Corona-Krise verdichtet die Probleme der Familien

Fachtag des Landesarbeitskreises Pfalz der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft Familie in Kaiserslautern – Akteure wollen sich mehr vernetzen

Begegnungsort Tagesstätte: Petra Ruby (mit Sohn Mika auf dem Arm) ist in der protestantischen Kindertagesstätte in Kaiserslautern-Betzenberg im Gespräch mit Erzieherin Marie Luise Loserth. Foto: view

Austausch: Teilnehmerinnen und Teilnehmer des ersten Fachtags zu Familienthemen in der Kaiserslauterer Friedenskirche. Foto: view

Wie unter dem Brennglas hat die Corona-Krise verdichtet, wie schwierig die Situation vieler Familien im Land ist. Täglich leisten die Eltern den kräftezehrenden Spagat zwischen Job und Erziehung und der Betreuung ihrer Kinder. Vor allem Mütter pflegen zudem ältere Angehörige. Zum zeitlichen Druck kommt bei vielen Familien hinzu, dass das Geld oft hinten und vorne nicht reicht. „Die Schere zwischen Arm und Reich verschärft sich“, sagt die pfälzische Bildungsdezernentin Dorothee Wüst. Für die Gesellschaft sei ein „funktionierendes System Familie“ wichtig – doch hätten die Auswirkungen der Pandemie viele Eltern und ihre Kinder an die Grenzen ihrer Belastbarkeit geführt, ergänzt die Oberkirchenrätin.

Wie die Kirche besonders junge Familien besser unterstützen kann, darum geht es bei einem ersten Fachtag des Landesarbeitskreises Pfalz der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft Familie (eaf) in Kaiserslautern. 15 Vertreterinnen und Vertreter aus Kindertagesstätten, Gemeindepädagogischen Diensten und aus der Erziehungsberatung sind auf Einladung der eaf in der Friedenskirche zum Kennenlernen zusammengekommen. Sie wollen sich zukünftig besser fachlich austauschen und ihre Arbeit zum Wohl ihrer Klientel enger vernetzen, kündigt die Vorsitzende Annette Heinemeyer an, die auch landeskirchliche Gleichstellungsbeauftragte ist. Weitere Fachtage zum Thema sollen folgen, auf landespolitischer Ebene wolle die Arbeitsgemeinschaft weiter eine Lobby für Familien sein.

Die Landeskirche wolle die Sorge um die Familien „aus dem Hinterkopf in das Vorderhirn holen“ und ihre unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten in den Blick nehmen, kündigt Oberkirchenrätin Wüst an. Gefragt werden müsse, welche Unterstützung sie brauchten und was ihre Wünsche seien. Nicht die Angst wegen des kirchlichen Mitgliederschwunds sei dafür der Grund, sondern die Liebe Gottes zu den Menschen, die zur Hilfe verpflichte.

Und tatkräftige Hilfe haben Familien immer mehr nötig, merken die Mitarbeiterinnen in der kirchlichen Familienarbeit an. Für viele Familien aus anderen Ländern oder zugezogene Familien seien Kindertagesstätten wichtige Orte der Begegnung und Beratung, erzählt Nadja Lobodda, die Leiterin der Kindertagesstätte Kaiserslautern-Betzenberg. Viele der rund 90 Kinder haben einen Migrationshintergrund und stammen aus Familien, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind.

Eltern seien häufig in ihrem Lebensalltag und bei der Kindererziehung überfordert und bräuchten vermehrt Kontakte sowie Begleitung durch pädagogisches Fachpersonal, berichtet Lobodda. In der Kindertagesstätte Betzenberg gibt es deshalb eine intensive Elternarbeit, wo in Absprache mit Eltern etwa Ernährungsberatung und sportliche Aktivitäten angeboten werden.

Zudem wird versucht, Eltern miteinander ins Gespräch zu bringen, damit diese eigene Netzwerke zur gegenseitigen Hilfe knüpfen können. Auch das enge Miteinander von Kindertagesstätten, Gemeindepädagogischen Diensten und Gemeindediensten der Kirchengemeinden könne Familien stützen, ergänzen Gemeindediakon Klaus Orschiedt vom Gemeindepädagogischen Dienst und Sozialarbeiterin Alice Jessl vom Evangelischen Gemeindedienst in Kaiserslautern. Dabei könne die evangelische Kirche Profil zeigen und sich auch mit anderen Organisationen in der Familienarbeit vernetzen.

Eine willkommene Entlastung für Familien könne die Vollverpflegung ihrer Kinder in den Kindertagesstätten sein, merkt Daniela Brauer-Schwarzer an, die für die Fachberatung der Diakonie für die Dekanate Donnersberg, Homburg, Kaiserslautern, Kusel sowie „An Alsenz und Lauter“ zuständig ist. „Familien stehen unter immensem Druck, sie wollen alles gut machen“, weiß Marc Becker von der Erziehungsberatungsstelle der Diakonie in Kaiserslautern. Bei Problemen wie Trennungen, Scheidungen oder schulischen Problemen der Kinder bräuchten sie schnelle, unbürokratische und niederschwellige Hilfen. „Oft fehlen ihnen die Ressourcen, um die Eltern zu sein, die sie sein wollen“, sagt der Erziehungswissenschaftler. Alexander Lang

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