müssten ernst genommen und nicht als banal abgetan werden, denn „bei genauerem Hinsehen ist keine Sorge banal“, so Cassola.

Besonders gefreut hat Lorenzo Cassola, dass bei der Ordination seine Eltern und seine drei Geschwister anwesend waren. Damit habe sein langer, ungewöhnlicher Weg ein gutes Ende genommen. „Jetzt schließt sich der Kreis“, so Cassola. Martin Schuck

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