Der Kaiser wollte nur viermal feiern

Adventsstreit: Im Kloster Limburg bei Bad Dürkheim ist die Dauer der Adventszeit festgelegt worden

Geschichtsträchtiger Ort: Im Kloster Limburg bei Bad Dürkheim wurde die Adventszeit festgelegt, wie sie bis heute gilt. Foto: Franck

Beschützer der Christen: Skulptur von Konrad II. in der Speyerer Dom-Vorhalle. Foto: epd

Kaiser Konrad II. wollte den Fall für alle Christen in seinem Reich ein für alle Mal geregelt wissen. Wann beginnt der erste Advent, und wie viele Adventssonntage gibt es? Über diese für die gottesdienstliche Praxis bedeutsame Frage bekamen sich im Mittelalter nicht nur die Theologen, sondern auch viele Gläubige immer wieder in die Haare. Am 3. Dezember 1038 legte eine Synode im pfälzischen Kloster Limburg bei Bad Dürkheim auf Betreiben des Kaisers die Adventszeit mit ihren vier Sonntagen fest: Der erste Adventssonntag muss stets in der Zeit zwischen dem 27. November und dem 3. Dezember begangen werden. Diese Regelung gilt für katholische und evangelische Gläubige seit knapp 1000 Jahren bis heute. In diesem Jahr fällt der erste Adventssonntag auf den 29. November.

Der folgenreichen Zusammenkunft der Bischöfe in dem damaligen Kloster am Rand des Pfälzerwalds war ein kurioser Streit vorangegangen, der als „Straßburger Adventsstreit“ in die Geschichte eingegangen ist. Der Gründer der Salierdynastie machte auf der Rückreise von Burgund nach Goslar am 26. November 1038 bei seinem Onkel, dem Straßburger Bischof Wilhelm, Station. Just an diesem Tag – einem Sonntag – feierte dieser mit seinem Klerus den ersten Advent. Konrad war verärgert und blieb der Feier fern: Der Gottesdienst sei eine Woche zu früh und eine Abweichung von der kirchlichen Norm.

Ursache des Streits war, dass es für das christliche Abendland keine einheitlichen Regeln für die Dauer der Adventszeit gab. In ihr bereiten sich die Christen auf das Weihnachtsfest vor. Je nach Liturgie gab es in verschiedenen Regionen des Reichs vier, fünf, sechs oder auch sieben Adventssonntage. Immer dann, wenn Weihnachten auf einen Montag fiel, wie im Jahr 1038, wurde es problematisch: Zählte Heiligabend nun als vierter Advent? Und dauerte die Adventszeit als Buß- und Fastenzeit nun drei oder vier volle Wochen?

Weil der Straßburger Bischof Wilhelm den Advent bereits am 26. November begann, hätte es insgesamt fünf Adventssonntage gegeben – einen mehr, als Papst Gregor der Große rund 400 Jahre zuvor für die römische Kirche vorgegeben hatte. Die vier Sonntage standen symbolisch für die 4000 Jahre, die die Menschen nach dem Sündenfall auf den Erlöser warten mussten.

Eine Woche später, am 3. Dezember, feierte Konrad mit seiner Frau Gisela den ersten Advent im von ihm gegründeten Kloster Limburg, von dem heute nur noch eine Ruine übrig ist – und berief eilig eine Synode ein. Diese klärte den kirchenrechtlichen Fall in Anwesenheit des Kaisers, wie zwei späte Quellen aus Speyer und Weißenburg berichten. Bischof Wilhelm setzte sich mit seiner Meinung, dass die Adventszeit vier volle Wochen betragen müsse, gegenüber den anderen Bischöfen nicht durch. Teilnehmer der Synode waren die Bischöfe von Worms, Speyer, Eichstätt, Hildesheim und Verona, der Mainzer Dompropst sowie mehrere Vertreter aus anderen Bistümern.

Konrad habe sich als „Bewahrer des Christentums“ dazu verpflichtet gefühlt, in seinem Reich die Einheit des Glaubens und der gottesdienstlichen Praxis zu sichern, erläutert der Heidelberger Mittelalterhistoriker Bernd Schneidmüller. Der richtige Vollzug der Liturgie sei für mittelalterliche Menschen „total wichtig“ gewesen: Wenn in Glaubensfragen keine Einmütigkeit herrsche, werde nach diesem Verständnis auch Gott selbst infrage gestellt, erläutert Schneidmüller. Er ist wissenschaftlicher Leiter der coronabedingt derzeit geschlossenen Landesausstellung „Die Kaiser und die Säulen ihrer Macht“ im Mainzer Landesmuseum, die bis 18. April 2021 gezeigt werden soll.

Der Kaiser habe nicht nur religiöse, sondern auch handfeste machtpolitische Gründe gehabt, innerkirchlich einzugreifen und die Länge der Adventszeit regeln zu lassen, analysierte der Historiker Karl Josef Benz in einem bereits 1978 erschienenen Aufsatz über den Straßburger Adventsstreit. Konrad habe gar eine Kirchenspaltung wegen des Streits für möglich gehalten, und dies wiederum hätte auch die Einheit des Reichs bedroht, argumentiert Benz. Der Salierkaiser begann den Dom von Speyer zu bauen, er sollte nach seinem Willen die größte Kirche des Abendlands sein. Später wurde die romanische Kathedrale, in deren Krypta er begraben ist, zur Grablege der deutschen Kaiser, Könige und zahlreicher Bischöfe.

Letztlich hätten bei der Synode im Kloster Limburg die teilnehmenden Bischöfe eigenständig „mit Unterstützung des Kaisers ein griffiges Problem zur Entscheidung“ gebracht, urteilt Pfarrer Mathias Köller vom Archiv des Bistums Speyer. Die Bischöfe hätten die Position des Kaisers mitgetragen, dass es nicht mehr als vier Adventssonntage geben dürfe. Erst das Konzil von Trient machte 1570 die Regelung der vier Adventssonntage rechtsverbindlich. Dennoch hat sich etwa im Erzbistum Mailand bis heute eine sechswöchige Adventszeit gehalten, auch die orthodoxen Kirchen begehen den Advent sechswöchig.

Auch der Historiker Schneidmüller glaubt nicht, dass Konrad im Adventsstreit gegenüber der Kirche ein Machtwort sprach. Der das Mittelalter prägende Machtkampf zwischen Kaiser- und Papsttum habe allerdings einige Jahrzehnte später auf dem Wormser Hoftag von 1076 seinen Höhepunkt erreicht, erinnert er. Im sogenannten Investiturstreit über die Frage, wer das Recht zur Einsetzung von Bischöfen habe, setzte sich Papst Gregor VII. durch: Im Januar 1077 zog Kaiser Heinrich IV. im Büßerhemd nach Canossa, wo ihn der römische Oberhirte vom Kirchenbann befreite. Alexander Lang

E Literaturhinweis: Benz, Karl Josef: Kaiser Konrad II. (1024 bis 1039) als kirchlicher Herrscher. Der Strassburger Adventsstreit und die Synode von 1038 im Kloster Limburg an der Haardt, in: Archiv für Liturgiewissenschaft 20 (1978), Seiten 56–80.

 

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